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Andreas Ogris im Jahre 1997 als Spieler, der stets alles gegeben hat. 2007 ist er ein ehrgeiziger Gastronom.

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Standard:Fehlen dem österreichischen Fußball jene Typen, die man respektvoll als Rotzpippn bezeichnen kann? Also Leute wie Andreas Ogris?

Ogris: Kann sein. Der Didi Kühbauer ist so ein Überbleibsel, er hat Ecken und Kanten, wie auch ich sie hatte. Man muss auf dem Platz demonstrieren, dass jeder Einzelne zuerst einmal zu rennen und zu kämpfen hat. Tut mir leid, das ist so. Ich versuchte immer Zeichen zu setzen. Falls es sein musste, hackte ich einen Gegner um und legte mich mit dem Schiri an.

Standard: Der heutigen Generation wird vorgeworfen, zu wenig miteinander zu kommunizieren. Im Nationalteam ist das besonders auffällig, es gibt kaum Persönlichkeiten mit Führungsqualitäten.

Ogris: Das ist eine gesellschaftliches Problem, alle sitzen vor ihren Computern. Früher ist Karten gespielt oder gewürfelt worden, der Schmäh ist g’rennt. Das Beisammensitzen gibt es leider nimmer. Dabei wäre es sehr wichtig fürs Zusammenspielen.

Standard: Hätte ein Ogris im heutigen Fußball noch eine Chance? Die tolle Austria-Mannschaft der 80er bestand großteils aus starken Rauchern, der eine oder andere soll sich in der Pause die eine oder andere angezündet haben.

Ogris: So arg war es nicht. Von meiner Art her hätte ich heute noch einen Platz. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass der Fußball schneller und athletischer geworden ist. Andererseits: Entscheide ich mich für den Beruf, muss ich in jedem Training hart arbeiten. Das war früher schon so. Wir sind ja nicht als Fußballer auf die Welt gekommen. Hätte ich weniger getschickt, hätte ich zehn Länderspiele mehr geschafft. Oder nicht. Wenn du ein Raucher bist, bist du ein Raucher, Ende der Durchsage. Entweder ich kann kicken, oder eben nicht.

Standard: Inwiefern hat sich der Fußball seit Ihrem Karriereende vor zehn Jahren verändert?

Ogris: Durch das Bosman-Urteil ist viel passiert, das Gehaltsschema ist explodiert. Wenn heute einer zweimal unfallfrei von A nach B passen kann, verdient er das Dreifache von einem damaligen Spitzenmann. Die Vereinstreue wurde abgeschafft. Viele Legionäre scheißen sich nix, sie wissen gar nicht, was ein Wiener Derby ist. Weil sie in einem Jahr eh wieder weg von der Austria sind. Die Manager entscheiden, wo einer wie lange kickt. Es zahlt sich nicht einmal mehr aus, die Landessprache zu lernen. Ich hab durch den Fußball nicht ausgesorgt, von daheim im Sessel sitzen bin ich weit entfernt.

Standard: Spielen wir Doktor. Wie krank ist das Team ein Jahr vor der EURO?

Ogris: Wir sind sehr krank. Man kann nur hoffen, dass eine Euphorie entsteht und die Spieler auf der Welle schwimmen lernen. Die freundschaftlichen Länderspiele haben leider keinen Qualifikationscharakter. Aber wenn man sich so wie gegen Schottland präsentiert, wird es gar nix. Da gibt es keine gelbe Karte, da kenn’ ich mich nimmer aus. Wenn ich sehe, dass bei den Schotten zur Pause einer reinkommt, der einen zu kurzen Fuß hat und uns trotzdem davonrennt, ist das mehr als bedenklich.

Standard: Teamchef Josef Hickersberger hat einmal gesagt, Andreas Ogris sei einer jener Fußballer, die ihm besonders imponiert haben. Was kann er damit gemeint haben?

Ogris: Man hat sich auf mich verlassen können. Ich will sogar im Weitspucken oder im Tempelhüpfen gewinnen. Weil ich nicht verlieren kann und nicht verlieren will. Momentan ergeben wir uns unglaublich schlechten Mannschaften. Und hoffen, es wird schon wieder werden.

Standard: Trauen Sie Hickersberger zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen?

Ogris: Ja, wenn er anfängt, anständig reinzuhauen. Er muss die Spieler auch öffentlich kritisieren. Die Medien reagieren ebenfalls schaumgebremst. Ohne uns glorifizieren zu wollen, aber wenn wir damals solche Partien abgeliefert haben, haben wir uns zwei Tage nicht auf die Straße getraut. Aus Angst vor den faulen Eier, die sie einem nachwerfen. Faröer war ein Betriebsunfall. Heute muss Österreich tatsächlich vor jedem Gegner zittern.

Standard: Wo und wie werden Sie die EURO verbringen?

Ogris: In meinem Sport-Café oder daheim in einer gemütlichen Freundesrunde vor dem Fernseher. Denn Karten kriegt auch der Ogris keine. (Mit Andreas Ogris sprach Christian Hackl - DER STANDARD PRINTAUSGABE 20.6. 2007)