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Aus dieser Perspektive fast eine Horrorvision á la Westenthaler: der Telfer Halbmond "über" den Alpen.

Foto: apa
Inzwischen hat man sich an den Turm mit dem Halbmond gewöhnt - zumindest oberflächlich.

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Die Telfer Türme sind nicht außergewöhnlich: quadratisch mit spitzem, meist langem Dach. So wie die Zwillinge der Basilika Peter und Paul. Gut, dass sie weithin sichtbar sind. Kirchtürme bieten Orientierung. Auch wenn sich in Telfs trotz dieser Wegweiser die Suche nach dem Ortskern nicht einfach gestaltet. Die Marktgemeinde im Tiroler Oberland wirkt wie ein Durchzugsort. Der Haupt-, der "Eduard-Wallnöfer-Platz" ist hinter Häuserfassaden der 1970er-Jahre versteckt. Ausgerechnet jener junge Turm, auf den vor einem Jahr die Augen nicht nur der Telfer und Telferinnen gerichtet waren, ist nicht zu sehen. Darauf zu stoßen, ohne sich zu erkundigen, wäre Zufall. "Eine Minute neben dem unteren Kreisverkehr", weist die junge Migrantin, die im "SuperM" Regale befüllt, den Weg. Fast alle Passanten, bis auf drei Touristen, kennen den Ort. Die meisten nur vom Foto aus der Zeitung.

Vor Ort, beim Rondell, an dem sich gerade eine Bank mit einer Filiale niederlässt, versperrt der rote Rundbau einer Druckerei den Blick. Deren Eigentümer, ehemals Mehrheitseigner der Boulevard-Bezirkszeitung, hat wirksam verhindert, dass ihn der Turm der Nachbarn übertrumpft. Durch Einspruch bei der Bauverhandlung erzwang er "einen Kompromiss" - so nennt selbst Selahatin vom Türkisch-Islamischen Verein, der seinen Nachnamen nicht sagen möchte, das Resultat.

Zum Türmchen geraten

So ist das Minarett, das streng genommen keines ist, zum Türmchen geraten. Nur 15 statt der geplanten 20 Meter hoch, für Stadtbummler unsichtbar am Ortsrand, vor einer Wiese, die bis zur Autobahn reicht. Am besten also, man fährt an Telfs vorbei: Dann taucht es auf - wenn man Ahnung hat, wo es sich befindet.

Still steht der nach oben spitz zulaufende Rundturm mit dem vergoldeten Halbmond da. Kein leibhaftiger Muezzin und keine Beschallung werden die Umgebung stören. So steht's im Grundbuch und im Vertrag mit der Gemeinde. Der islamische Verein hatte zwar einen Gebetsaufruf im Freien ohnehin nicht geplant. "Aber wir haben auch schriftlich festgehalten, dass das nicht möglich ist", betont Bürgermeister Stefan Opperer von der ÖVP.

"Die Leute haben Angst gehabt", zeigt Selahatin im Vereinslokal überraschend Verständnis für den medial hochgehaltenen Unmut. "Das ist ganz normal." Hat sich die Lage beruhigt nach einem Jahr? "Es hat eigentlich nie ein größeres Problem gegeben", wird im Chor beschwichtigt. Und was ist mit den von einigen Nachbarn initiierten 2400 Protestunterschriften, den Schützen, die sich "provoziert" zeigten, dem Landes-FP-Chef, der "solche Machtsymbole" nicht dulden will, den anonymen Drohungen gegen den Bürgermeister, sein Haus anzuzünden? "Es gibt leider ein paar radikale Leute", sagt einer aus der Gruppe. Aber zum Bürgermeister gebe es "gute Kontakte".

15 Prozent Muslime

Von den 14.400 Telfer Bewohnern seien etwa 15 Prozent Muslime, schildert später der Integrationsbeauftragte der Gemeinde, Hans Ortner. Ein Großteil komme aus türkischen Familien, ein kleinerer Teil seien Bosnier, die wie muslimische Kurden die türkische Moschee besuchen. Rund 70 Prozent sind mittlerweile österreichische Staatsbürger. Auch die Zahl türkischstämmiger Mädchen, "die sich immer weniger gefallen lassen", sich nicht mehr verheiraten lassen, nehme zu.

Allerdings: Das Interesse an den Integrationskursen sei rückläufig, so Ortner, der schon mehrfach brieflich von Einheimischen beschimpft wurde. Ortner hat ein "zwiespältiges Gefühl", ist sich nicht sicher, ob sich das Klima im Ort, nur weil es ruhiger geworden ist, verbessert habe.

Im Juni wurde der Sockel des Gebetsturms mit einem Hakenkreuz beschmiert. Bürgermeister Opperer ist froh, "dass die Muslime das sehr locker genommen haben". In Umrissen sind die übermalten Spuren der Schmieraktion noch zu sehen.

Beim Dürer-Blick

Ein Schild am Kreisverkehr weist den Weg hinauf zu einem schattigen Ort, nach Mösern aufs Plateau. Dort, beim "Dürer-Blick", läutet jeden Tag um fünf an einem mächtigen Holzgestell der Gemeinde Stolz: "die Friedensglocke des Alpenraums". Seit sie hier aufgestellt wurde, zum 25-Jahr-Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, ist ein Jahrzehnt vergangen. (Benedikt Sauer/DER STANDARD-Printausgabe, 31.7.2007)