1988 sah sich Ex-Beatle George Harrison aufgrund des wohl auch für ihn selbst überraschenden Erfolges seines Soloalbums "Cloud Nine" und des darauf enthaltenen Hits "Got My Mind Set On You" von seiner Plattenfirma genötigt, auf die Schnelle für die B-Seite einer weiteren aus dem Album ausgekoppelten Single einen neuen Song einzuspielen. Weil ihm nichts und vor allem nichts Besseres einfiel, bat er seinen damaligen Produzenten Jeff Lynne (Electric Light Orchestra) um Hilfe. Einige Tage und Joints später fand man sich in der zum Heimstudio umfunktionierten Garage von Bob Dylans Haus in Malibu im Verein mit dem Hausherrn, Tom Petty und Roy Orbison wieder und schrieb den heutigen Klassiker Handle With Care. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass es sich hier nicht bloß um eine einmalige Kollaboration handeln konnte.
Immerhin hatte nicht nur Bob Dylan Blut geleckt. Gerade zu ihm waren die 80er-Jahre speziell kommerziell, aber auch aufgrund erheblicher Probleme mit dem Schnaps gesundheitlich gesehen nicht gerade gut gewesen. Er überlegte damals laut seinen Memoiren "Chronicles Volume One" überhaupt den Rückzug in die Frührente. Auch dem zu den Sessions geladenen Poptragöden Roy Orbison, für den Jeff Lynne gerade ein Album produzierte und über den Dylan in den "Chronicles" treffend anmerkte, dass man sich bei ihm nie sicher sein konnte, ob er gerade mexikanischen Mariachi oder italienische Oper singe, schien die lockere Pfadfinderlager-Rock'n'Roll-Atmosphäre sichtlich zu behagen.
In nur neun Tagen entstand damals schließlich das gelassene, heiter-melancholisch zwischen Hillbilly-Country-Pop und melodieseligem, am Lagerfeuer auf Westerngitarren getrampftem Party-Rock pendelnde Album "The Traveling Wilburys Volume One", einer der größten Überraschungserfolge der damaligen Zeit. Ironie des Schicksals: Bis heute gilt dieses Freizeitprojekt im Werkkatalog Bob Dylans als dessen meistverkauftes Album überhaupt...
Nachdem das Album inklusive seines Nachfolgers Volume 3 (Volume 2 fiel wohl der Kifferlaune zum Opfer) gut ein Jahrzehnt nicht erhältlich war, liegt nun, inklusive einiger bisher unveröffentlichter Bonus Tracks sowie einer DVD-Dokumentation und den Videoclips der fröhlichen älteren Herren, eine opulente CD-Box vor, die die damals zwar heftig gekauften, aber auch ein wenig belächelten Wilburys ins rechte Licht rücken soll.
Zwar wurden die Songs vom diesbezüglich ohnehin ausreichend berüchtigten Hallmeister Jeff Lynne ordentlich mit Donner- und Granatenschlagzeug und mitunter grauenhaften 80er-Jahre-Synthesizerteppichen oft bis an die heutige Schmerzgrenze zugemüllt. Gerade aber Dylans Beiträge können einem noch heute das Herz brechen. Neben der wunderbaren Bruce-Springsteen-Paraphrase "Tweeter And The Monkey Man" oder dem anzüglichen "Dirty World" gelang dem misanthropischen Meister damals mit Congratulations eine der galligsten, im Stile eines imaginären Kuhbuben-Soul gehaltenen Abschiedsballaden der Musikgeschichte: "Congratulations - for breaking my heart, congratulations - for tearing my soul apart..."