Genau zu schauen, ist ihre Profession. Bei der alltäglichen Bearbeitung der berufsbedingten Texte benötigt die Lektorin Katharina K. einen scharfen Blick, der ihr das Sehen von Details, Übersicht und Gesamtschau gleichermaßen ermöglicht. Damit ihr dabei auch der noch so kleinste Fehler nicht entgeht, trägt sie eine Lesebrille und nur äußerst selten Gläser, um die Sonne abzuschirmen.

Foto: Ursula Schersch

Es sei denn, sie gönnt sich den Luxus, die Arbeitstexte in einem Schanigarten durchzulesen. Dann kann sie ihrer Leidenschaft für Sonnenbrillen frönen, von denen sie an die fünfzig Stück besitzt, je nachdem, ob die mit abgebrochenen Bügeln – sie könnten ja repariert werden – dazu gerechnet werden oder eben nicht.

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Das älteste Modell ihrer Sammlung, recheckiges Design mit braunem Plastikgestell, stammt aus den 50er-Jahren, genau genommen aus dem Besitz ihrer Mutter. "Die wollte sie schon wegwerfen, ich hab' sie im letzten Moment gerettet. Leider sind die Gläser schon etwas zerkratzt. Es gibt ein Foto, das meine Mutter mit dieser Brille bei einem Skiausflug zeigt, vor einer Hütte in der Sonne sitzend, in Keilhose, geschnürten Leder-Skischuhen, strahlend über das ganze Gesicht. Ich glaub', da war sie frisch verliebt", erzählt sie.

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Die spicige Spitzbrille in Schwarz, die gut zu den Outfits vom Raumschiff Interprise passen würde, ist ein 60er-Remake, das Katharina K. in den 90er-Jahren erstanden hat. "Da ging es mir um den Witz, nicht um guten Schutz der Augen, die ist ja reines Plastik". Zur Schonung der Sehkraft und für einen optimalen Blick ohne die Augen zusammen kneifen zu müssen, besitzt sie natürlich auch Sonnenbrillen mit optischen Gläsern, die relativ teuer waren. Zum Beispiel die klassische ovalförmige Gucci-Brille, die zu ihren absoluten Favoritinnen zählt. Oder die Schwarze von Christian Lacroix und die Rechteckige von miu miu / Prada.

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Bei diesen Modellen steht der Chic nicht so im Vordergrund als bei jenen, die sie alleine aufgrund des Designs erstanden hat. Viele davon trägt sie farblich abgestimmt zur Kleidung. So die Giftgrüne mit dem eingeprägtem Leoparden-Muster. Mit dem breiten Bügel und der Gläserform haftet ihr ein leichtes Fifties-Flair an. "Die habe ich vor etwa zehn Jahren sehr günstig gekauft, wo daran erinnere ich mich nicht mehr. Aber ich trage sie immer noch, wenn ich mich in Grüntönen kleide oder als Gegenpol zu Rot", sagt sie.

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Eine weitere modische Facon in Smaragdgrün mit Schwarz kombiniert, gehört zu ihren relativ neuen Anschaffungen. "Die finde ich sehr chic, aber gleichzeitig drückt sie unbequem auf die Ohren, darum nehme ich sie nur selten. Die war übrigens ganz billig, nur 12 Euro beim Bipa". Die beige-schwarze "Tiger-Lilly-Brille mag ich besonders gerne". Sie sei zwar gerade out, "aber das ist mir sowieso egal, weil ich mich nicht nach modischen Vorgaben richte".

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Selten bis gar nicht trägt sie die beiden gelben Sonnenbrillen, die Schmälere wirke "ein bisserl prolomäßig, keine Ahnung in welcher geschmacklichen Verwirrung ich die gekauft habe", lacht sie, "und das überdimensionale Seventies-Revival-Modell finde ich eigentlich auch untragbar, weil es auf der Nase drückt und einen blöden Gesichtsausdruck fabriziert". Eigentlich, meint die Lektorin, seien die "Riesenrad-Gläser, die das Gesicht zur Hälfte verdecken, lächerlich im wahrsten Sinn des Wortes. Da bin ich eher dafür, sie als Haarschmuck zu tragen, also wirklich umzufunktionieren, sie eignen sich hervorragend als Haarreifen-Ersatz".

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Übrigens nennt Katharina K. zwei Original-70er-Jahre-Brillen, die eben diese Übergröße aufweisen, ihr eigen. Beide bestehen aus hellbraunem Hartplastik mit runden Augengläsern, wobei bei der Größeren dieselben noch zusätzlich nach außen gestülpt sind, was den Augen einen "glotzenden Blick" und einen nicht gerade intelligenten Ausdruck verleiht. "Auch sie gehörten meiner Mutter", erzählt sie, "die hat die tatsächlich aufgesetzt, daran kann ich mich noch erinnern. Dazu trug sie eine toupierte und mit einem Haarteil hochgetürmte Frisur und zehn Zentimeter hohe Plateauschuhe", amüsiert sie sich.

Foto: Ursula Schersch

Die kitschigste Sonnenbrille in ihrer Sammlung? "Das ist eindeutig die Rosarote mit dem Glitter, ein Geschenk meiner Freundin, die damals meinte, dass mir 'in dunklen Zeiten' ein rosaroter Blick auf die Dinge und Menschen rundherum nicht schaden könnte. Es war ein Gag, aber sehr lieb gemeint!".

Text: Dagmar Buchta
Fotos: Ursula Schersch

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