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Wien – "Sehr unglücklich" sei sie, erzählt die steirische ÖVP-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder. Nämlich mit der derzeitigen Bildungs-Debatte in ihrer eigenen Partei: So manche Vorschläge seien "eine Tragödie", die Debatte insgesamt "in mittelalterliche Strukturen zurückgeworfen".

Die Schwarzen bieten derzeit ein buntes bildungspolitisches Meinungs-Sammelsurium an. Von der Frühförderung über die Gesamtschule bis zum freien Hochschulzugang: Jeden Tag aufs Neue fühlt sich ein ÖVP-Politiker dazu berufen, seine mehr oder weniger ausgegorenen Ideen der Öffentlichkeit mitzuteilen. Der bildungspolitische "Sommerlochwahnsinn" (SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied) ist in vollem Gange.

Besonders schwer tut man sich in der ÖVP, ein Programm für die Jüngsten zu finden: So kann sich etwa ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek ein oder zwei verpflichtende Kindergartenjahre vorstellen – Bildungssprecher Fritz Neugebauer wiederum findet, dass man niemanden "zwangsbeglücken" soll, auch nicht mit verpflichtender Förderung für Kinder mit Sprachdefiziten, was wiederum Vizekanzler Wilhelm Molterer gar "genial" findet. Neugebauer hat dafür eine andere Idee: Bereits für Dreijährige soll es künftig Bildungsstandards geben. Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel will die "Standards" gar nur als "Tipps für Eltern" verstanden wissen, der steirische VP-Landesgeschäftsführer Bernhard Rinner wird deutlicher: "Die frühkindliche Entwicklungsphase ist nichts für pensionsreife Politiker".

Gesamtschul-Angst

Beim Thema Gesamtschule gibt es in der ÖVP offiziell ein klares Nein. Man wisse aus der Debatte in den 70er- und 80er-Jahren, dass diese keine Lösung sei, wird Neugebauer in dieser Frage seinem Image als "Betonierer" gerecht. Molterer beruft sich auf die Prinzipien "Vielfalt, Wahlfreiheit und Leistung" und ist gegen ein "Einheitsmodell".

Eine ausgesprochene Befürworterin der Gesamtschule ist hingegen Edlinger-Ploder. Sie hofft nach wie vor, dass sich in ihrer Partei herumsprechen wird, "dass man vor der Gesamtschule keine Angst haben muss". Rückendeckung erhält sie von ihrer Landespartei: Andreas Schnider, ehemals steirischer Landesgeschäftsführer und nunmehr Bundesrat, plädiert seit Jahren für die flächendeckende Gesamtschule.

ÖVP-Bildungsexperte Bernd Schilcher wiederum findet, das Nein der ÖVP sei eine "alte Einstellung", die "eigentlich zurückgeht bis in die Monarchie". Ein anderer Steirer stellt sich gegen die Gesamtschule: ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon glaubt zu wissen, dass "die Mehrheit der Menschen keine Gesamtschule will". Vielmehr müsse man in den Schulen "ein Stückerl Ordnung wieder herstellen".

Im Hochschul-Bereich wagte sich die ÖVP in den vergangenen Tagen an ein besonders heikles Thema, nämlich den freien Uni-Zugang: Unis sollen sich ihre Studenten aussuchen können, forderte die Wiener Stadträtin und Leiterin der ÖVP-Perspektivengruppe Bildung, Katharina Cortolezis-Schlager. Am Mittwoch wurde sie zurückgepfiffen: Dieser Vorschlag sei nur "eine von vielen möglichen Perspektiven", erklärte Wissenschaftssprecherin Brinek. Im zuständigen Ministerium will man sich mit Cortolezis‘ Vorschlag erst gar nicht auseinandersetzen: Dieses Thema stehe nicht auf der Agenda des ÖVP-Wissenschaftsministers Johannes Hahn.

Spätestens im Herbst will die ÖVP wieder zu einer Linie finden, dann tagt auch die Perspektivengruppe. Dass die öffentlich geführte Richtungs-Diskussion hauptsächlich zur allgemeinen Verwirrung beiträgt, dämmert mittlerweile auch so manchem in der ÖVP._„Wir müssen den Leuten endlich sagen, was wir uns vorstellen“, findet Edlinger-Ploder. "Man weiß derzeit ja gar nicht, für welche ÖVP man eintritt." (Andrea Heigl/DER STANDARD-Printausgabe, 2. August 2007)