Wie im STANDARD (1.8.) nachzulesen , ist die Zahl der Anträge auf Einbürgerung in Österreich im Vergleich mit dem vergangenen Jahr dramatisch gesunken. Für ÖVP und BZÖ ist das eine Erfolgsmeldung, denn die Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes im Jahr 2005 verfolgte ganz ausdrücklich das Ziel, durch die Einführung von Staats- und Landeskundetests, längere Wartefristen und höhere Gebühren niedergelassene Immigranten davon abzuhalten, Österreicher zu werden.

Wie solche Hürden beim Zugang zur Staatsbürgerschaft die Integration der Betroffenen fördern sollen, bleibt allerdings ein Rätsel. Sind Einwanderer und ihre in Österreich geborenen Kinder besser integriert, wenn sie damit rechnen müssen, abgeschoben zu werden? Werden sie sich eher mit Österreich identifizieren, wenn sie beim Familiennachzug, beim Zugang zur Beschäftigung und bei zahlreichen Sozialrechten gegenüber gerade erst zugewanderten EU-Bürgern diskriminiert werden? Werden ihre Interessen in der österreichischen Politik besser vertreten, wenn sie nicht wählen dürfen und keine Abgeordneten stellen?

Dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist, hat sich inzwischen auch hierzulande herumgesprochen. Müsste der österreichische Gesetzgeber allerdings so wie die Immigranten einen Integrationstest absolvieren, so wäre das Urteil im europäischen Vergleich wohl „nicht genügend“.

Natürlich hängt Integration nicht nur von der Staatsbürgerschaft ab, sondern auch von Sprachkenntissen und vor allem von sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, um die es für Immigranten der ersten und zweiten Generation in Österreich nicht gerade gut bestellt ist. Aber die erste und wichtigste Voraussetzung für Integration heißt Gleichberechtigung, und für Drittstaatsangehörige gibt es die erst mit der Einbürgerung. Werfen wir einen Blick auf das derzeitige EU-Vorsitzland Portugal. Kurz nachdem die Novelle zum österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz in Kraft trat, beschloss das Parlament in Lissabon die automatische Staatsbürgerschaft bei Geburt für die dritte Generation, das heißt für Kinder, deren Eltern in Portugal geboren wurden. Angehörigen der zweiten Generation wird die portugiesische Staatsbürgerschaft zuerkannt, wenn ein Elternteil sich seit mindestens fünf Jahren legal in Portugal aufhält. Immigranten der ersten Generation haben ein Anrecht auf Einbürgerung, wenn sie Portugiesisch sprechen und nicht vorbestraft sind. Die Einbürgerung ist nicht mehr von ausreichendem Einkommen oder sonstigen Integrationsnachweisen abhängig, die Wartefrist wurde auf sechs Jahre verkürzt und ist nicht an eine bestimmte Aufenthaltsbewilligung gebunden. Und die bisherige Staatsbürgerschaft muss auch nicht aufgegeben werden. Im europäischen Vergleich gibt es allerdings keinen eindeutigen Trend. Seit dem Jahr 2000 wurde der Zugang zur Staatsbürgerschaft per Einbürgerung oder Geburt in Deutschland, Belgien, Luxemburg, Schweden und Finnland deutlich erleichtert. Eine gegenläufige Tendenz ist die Einführung von Staatsbürgerschaftstests in Dänemark, Deutschland, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden und Österreich. Unter den 15 alten EU-Staaten gehört Österreich heute zusammen mit Griechenland und Dänemark zu den einbürgerungsunwilligsten Ländern.

Allerdings gibt es in der Europäischen Union nach wie vor keine Minimalstandards für Staatsbürgerschaft. Das ist insofern erstaunlich, als ja die gemeinsame Unionsbürgerschaft von der Staatsangehörigkeit der Mitgliedsländer abgeleitet wird. Einbürgerungen sind damit eine europäische Angelegenheit geworden. Sie entscheiden nicht nur darüber, wer im Europaparlament vertreten ist, sondern auch, wer das Recht auf freie Einreise und unbegrenzten Aufenthalt in allen anderen Mitgliedsstaaten erhält.

Viele EU-Staaten bieten entfernten Nachkommen von Auswanderern oder ethnisch verwandten Minderheiten die Einbürgerung an, selbst wenn diese keinen Wohnsitz im Inland haben. So ist etwa die Zahl der Anträge auf rumänische Staatsbürgerschaft in Moldawien nach dem Beitritt Rumäniens sprunghaft gestiegen. In Albanien kann heute die griechisch-orthodoxe Minderheit ohne Probleme einen griechischen Pass erwerben. In Argentinien erinnerten sich viele an ihre italienischen Vorfahren, als Italien Anfang der 1990er Jahre großzügig die Staatsbürgerschaft anbot. Für diese Menschen sind in der Regel die zwölf EU-Sterne auf dem Umschlag des Passes wichtiger als das Land, welches diesen ausstellt. Österreich gehört zu jenen Staaten, deren Auslandsbürger nicht nur die Staatsbürgerschaft, sondern sogar das Wahlrecht ohne Beschränkung von Generation zu Generation weitervererben können. Im Ausland ersetzt die richtige Abstammung den Integrationsnachweis. Einwanderer müssen dagegen auch nach zehn bzw. fünfzehn Jahren Aufenthalt erst einmal zeigen, dass sie sich ausreichend integriert haben.

Wäre es nicht an der Zeit, über gemeinsame europäische Standards für die Einbürgerung nachzudenken? (DER STANDARD, Print, 9.8.2007)