Eigentlich wollte Örjan Andersson nur eine schöne, billige Hose designen. Doch es kam anders. Heute ist der unkonventionelle Schwede Herr über ein kleines Jeans-Imperium.

Foto: Cheap Monday
35 Jahre. Ein Meter neunzig groß. Gerne lässt sich der klapperdürre Schwede mit Totengräber-Kutte und Sense fotografieren. In seinem riesigen Sessel wirkt Örjan Andersson dagegen beinahe schüchtern. Ehe man sich versieht, beginnt er wieder zu zeichnen und scheint dabei völlig vergessen zu haben, dass er gerade mitten in einem Fototermin steckt. Nein, dieser Mann hat mit hundertprozentiger Garantie noch nie einen Redner- oder PR-Workshop besucht.

Wo andere Labelchefs druckreif das Firmenmantra herunterbeten, glänzt Andersson durch Nicht-Eloquenz. Sein Trumpf ist seine Bescheidenheit. Seine ersten 800 Hosen hätten sich "recht schnell" verkauft, sagt er. De facto waren sie binnen drei Stunden verdampft. Und mittlerweile führten auch "ein paar andere Läden" Cheap Monday. Um korrekt zu sein, sind es 1200, verteilt auf 38 Länder. Nein, den sagenumwobenen "Jeans-Professor", der das Preisgefüge der Denim-Industrie ins Wanken brachte, hatte man sich etwas anders vorgestellt. Durchschnittlich 50 Euro kosten seine Hosen.

Andersson ist der Typ für Bubenstreiche, für Experimente. Sein größtes, Cheap Monday, das er 2004 mit ein paar Freunden ausheckte, begann mit engen, ungewaschenen Röhrenjeans und umfasst mittlerweile eine 300-teilige Kollektion. Im vergangenen Jahr machte die Marke mit dem grinsenden Totenkopf zwölf Millionen Euro Umsatz. "Damit hatten wir nicht gerechnet, wir wollten eine schöne, billige Hose für unser Geschäft machen. Das war alles", sagt er heute.

Pilgerstätte für Style-Hörige

Weekday, der Shop im Stockholmer Szenebezirk Södermalm, ist in den drei Jahren seines Bestehens zur Pilgerstätte für Style-Hörige geworden. Neben den eigenen Entwürfen gibt es Acne, Nudie oder Henrik Vibskov, dazu ein bisschen Secondhand-Ware. Im Untergeschoss steht noch die Druckermaschine, mit der Örjan und sein Kumpel Adam Friberg vor ein paar Jahren T-Shirts gestalteten. Während sie unter der Woche Jeans bei der Textilkette J&C verkauften, lebten sie am Wochenende ihre Leidenschaft für alte Denims aus, schwärmten für Lee, Wrangler und Levi's und damit für all jene, deren Geschäftsgebaren Örjan heute so gern auf die Schaufel nimmt. "Ich mochte ihre alten Sachen, aber nicht, was sie heute machen. Der Preis für neu aufgelegte, angebliche Vintage-Styles ist nicht mehr gerechtfertigt", erklärt er und wird dabei zum ersten Mal ein bisschen energischer.

Das Konzept von Cheap Monday entlarvte diese absurde Preispolitik - und kam genau deshalb so gut an. Keine Werbung. Keine PR. Dadurch hielten sich die Kosten in Grenzen. Nebenbei nahm man damit die Großen auf den Arm. Das David-und-Goliath-Prinzip. Mit seiner CM-"Vintage"-Kollektion reizt Örjan die Bigplayer jetzt noch ein bisschen dreister. Das Logo dieser schon von Grund auf absurden Linie (man kann bestenfalls auf ein drei Jahre junges Archiv zurückgreifen) zieren Jeans, die von zwei Skeletten auseinandergezogen werden und erinnert nicht von ungefähr an Levi's. Ob es deswegen noch nie Ärger vom Major gab? "Nein, nichts. Seltsam, oder? Ich glaube, viele große Firmen haben noch immer nicht gemerkt, dass es uns überhaupt gibt. Die sind zu beschäftigt damit, Golf zu spielen."

Für Sport hat Andersson keine Zeit, er müsse arbeiten, erklärt er. Diesen Sommer noch launcht er die neue, hochwertigere Kollektion Qoniak mit Jeans um die hundert Euro. Verliert er dadurch nicht an Glaubwürdigkeit? "Ich hoffe nicht. Qoniak ist eine exklusive Underground-Marke, die Stückzahlen sind viel kleiner, die Stoffe einfach teurer, deshalb kostet die Produktion auch mehr." Ist das die Ausrede eines gewieften Marketingmannes? Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Kaum.

Sense und Totenkopflogo

Ungewohnt aufrichtig antwortet Andersson auch auf eine andere Frage: Was mache er, wenn der Trend um die Röhrenjeans, für die Cheap Monday bekanntermaßen steht, vorbei ist? "Dann produzieren wir eben weite Jeans. Wir machen, was die Mode von uns will. Ich mag Trends und folge ihnen." Und die Sense? Das Totenkopflogo? Die damit verbundenen Anfeindungen durch die Kirchen? "Unser Grafiker mag die Gothicszene. Die Kirchen haben das jetzt verstanden und sind ruhig. Alles nicht so ernst zu nehmen", sagt er leise und lacht wieder.

Am Ende des Gespräches wird klar, warum manche Gerüchte über den Sonderling wahr sein könnten. Etwa, dass er Victoria Beckham auf ihre Bitte nach Gratishosen antwortete, diese seien so billig, die könne selbst sie sich leisten. Und andere Gerüchte eben nicht. Wie jenes, Cheap Monday sei ein Riesenzufall, ein Märchen. "Ich bin ein ziemlich normaler Typ, der gerne Jeans designt. Wir hatten nie Investoren oder anderweitige Hilfe, wir haben uns das alles hart erarbeitet."

Örjan Andersson ist kein Freak, aber auch kein Jedermann. Er ist einer, der sich im kommenden Sommer ein Häuschen am Meer kaufen wird, und einer, der "noch ganz viele Jahre arbeiten möchte". Jemand, der mit und gegen die Regeln spielt. Vielleicht kein klassischer Revoluzzer, aber ein Mann, der das inflationär missbrauchte Wort "Authentizität" mit Herzblut lebt. (Romy Uebel/Der Standard/rondo/03/08/2007)