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Dem russischen Monopolisten Gasprom ist Russland schon zu klein, er strebt in alle Welt und will Energieunternehmen ankaufen. Das gefällt den betroffenen Staaten meist nicht (siehe Artikel).

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Grafik: STANDARD
Wien - Wirtschaftsprotektionismus, Schutz der "nationalen Champions" vor Unternehmensübernahmen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln - dies gehört in der Europäischen Union zum Alltag: Dokumentiert wird dies unter anderem durch das Match Mol gegen OMV. Der ungarische Mineralölkonzern wehrt sich gegen eine Übernahme durch die Österreicher, indem er seit Wochen eigene Aktien aufkauft und bei befreundeten Unternehmen parkt. Direkt und indirekt kontrolliert die Mol jetzt bereits ein Drittel ihrere eigenen Aktien selbst. Die ungarische Aktienmarktaufsicht prüft derzeit, ob nicht schon ein verpflichtendes Übernahmeangebot an die anderen Mol-Aktionäre - darunter die OMV mit 18,6 Prozent - fällig wäre. Die Ungarn sind zuletzt vom Gejagten selbst zum Jäger geworden: Vor einigen Tagen bekam die Mol den Zuschlag für die italienische Italia Energia i Servizi (IES) mit einer Raffinerie und 165 Tankstellen. Am Freitag wurde der Kauf der 30 kroatischen Tankstellen unter dem Log "Tifon" bekannt gegeben.

In den Kampf um eine Mol-Übernahme haben sich ungarische und österreichische Politiker eingeschaltet. Die Ungarn versuchen ihre Abwehrmaßnahmen an dem Fakt aufzuhängen, dass bei OMV der österreichische Staat (über die ÖIAG) sowie ein syndizierter Fonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (International Petroleum Investment Company, kurz IPIC) die Kontrolle innehaben.

Viel gewichtigere Umtriebe der Staatsfonds weltweit und die Kauflaune von staatseigenen Konglomeraten wie der russischen Gasprom beunruhigen jedoch die Regierungen in der EU. Die Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass 2500 Milliarden Dollar Vermögen in Staatsfonds geparkt sind (Grafik). Diese Zahl könnte sich bis 2015 verfünffachen. Die Experten erwarten, dass die Fonds in Schlüsselindustrien zugreifen wollen, um technisches Know-how abschöpfen und im Heimmarkt nützen zu können.

"Das wird massiv"

Die aktuelle Aktivitäten wären nur ein Vorgeschmack darauf, was noch folgen könnte. "Das wird massiv", sagt Morgan-Stanley-Ökonom Stephen Jen am Freitag im Gespräch mit dem STANDARD. Er erwartet, dass China mit seinen 1200 Milliarden Dollar an Devisenreserven die Hauptrolle spielen wird. Auch in Japan stünden 700 Milliarden Dollar bereit, im Ausland investiert zu werden, es fehle lediglich noch die politische Entscheidung zum "Go", sagt Jen.

Zum Thema Protektionismus in Europa hat die Wirtschaftskammer Österreich zuletzt einen Rundruf bei ihren Außenhandelsstellen gestartet. Auffallend ist, dass der russische Gasmonopolist derzeit offenbar in vielen Ländern "Gottseibeiuns" für Energieunternehmen darstellt. Dem Standard liegen die Antworten der Handelsdelegierten vor, ein paar Beispiele:

  • UK Anfang 2006 seien es erstmals Gerüchte aufgetaucht, dass die Gasprom plant, den Energieriesen Centrica ("British Gas") zu übernehmen, berichtet Handelsdelegierter Gerhard Müller aus Großbritannien. Das Industrieministerium hat sich eingeschaltet, was zu Spannungen geführt mit Moskau geführt hatte (dies war noch vor den aktuellem schweren Zerwürfnis). Im Juli hat Gasprom die britische Firma Natural Gas Shipping Services gekauft, wonach wieder über Interesse an Centrica oder Scottish & Southern Energy spekuliert. Dies wurde von Gasprom dementiert - allerdings nur "für den Moment". In seiner ersten "Economic Speech" als neuer Chancellor of the Exchequer (Finanzminister) hat Alistair Darling zuletzt übrigens bekräftigt, Übernahmen britischer Firmen durch ausländische Käufer (inkl. Fonds ausländischer Staaten) nicht blockieren zu wollen.

  • Norwegen Im Juni 2007 erzwang der drittreichste Norweger, Kjell Inge Røkke, einen staatlichen Aktienkauf von 30 Prozent der Aker Holding, die wiederum 40 Prozent an Aker Kværner hält. Røkke hatte zuvor damit gedroht, den viertgrößten Schiffsbaukonzern der Welt an Gasprom zu verkaufen. Die Delegierte in Oslo, Adelheid Höbart, schreibt: "Ähnliche Überlegungen spielen sicher auch bei der laufenden Fusion der Erdöl- und Erdgassektoren von Norsk Hydro und Statoil eine Rolle."

  • Polen Aus Warschau berichtet die Delegierte Cosima Steiner, dass die polnische Regierung gesetzlich die staatliche Kontrolle in 70 "strategischen Unternehmen" fixieren will. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5.8.2007)