Arbeitssuchende Jugendliche beim AMS. Zwei Drittel der gemeldeten Arbeitslosen zwischen 15 und 21 Jahren stammen aus Zuwandererfamilien.

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Wien – "Die Zeitbombe tickt immer lauter. Es herrscht bereits erhöhte Explosionsgefahr": So beschreibt Ulrich Schuh, Arbeitsmarktexperte vom Institut für Höhere Studien (IHS) ein wachsendes Problem, das eine Studie des Arbeitsmarktservice Wien in Zahlen fasst. Wie vom STANDARD berichtet, stammen zwei Drittel der gemeldeten Arbeitslosen zwischen 15 und 21 Jahren aus Zuwandererfamilien. Schuh: "Dieses Phänomen wurde lange ignoriert."

Sprachförderung muss früh passieren

Infolge der Umbrüche in der Wirtschaftswelt stagniert die Zahl der klassischen Arbeiterjobs, Zukunft haben anspruchsvollere Posten im Dienstleistungssektor. Doch das Bildungsniveau vieler Zuwanderer hält mit den neuen Anforderungen nicht Schritt. Keine Wiener Besonderheit, wie Schuh erklärt: Gerade in Österreich würden Arbeiterkinder oft wieder nur Arbeiter. Wächst die Konkurrenz um diese Jobs, bleiben als Erste die Schwächsten auf der Strecke. Und das sind die jungen Zuwanderer, die als größtes Handicap Sprachdefizite mitschleppen. Schuh empfiehlt deshalb, mit der Sprachförderung schon bei den Kleinsten zu beginnen: "Je später, desto teurer und erfolgloser."

"Wir sind uns des Problems bewusst", versichert Wiens Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ): "Die Studie des AMS bestärkt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Wie von den Experten gefordert, biete Wien bereits Sprachprogramme an, die nicht auf stures Vokabelpauken setzen, sondern auf die speziellen Bedürfnisse der Klientel zugeschnitten seien. Für "Quereinsteiger", die erst im Teenageralter nach Österreich kommen, stehen Intensivkurse parat, das Angebot "Mama lernt Deutsch" richtet sich an Frauen aus traditionsbewussten Migrantenfamilien. Die Mütter sollen dabei nicht nur die Sprache erlernen, sondern Bildung auch als Wert an sich begreifen. Damit sie und ihre Töchter nicht als Putzfrauen versauern. "Wir wollen den Horizont der Frauen öffnen", sagt Frauenberger, die aber einräumt: "Es wird einige Jahre dauern, ehe diese Maßnahmen greifen."

Überlastete Schulen

Zumal es gilt, Rückschritte aus vergangenen Jahren wettzumachen. Mit dem Abbau von Schulposten fielen viele Stützlehrer weg, die Zuwandererkids pushen sollten. "Mitte der Neunziger hatten wir in meiner damaligen Schule im 15. Bezirk noch einen Begleitlehrer für zwei Klassen", erzählt die Volksschullehrerin Barbara Zwerschitz, heute Jugendsprecherin der Grünen im Nationalrat. "Dem restriktiven Sparkurs sind seither viele Förderkurse zum Opfer gefallen. Das Schulsystem ist überlastet." Immerhin rückte die alte schwarz-orange Regierung im Vorjahr erstmals wieder mehr Geld für Stützlehrer in Wien heraus, die neue rot-schwarze Koalition einigte sich unlängst auf ein verpflichtendes Vorschuljahr für Kinder mit Sprachschwierigkeiten.

Indessen springt auch das AMS ein – etwa mit Angeboten an Zuwanderer, den Hauptschulabschluss nachzuholen. "Wir müssen Jugendlichen mitunter Basics beibringen, für die eigentlich die Schulen zuständig wären", sagt AMS-Vorstand Johann Kopf: "Unternehmen flehen uns an: Schickt's einen, der lesen und rechnen kann."

Hoffnungsvollere Fälle versucht das AMS zu Facharbeitern auszubilden. Obwohl Experte Schuh vor überzogenen Erwartungen warnt: "Hilfsarbeiter kann man nicht einfach zu Technikern machen." (Gerald John, DER STANDARD - Printausgabe, 3. August 2007)