Im dieswöchigen Spiegel diskutieren die deutsche Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die Familiensprecherin der Linkspartei, Christa Müller, über Familienpolitik. Die CDU-Frau (sieben Kinder, Ärztin) tritt für Krippenplätze, Vorschulpflicht und berufstätige Mütter ein, die Links-Frau (Volkswirtin, ein Kind, nicht berufstätig) für Kinderbetreuungsgeld und Mütter, die zu Hause bleiben. Verkehrte Welt. Irgendwann fragt die Moderatorin: Wollen Sie nicht Ihre Parteibücher tauschen?

Offensichtlich ist die Frage, wie Mütter und Kinder leben sollen, wie man die sinkende Geburtenrate ankurbelt und wie Frauen Beruf und Familie vereinbaren können, eine der ganz großen Herausforderungen an die Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Und ebenso offensichtlich gehen die Ansichten darüber diametral auseinander, und zwar mitten durch die Parteien. Schon am Tag nach der Spiegel-Debatte meldete sich denn auch prompt Bayerns CSU-Ministerpräsident Stoiber zu Wort und rief seine CDU-Parteifreundin zur Ordnung. Das Betreuungsgeld, ähnlich unserem Kindergeld, das die CSU fordert, sei notwendig und helfe Müttern, ganz für ihre Kinder da zu sein. Von der Leyen hatte gemeint, es fördere den "Teufelskreis", der bildungsferne Kinder vom Kindergarten und besseren Bildungschancen fernhalte.

Ganz Ähnliches erleben wir zurzeit in Österreich. Offiziell hält die ÖVP nach wie vor eisern an ihrem althergebrachten Familienbild fest: Vater geht arbeiten und verdient das Haupteinkommen, Mutter bleibt zu Hause und wird dafür mit dem Kindergeld belohnt. Kinderkrippen sind etwas für Rabenmütter oder für Notfälle, die verpflichtende Vorschule nur etwas für Migrantenkinder mit schlechten Deutschkenntnissen. Ganztagsschulen bedeuten Zwangsbeglückung, und die frühe Bildungsauslese, womöglich mit Aufnahmsprüfung, gewährleistet, dass die Richtigen und nicht die Falschen (etwa Arbeiterkinder aus Zuwandererfamilien) ins Gymnasium kommen.

Aber auch hier regen sich immer mehr Gegenstimmen. Auch gestandene konservative Frauen möchten gern ernsthaft berufstätig sein - nicht nur "dazuverdienen" - und dabei ihre Kinder gut betreut wissen. Nicht nur die "roten", sondern auch die "schwarzen" Privatkindergärten und Spielgruppen zeigen, wie man Klein - und Vorschulkinder gezielt fördern kann. Warum diese Vorteile nicht allen zukommen lassen?

Neueste Studien von Arbeiterkammer und Institut für Familienforschung haben übrigens den "Teufelskreis" Kindergeld eindrucksvoll bestätigt. Seit seiner Einführung ist die Geburtenrate nicht gestiegen, sondern weiter gefallen. Jede zweite Frau fällt in die Kindergeld-Falle und bleibt nach der Babypause zu Hause. Wer nach langer Pause wieder in den Beruf einsteigt, verliert im Durchschnitt ein Drittel des vorherigen Einkommens. 50.000 Krippenplätze für unter Dreijährige fehlen und eine große Mehrheit von Müttern wünscht sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Für Experten ist das alles nichts Neues. Aber wäre es nicht allmählich Zeit, das leidige Thema vernünftig anzugehen und nicht nach dem Schema "Links und Rechts"? Links ist gleich "Fremdbetreuung", Rechts ist gleich "die Mutti gehört ins Haus"?. Rinks und Lechts, sagte Ernst Jandl, sind leicht zu verwechsern. Wie leicht, hat die Debatte um Von der Leyen-Müller eindrucksvoll gezeigt. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD, Printausgabe, 1.8.2007)