Markus Hinterhäuser: "Bin kein Manager! Veranstalten bedeutet für mich Kommunikation mit interessanten Dingen."

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Salzburg – Da sitzt er nun also mitten im Salzburger Sommer, der "Mann der Moderne" und verspürt "schon ein gewisses Prickeln, jetzt wo das Programm von der Papierform in die Realität überführt wird". Er sitzt also da, in Salzburg, allerdings nicht, wie einst zu Zeitfluss -Zeiten, als Miterfinder eines von den Festspielen umarmten anspruchsvollen Kontrastprogramms. Er sitzt da, mitten im Festspiel-Konzertprogramm, verantwortlich für etwa 60 Veranstaltungen, die auch das zu füllende große Festspielhaus beinhalten müssen.

Und dies nicht unbedingt mit Dingen, die ihm ein zentrales Anliegen sind. Vielmehr mit einem Mainstreamprogramm, das ihn – betrachtet man seine bisherige Biografie als Pianist und Veranstalter – vielleicht gar kein Anliegen sind. Mit solchen Beschreibungen kann man Markus Hinterhäuser etwas ärgern. "Was heißt das schon, Mann der Moderne! Ich habe Klavier studiert. Mein Interesse an Musik war und ist ziemlich umfassend. Dass ich natürlich einen Schwerpunkt als Pianist und Veranstalter hatte, ist bekannt, aber das heißt nicht, dass mich anderes weniger interessiert."

Was er zusätzlich ärgerlich, aber interessant und vor allem veränderungswert findet, ist die Tatsache, "dass Dinge als modern bezeichnet werden, die es so nicht mehr sind. Und dass man noch immer in Situationen gebracht wird, die Berechtigung dieser Dinge fordern zu müssen. Ich will auch nicht gelobt werden dafür, dass ich das so genannte Moderne integriere."

Hinterhäuser sucht in der Programmierung die Balance, eine Erkenntnisse erhellende Verzahnung von Programmpunkten, die das weniger Alte als Selbstverständlichkeit einbaut. "Ich mache keine Seminare. Dass die Leute Freude haben, an dem, was sie hören, ist vollkommen in Ordnung. Gleichzeitig ist es unabdingbar für die Salzburger Festspiele, nicht nur diesen Aspekt zu bedienen, sondern auch mit Haltung etwas zu fordern. Wenn das Publikum gefordert wird, bekommt man viel zurück, man soll die Leute nicht unterschätzen."

Auch Hinterhäusers Gestaltungsspielraum macht ihm keine Probleme. "Nirgendwo kann man 100 Prozent umsetzen, man kann hier aber gestalten. Man könnte natürlich Agenturen anrufen und sich in Tourneeprogramme einkaufen. Man kann aber auch zu den Künstlern gehen, und sie überreden, etwas Spezielles zu versuchen." Was sind Festspiele?, fragt Hinterhäuser, und gibt selbst die Antwort:

"Eine Ausnahmesituation, die gewissermaßen eine erhöhte Temperatur schafft. Ich will deshalb Konstellationen inszenieren. Natürlich bringt das Risiken mit sich. Ich will Konzerte aber nicht immer als sicheren Faktor, als eine Art Partyservice." Auch bei den Philharmonikern waren die Ohren offen: "Der Kontakt ist wunderbar, man soll nicht glauben, dass die nicht bereit wären, Modernes zu integrieren. Immerhin ist beim Eröffnungskonzert Ligetis Lontano dabei." Zudem war es auch hilfreich, dass die bekannteren Dirigenten wie Franz Welser-Möst, Mariss Jansons oder Riccardo Muti gar nicht abgeneigt waren, zu diskutieren. "Es kam niemand und sagte: ,Ich möchte das unbedingt!‘ Das war auch bei Simon Rattle nicht der Fall."

So will man Hinterhäuser als versierten Manager betrachten, aber: "Ich bin kein Manager, will nicht als solcher gesehen werden. Veranstalten bedeutet für mich, Kommunikation mit Dingen, die mich interessieren. Das war immer so, und geplant habe ich nie etwas, es hat sich vieles so ergeben. Zeitfluss wäre ohne die Konstellation ,Hans Landesmann und Gerard Mortier‘ sicher nicht möglich gewesen. Und dass Peter Ruzicka das Festival dann abgedreht hat, dafür bin ich ihm im Nachhinein sogar dankbar. Obwohl das alles schmerzhaft war."

Apropos. Wegen der Finanzsituation, die sich 2009 dramatisch zuspitzen dürfte, sieht Hinterhäuser schon Schmerzen auf die Festspiele und damit auch auf ihn selbst zukommen. Jetzt ist allerdings das gewisse "Prickeln" angesagt. Wie werden sich Christine Schäfer und Helene Grimaud verstehen, wie wird Christoph Marthalers Scelsi-Inszenierung auf der Pernerinsel laufen; was passiert beim Besuch des West-Östlichen Divan-Orchesters von Daniel Barenboim? (Ljubiša Tošic/ DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.07.2007)