Die Tradition der Mädchen-Ausrottung hält in Indien ungebrochen an
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Verbrannt, vergiftet oder sonstwie umgebracht. Die Tötung von Mädchen, dem degradierten und unerwünschten Geschlecht, hat in Indien eine lange und grausame Tradition. Trotz strenger Gesetze seit dem Jahr 1994 gegen Tests, die das Geschlecht eines Embryos bestimmen, werden weibliche Föten systematisch abgetrieben.

"Neue Methoden machen es einfacher, das Geschlecht eines Fötus bereits in einem frühen Stadium der Schwangerschaft festzustellen. Dadurch werden die Zahlen noch steigen", sagt die Journalistin Gita Aravamudan, die mit ihrem neuen Buch "Verschwindende Töchter" aufklären und anprangern will.

Nach wie vor sind in Indien Buben mehr wert als Mädchen. Sie gelten als Ernährer und Anführer. Mädchen hingegen werden als Last betrachtet. Für sie muss eine Mitgift bereitgestellt werden. Die Frauen selbst wünschen sich oft keine Töchter und lassen sie lieber abtreiben, um ihnen die Diskriminierung und das folgende Leiden zu ersparen.

Frauen in der Minderheit

Die Ergebnisse dieser Tradition sind eklatant: Auf 1.000 Männer kommen in Indien 927 Frauen. Verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt von 1.050 Frauen erhält das Geschlechterverhältnis folglich eine ziemliche Schieflage. "Indien verliert täglich 7.000 Mädchen durch Abtreibungen", heißt es in einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks UNICEF vom vergangenen Jahr. Die medizinische Fachzeitschrift "The Lancet" spricht von zehn Millionen abgetrieben oder getöteten Mädchen in den vergangenen zwei Jahrzehnten.

Die Regierung sucht nach neuen Lösungen. Der jüngste Plan sieht vor, alle Schwangerschaften zu registrieren. Die Differenz zwischen gemeldeten Schwangerschaften und tatsächlichen Geburten soll Aufschluss geben, wo besonders viele weibliche Föten abgetrieben werden. Ein anderer Vorschlag lautet, Familien zu ermutigen, ihre Töchter nicht zu töten, sondern in staatliche Heime zu geben. Die Überwachung aller Schwangerschaften in einem Land mit 1,1 Milliarden Menschen wird jedoch zum Scheitern verurteilt sein. (red)