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Das Volksbegehren zielt nicht gegen Minarette, sondern gegen den Islam an sich - und damit gegen die Religionsfreiheit.

Foto: AP/Kienzle
Da staunten Einheimische wie Touristen, etliche blieben stehen und blickten sich irritiert um: Mitten in der Stadt Zürich erklangen am letzten Donnerstag die Gebetsrufe eines Muezzins vom Turm des Großmünsters.

Es handelte sich freilich, wie anderntags bekannt wurde, nicht um eine islamische Machtübernahme, sondern um eine Aktion des Künstlers Johannes Gees: Er hatte ein Megaphon auf den Kirchturm geschmuggelt und damit die Tonaufnahme eines Gebetsrufs ausgestrahlt. Mit der Aktion wollte er, wie der dem Zürcher Tages-Anzeiger sagte, einen Beitrag zur aktuellen Minarett-Diskussion leisten.

Dem Künstler droht nun eine Buße wegen unbewilligten Einsatzes eines Megaphons; und es gab Schelte von der Pfarrerin des Großmünsters: "Aufgrund der Reaktionen befürchte ich, dass die Aktion Wasser auf die Mühlen der SVP mit ihrer Minarett-Verbots-Initiative ist", sagte sie in dem Zeitungsbericht.

Die rechtskonservative Volkspartei SVP hat im Mai eine Unterschriftensammlung gestartet, mit der ein Verbot von Minaretten in der Bundesverfassung festgeschrieben werden soll. Der SVP-Abgeordnete Ulrich Schlüer und seine Mitstreiter, die hinter dem Begehren stehen, sehen im Bau von Minaretten ein Zeichen für den Vormarsch des Islam in Europa. "Wenn wir unsere christlich-abendländische Kultur stärken und den religiösen Frieden sichern wollen, müssen wir die Ausbreitung des Islam bremsen. Ein Verbot von Minaretten ist unumgänglich", so Schlüer.

Kirchen sind dafür Das Volksbegehren zielt nicht gegen Minarette, sondern gegen den Islam an sich - und damit gegen die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit. Diese dürfe zwar gesetzlich eingeschränkt werden - doch "ein generelles Verbot des Minarettbaus ist nicht verhältnismäßig, denn es gibt kein ersichtliches überwiegendes öffentliches Interesse", sagt die Berner Völkerrechts-Expertin Astrid Epiney.

Auch die Links- und Mitte-Parteien lehnen ein Minarett-Verbot ab, genauso wie die christlichen Kirchen: Nicht zuletzt, weil ein solches Verbot auch als Argument gegen den Bau von Kirchen in islamischen Ländern verwendet werden könnte. "Die Religionsfreiheit ist ein zentraler Wert für die christlichen Kirchen wie auch für den Schweizer Staat", hält dazu der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Thomas Wipf, fest. Deshalb habe er Verständnis dafür, "dass die islamischen Kultur- und Moscheevereine aus der Unsichtbarkeit der Garagen und Hinterhöfe in die Öffentlichkeit treten möchten." Wenn man ihnen den Bau von Minaretten ermögliche, so müssten die Muslime im Gegenzug auch die Grundsätze des Schweizer Rechts anerkennen. Konkret steht in der Schweiz der Bau eines Minaretts eines türkisch-kulturellen Vereins im Dorf Wangen bei Olten an. Dort hatten Anwohner gegen das Bauvorhaben geklagt; vergangene Woche lehnte das Bundesgericht ihre Beschwerde aber ab. (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD-Printausgabe, 31.7.2007)