Wien - "Natürliche" und "rein pflanzliche" Nahrungsergänzungen scheinen vielen Menschen eine akzeptable Alternative oder ein Zusatz zur Schulmedizin zu sein. Suggerieren die mit diesen Attributen angepriesenen Präparate doch irgendwie, es könne schon nicht schaden, sie zu nehmen. Das Problem: Nicht immer ist auch das drinnen, was man sich erwartet, warnt Thomas Lang von der österreichischen "Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit" (AGES).

Jüngstes Beispiel: Der Fall der Potenzmitteln "X-He" und "PerfeX-men". Diese wurden zwar mittels "Multi Level Marketing" als rein pflanzliche Erektionshilfe vertrieben, enthielten in Wahrheit aber die Wirkstoffe der herkömmlichen Potenzpillen. Wirkstoffe, die bei Risikopatienten das Herzkreislaufsystem lahm legen können.

Krebs erregender Inhaltsstoff

Auch mit Produkten der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gibt es Probleme. Vor allem, wenn sie über das Internet oder bei wenig vertrauenserweckenden Quellen gekauft werden. "Vor allem in Großbritannien mit der großen chinesischen Gemeinschaft gibt es da ein ziemliches Problem", erläutert Lang. Und nennt als Beispiel die Osterluzei. In Asien wird die Pflanze (wie bereits in der europäischen Antike) für die Behandlung unterschiedlichster Beschwerden eingesetzt. "Ob sie auch hilft, ist zweifelhaft. Sicher ist, dass ein Inhaltsstoff, die Aristolochiasäure, extrem Krebs erregend ist."

Besprühte Kräuter

Weitere Problemfelder sind die Belastung von Kräutern und Tees mit Schwermetallen sowie die "geboosteten TCM". Bei diesen werden Kräuter mit einer Wirkstofflösung besprüht. "Bei einer Allergie gegen einen bestimmten Wirkstoff glaubt man dann, man kann auf dieses Kraut ausweichen, ohne zu wissen, dass man in Wahrheit den gefährlichen Stoff einnimmt", verdeutlicht Lang. "Das ist natürlich illegal, aber nur mittels chemischer Analyse nachweisbar."

"Kdolsky zu lax"

Wie effizient vor solchen Arzneien und auch vor gesundheitsgefährdenden Nahrungsmitteln gewarnt wird, ist umstritten. Für Johann Maier, SP-Konsumentenschutzsprecher, ist Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) zu lax bei der Bekanntgabe riskanter Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, kritisierte er in einer Aussendung.

Sein Argument: Die Bevölkerung würde über die von Österreich an das europäischen Schnellwarnsystem für Essen und Futter RASFF verschickten Warnungen nicht informiert.

Wirft man einen Blick in die aktuelle RASFF-Liste der Kalenderwoche 29, zeigt sich, wie weit sich der Bogen spannt: Von der in Österreich entdeckten deutschen Hendlgrillplatte, die mit Salmonellen verseucht war (und deren Bestand weg ist) über ayurvedische Kräuternahrungsergänzung aus Indien, in der deutsche Prüfer leider hohe Werte Quecksilber und Arsen entdeckt haben, bis hin zu chinesischen Küchenmessern, von denen sich Späne und Splitter lösen.

Listen in Englisch

Nur: Diese Listen sind in Englisch verfasst, selbst Sprachkundige werden die angeführten Stoffe in einem Lexikon nachschlagen müssen. Auf den Internetseiten des Gesundheitsministeriums und der Ages sucht man vergeblich nach einer Übersetzung oder einer ähnlichen Liste.

Für Kdolsky-Sprecher Jürgen Beilein ist die Attacke so nicht gerechtfertigt: "Prinzipiell informieren wir so umfangreich wie möglich. Aber wenn beispielsweise nur gewisse Chargen betroffen sind, die nachweislich noch im Großhandel sind, ist es nicht sehr sinnvoll, die breite Öffentlichkeit zu alarmieren."

Dem Vorwurf Maiers, Kdolsky veröffentliche zu wenige Warnungen, lässt Beilein aber auch aus rechtlichen Gründen nicht gelten: Seit 2006 sei nämlich der Handel für diese Warnungen zuständig, das Gesundheitsministerium müsse nur überwachen, dass diese auch erfolgen. Der Kritik, die heimischen Internetseiten dazu seien zu wenig übersichtlich, muss er zustimmen. "Wir arbeiten aber daran, die Daten transparenter zu gestalten", verspricht er. (DER STANDARD, Printausgabe, Michael Möseneder, 28.7.2007)