Wenn die amerikanischen Wähler im nächsten Herbst einen neuen Präsidenten wählen, dann liegen die Terroranschläge vom 11. September 2001 mehr als sieben Jahre zurück. Dennoch wird, wie es derzeit scheint, der Schatten von 9/11 auch über dem nächsten US-Urnengang liegen. Das Thema der nationalen Sicherheit verdrängt erneut so wichtige soziale und wirtschaftliche Fragen wie das marode Gesundsheitswesen und die schwelende Immobilienkrise.

Diese Dynamik, die sich im anlaufenden Vorwahlkampf deutlich abzeichnet, macht eine Prognose für die kommenden Wahlen so schwierig. Angesichts der Unbeliebtheit des Irakkriegs, der katastrophalen Umfragewerte für George W. Bush und des Chaos im Lager der republikanischen Präsidentschaftskandidaten wirkt ein Sieg eines Demokraten – oder einer Demokratin – fast unvermeidlich. Aber auch wenn die Mehrheit der Amerikaner einen raschen Truppenabzug aus dem Irak wünschen, so erwarten sie sich von ihrem Präsidenten, dass er sie mit einer Politik der Stärke vor Terror schützt. Ein Irak-Abzug kann im In- und Ausland allerdings als Geste der Schwäche aufgefasst werden. Die Forderungen von Hillary Clinton, Barrack Obama & Co nach einem Ende des Irak-Abenteuers macht sie daher für den fatalen Vorwurf verwundbar, sie sind „soft on terrorism“.

Das erklärt die breite Unterstützung im Kongress auch von Demokraten, die Bush vergangene Woche für eine Ausweitung der Lauschangriff-Gesetze erhalten hat. Das erklärte auch Obamas jüngsten Vorstoß, den Abzug aus dem Irak mit einem stärkeren militärischen Engagement in Afghanistan und in Pakistan – einem Verbündeten der USA im „Krieg gegen den Terror“ – zu koppeln.

Bei aller berechtigten Kritik an der Irak-Politik der Bush-Regierung fehlt es den Demokraten an überzeugenden Gegenvorschlägen, wie die Lage im Irak verbessert werden kann. Und auch wenn sie dem Präsidenten Versagen im Kampf gegen al-Kaida vorwerfen, so klingen ihre Alternativen recht lahm. Denn die von vielen Experten vertretene Ansicht, dass die Terrorgefahr nicht mit militärischen Mitteln gebannt werden kann und ein Teil des Lebens in der globalisierten Welt darstellt, traut sich kein Wahkämpfer offen auszusprechen.

Die republikanischen Kandidaten haben dieses Problem nicht. Sie versuchen einander mit Macho-Gesten gegenüber den Terroristen zu übertreffen. Die Drohung des völlig unbedeutenden Rechtsaußen-Kandidaten Tom Tancredo, die heiligen Stätten von Mekka und Medina als Antwort auf islamistischen Terror zu bombardieren, ging zwar allen anderen etwas zu weit, passt aber ins Stimmungsbild der Partei. Immer noch liegt in den Umfragen der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani voran, weil er als „Held des 11. Septembers“ glaubwürdig Härte gegenüber den Terroristen vermitteln kann.

Die Achillesferse der Republikaner ist der Irakkrieg, den die meisten von ihnen – John McCain ist hier die unglückliche Ausnahme – bisher kaum erwähnt haben. Doch in Folge jüngster Meldungen über Erfolge des US-Oberkommandierenden David Petraeus haben sich die Kandidaten in einer TV-Debatte am Sonntag erstmals seit Langem getraut, für einen Verbleib im Irak einzutreten.

Zwei Wahlen – 2002 und 2004 –haben die Republikaner mit der Angst vor dem Terror gewonnen, erst 2006 konnten die Demokraten die nicht mehr wegzuwischende Katastrophe im Irak zum Wahlsieg nutzen. Wer immer auch Präsidentschaftskandidat der beiden Parteien wird, die Wahlen im November 2008 könnten davon entschieden werden, ob die US-Wähler beim Thema Sicherheit zuerst an Terror oder an den Irak denken. Echte oder insze_nierte Anschlagsdrohungen könnten hier den Ausschlag geben, oder aber aktuelle Opferzahlen aus dem Irak, wo die US-Armee wohl auch in 15 Monaten noch stark vertreten sein wird.

Iran ist ein weiterer Joker im US-Wahlkampfpoker. Der Streit um das iranische Atomprogramm spielt jenen Kandidaten in die Hände, die sich als Falken gebärden. Ein Präsidentschaftskandidat Giuliani müsste gar keine plausible Lösung für den Konflikt anbieten. Es könnte reichen, der Nation die Angst vor einem Atompilz über New York einzuflößen, um genügend verunsicherte Wähler der Mitte für sich zu gewinnen. (Eric Frey/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2007)