Mit der Erklärung von Johannes Huber, nicht mehr für den Vorsitz der Bioethikkommission kandidieren zu wollen, scheint das Kapitel "Zelltherapie" abgeschlossen. Was bleibt, ist der Eindruck, dass auch Götter in Weiß hin und wieder von eher irdischen Motiven angetrieben sind. Das betrifft freilich nicht nur den Ärztestand, doch im medizinischen Umfeld, vor allem beim Thema Krebs, reagiert die Gesellschaft zu Recht besonders sensibel. Fehlt jedoch die öffentliche Aufmerksamkeit, so können Missstände auch jahrelang unbehelligt gedeihen. Und davor sind auch die heimischen akademischen Hallen nicht gefeit.

Hamers Erben

Als Beispiel kann eine Geschichte dienen, die mit dem Begründer der "Germanischen Neuen Medizin", Gerd Ryke Hamer, beginnt. Hamer, der letztes Jahr aus einem französischen Gefängnis entlassen wurde, erlangte hierzulande durch den "Fall Olivia" traurige Berühmtheit. Seine "Eiserne Regel des Krebs" besagt nichts weniger, als dass Krebs ausnahmslos aus einem psychologischen Konflikt resultiert. Die Therapie, die sich daraus ableitet, ist alternativmedizinisch im schlechtesten Sinne. Sie verbietet chirurgische Eingriffe ebenso wie Strahlen- und Chemotherapie. Hamers Anhänger halten sich daran - die jährlich neuen Todesopfer sind inzwischen penibel dokumentiert. In der wissenschaftlichen medizinischen Literatur findet sich selbstverständlich keine Erwähnung von Hamers obskuren Theorien. Mit einer unrühmlichen Ausnahme: Drei "ganzheitliche" Ärzte verteidigten 2005 in einem Artikel im Scientific World Journal Hamers Arbeit. Dort verkündeten sie, dessen "Eiserne Regel" sei ein "etabliertes Prinzip der holistischen Medizin". Während der Herausgeber des Journals für den Abdruck dieses Schmarrns verbale Prügel der Fachleserschaft bezog, kämpfte einer der Autoren, Soren Ventegodt, gerade um die Wiedererlangung seiner ihm aus anderen Gründen entzogenen Approbation.

Soren Ventegodt und Ko-Autor Joav Merrick unterrichten Studierende des Masterlehrgangs "Komplementäre Gesundheitswissenschaften". Bezahlt werden sie dafür aus EU-Geldern, und veranstaltet wird der Fernlehrgang vom Grazer "Interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung". Dessen Vorstand ist Peter C. Endler, der seit einem Lehrauftrag an der Universität Urbino als "Univ.-Prof. (ac., Italien) a. D." auftritt. Endler ist auch ehemaliger Leiter der "Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für niederenergetische Bioinformation", die zwar die Wirkung des "levitierten Quellwasser-Informationskonzentrats" eQwell bestätigte, aber trotz dieses Erfolges bald darauf geschlossen wurde.

Rüben gegen Aids?

In Homöopathie-Kreisen ist Endler für seine Kaulquappenversuche bekannt, in denen er nachgewiesen zu haben meint, dass das Hormon Thyroxin in der Hochpotenz D30, vom chemischen Standpunkt aus also reines Wasser, die Entwicklung von Kaulquappen verlangsamt.

Angeblich genügt es dafür bereits, die "Frequenzen" der homöopathischen Lösung auf CD zu brennen, sie in Wasser einzuspielen und dieses in einer verschlossenen Glasphiole ins Becken der Froschlarven zu hängen.

Eine weitere Lehrkraft des Interuniversitären Kollegs ist der Zahnarzt Heinz Spranger, auf dessen Namen man auf Webseiten wie "VirusMyth" und "AIDS-Kritik" stößt. Dort spekuliert Spranger über "chemische Vergiftungen" als wahre Ursache von BSE und äußert vehemente Zweifel an der von "amateurhafter Hilflosigkeit" geprägten Theorie, dass HIV die Ursache von Aids sei. Möglicherweise hat seine "Expertenmeinung" dazu beigetragen, dass er in die Aids-Kommission des südafrikanischen Präsidenten Mbeki berufen wurde, dessen Gesundheitsministerin Rote Rüben und Knoblauch gegen die tödliche Krankheit empfahl.

Im Beirat des Interuniversitären Kolleg sitzt Michael Frass, Leiter der AKH-Ambulanz "Homöopathie bei malignen Erkrankungen". Frass beschäftigt sich auch mit esoterischer Voodoo-Technik. Ein kleines Aluplättchen zum Umhängen, genannt "ATOX Bio-Computer" wandelt laut Hersteller "negative Informationen in positive" um, natürlich stromlos.

Das kuriose Ding, auf das auch Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser vertraute, soll vor "Elektrosmog" schützen, der immer wieder auch mit Krebs in Zusammenhang gebracht wird. Wie Professor Frass feststellte, erkennt der Anhänger aber auch "psychosoziale Belastungen" und "wandelt diese in eine für den Träger positive Energie um".

Nach dem sensationellen Ergebnis seiner Studie ("Fast alle Personen hatten bereits nach einigen Tagen beziehungsweise Wochen die Kraft und Energie, auch andere Maßnahmen zur Verbesserung der Stressbewältigung zu setzen") erklärte Frass in einem Vortrag "Welche Schwingungen auf unseren Organismus einwirken - Wie unser Körper damit umgeht - Wie man sich schützen kann - Was ATOX bewirkt - Wie ATOX angewendet wird." Auf Einladung von Frass durfte ein Vertreter von Atox seinen verblüfften Zuhörern im AKH auch die neueste Entwicklung präsentieren, einen "Benzinbeleber", basierend auf einer "Äthertheorie", der im Tank eines Autos auf magische Weise den Verbrauch senkt. Die zur Teilnahme an einer Studie eingeladenen Kollegen von der TU Wien lehnten dankend ab.

Kampf gegen Handys

Ein Konkurrenzprodukt aus Übersee, ebenfalls ein Anhänger zum Schutz vor bösen Handy- und Erdstrahlen, trägt den Namen "Q-Link". Großer Beliebtheit erfreut er sich in Großbritannien, wo er kürzlich Opfer von Ben Goldacres gefürchteter "Bad Science" Kolumne im Guardian wurde.

Die Q-Link-Hersteller begründen die Wirksamkeit außer mit dem üblichen quantenmystischen Brimborium auch mit dem Verweis auf angeblich wissenschaftliche Studien. Einige davon stammen aus heimischen Labors - etwa jene von Maximilian Moser von der Medizinischen Uni Graz oder die des Homöopathen und Elektrosmog-Warners Walter Glück, Leiter des "Natural Medicine" Lehrgangs der Donau-Universität Krems. Auch zwei als Mobilfunkskeptiker bekannten Professoren der Medizinischen Universität Wien werden als Studienautoren genannt.

Wilhelm Mosgöller soll eine durch den Q-Link erhöhte Resistenz von Gewebszellen gegen chemischen Stress festgestellt haben, während Michael Kundi eine statistische Analyse von Daten vornahm, die eine mit einem Doktorat des "Institute of Holistic Theology" ausgestattete Naturheilkundlerin mittels "Elektroakupunktur" ermittelt hatte.

Man solle das alles doch nicht so eng sehen, meinen manche Kollegen. Auch Professoren hätten schließlich eine Familie zu ernähren und, wie man unter Akademikern augenzwinkernd sagt, es heißt schließlich Gutachten, nicht Schlechtachten. Tatsache ist jedenfalls, dass sich mit solchen Dingen keine Bioethikkommission befasst - höchstens hin und wieder ein Zeitungskommentar. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. Juli 2007)