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Anhaltende Spannungen: Kämpfer des inzwischen geflohenen EX-Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Bemba.

Foto: EPA/Ludbrock
Die international überwachten Wahlen im Kongo, der so groß wie Westeuropa ist, waren mit vielen Hoffnungen verbunden. Ein Jahr danach wird ärger als zuvor gekämpft.

Der Geländewagen rumpelt hin und her, während der Fahrer sich den Weg durch die schiefen Straßen von Goma bahnt. Es sind nicht die im Kongo so verbreiteten Schlaglöcher, die die Fahrt beschwerlich machen, sondern erstarrte Lava, die sich beim großen Vulkanausbruch vor fünf Jahren über den Asphalt geschoben hat. Dort liegt sie bis heute. „Damals haben die Leute gesagt: Wie gut, dass der Vulkan ausbricht, dann haben wir wenigstens ein paar Tage lang Ruhe vom Krieg“, grinst Gavin Braschi, der für die Hilfsorganisation Don Bosco arbeitet.

Der Bürgerkrieg, der Mitte der 1990er-Jahre begann, hat aus dem einst reichen Handelszentrum im Osten Kongos ein Flüchtlingszentrum gemacht. Ein Jahr, nachdem die Bewohner wie überall sonst im ehemaligen Zaïre erstmals seit 40 Jahren demokratisch gewählt haben, ist von der erhofften Aufbruchsstimmung nichts zu spüren. Fast 100 Prozent der Stimmen hat er hier bekommen, der alte und neue Präsident Joseph Kabila. „Frieden und Stabilität im Osten sind meine höchste Priorität“, versprach der ehemalige Rebellenführer bei seiner Amtseinführung. Doch auf Frieden und Stabilität warten die Bewohner von Goma bisher vergeblich.

Durch die mit bunten Ständen gefüllten Ruinen der alten Markthalle wabern Gerüchte von einem neuen Angriff. Rebellenführer Laurent Nkunda, der seit Jahren Angst und Schrecken verbreitet, soll einen Angriff auf Goma planen. „Es gibt einen Aufbau bewaffneter Kräfte auf beiden Seiten“, bestätigt der Chef der UN-Friedensoperationen, Jean-Marie Guehenno. Die Armee von Laurent Nkunda sei „die derzeit größte Gefahr für die Stabilität im Kongo“.

Der Kohlenhändler Philippe ist vor vier Jahren nach Goma geflohen, als Nkunda gerade die Stadt Bukavu gut 200 Kilometer weiter südlich eingenommen hatte. „Nkundas Leute sind durch die Stadt gezogen, haben Frauen vergewaltigt, Läden geplündert und Häuser angesteckt“, erinnert er sich an den brutalen Überfall. Die kongolesische Armee habe die Stadt in Panik verlassen. „Es gab auch UN-Blauhelme in Bukavu, aber die haben nichts unternommen.“ Dass Nkunda diesmal vor den Toren Gomas stehen soll, macht Philippe Angst. „Aber ich kann doch nicht schon wieder alles aufgeben, was ich mir mühsam aufgebaut habe.“

In den Dörfern nördlich von Goma toben die Kämpfe schon so heftig wie lange nicht mehr. 165.000 Kongolesen, so schätzen die UN, sind seit Jahresanfang auf der Flucht. Nkunda gehört zu den Generälen, die für die einst mächtige „Sammlungsbewegung für ein demokratisches Kongo“ (RCD Goma) gekämpft haben. Zwischen 1998 und 2003 kontrollierte die ethnische Tutsi-Armee im Auftrag Ruandas die reichen Rohstoffminen im Ostkongo. Heute sammeln sich um Nkunda selbst ehemalige Erzfeinde, die sich wegen ihrer Kriegsverbrechen verstecken.

Die Hoffnung ganz aufgeben will in Goma dennoch niemand. Inmitten der Lava leben Flüchtlinge in einer Art Mustersiedlung aus skandinavisch anmutenden Holzhäusern. Eine von ihnen ist Mama Rafiki, eine lebensfrohe 18-Jährige, die ihren Sohn auf dem Arm trägt. „Ich lebe in schwierigen Zeiten, aber deshalb muss ich ja nicht meinen Sinn für Schönheit verlieren“, lacht die junge Mutter und präsentiert stolz ihr Zuhause. Rund um den Garten hat sie eine Mauer gezogen, an den Hauswänden rankt ordentlich gestutzter Efeu.

Wäre es nicht Goma, Mama Rafikis Reich könnte aus einem Ferienhauskatalog stammen. „Die Frauen zahlen einen Teil der Baukosten ab, danach gehört ihnen das Haus“, erklärt Don-Bosco-Mann Braschi. Mama Rafikis Mann verdient als Gelegenheitsarbeiter ein paar Francs am Tag, sie selbst schließt gerade ihre Mechanikerausbildung ab. Mit viel Geduld arbeiten die Rafikis an ihrem kleinen Glück. An einen Überfall, an die Flucht vor Rebellen mag Mama Rafiki nicht denken.

Doch dort, wo die Villen stehen, über der spiegelnden Wasserfläche des Kivu-Sees, ist man nicht ganz so naiv. Vor den protzigen Neubauten stehen bewaffnete Wachen, die schweren Tore sind mit Metallspitzen gesichert. „Es sind vor allem Politiker aus Kinshasa, die sich hier ihre Ferienhäuser bauen“, berichtet Braschi im Vorbeifahren. Die Bauwut der neureichen Funktionäre gibt ihm ein bisschen Hoffnung. Wer in Goma baut, so glaubt er, hat schließlich auch ein ganz persönliches Interesse an mehr Stabilität in der Region. (Marc Engelhardt aus Goma/DER STANDARD, Printausgabe, 1.8.2007)