Sich so einen Einblick in die virtuelle Welt zu verschaffen kann Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des Projekts, vor allem Second-Life-Neulingen nur raten: "Jeder hat schon über Second Life gehört, aber nur die Wenigsten haben wirklich die Zeit und das technische Know-how, das ganze auch selbst auszuprobieren."
Virtuelles Marketing
In diesem Zusammenhang sollen in der Ausstellung auch die ökonomischen Perspektiven von Second Life genauer unter die Lupe genommen werden. Im Zuge der anfänglichen Euphorie rund um die nachgebaute Welt seien viele Unternehmen mit relativ unfundierten Vorstellungen an die Plattform herangetreten: "Große Firmen haben Agenturen beauftragt, aber nur Wenige haben sich wirklich mit den Charakteristika der virtuellen Community auseinandergesetzt."
Bei vielen habe das zu großen Enttäuschungen geführt. Das zeige laut Stocker, "dass die Reflexion darüber, wie online Gemeinschaften funktionieren, im kommerziellen Umfeld fast nicht statt findet". Diesen oberflächlichen Umgang, durch den reale Potenziale verdeckt werden, bedauert auch der deutsche Medienkünstler Aram Bartholl, der sich schon länger mit dem Phänomen Second Life auseinandersetzt: "Das ist eine ähnliche Situation wie zu Beginn der Web-Entwicklung. Da wollten alle dabei sein, und dann wusste man nicht, was man da eigentlich will."
Harlander hingegen hat bereits sehr konkrete Vorstellungen, was er im Second Life erreichen will. Für ihn hat die Online-Community vor allem eine ökonomische Bedeutung in seinem ersten Leben. Der Internetjurist startete im Februar mit "Second Promotion" die erste europäische Marketingagentur, die ausschließlich Werbung in und um Second Life anbietet. Patentrezepte dafür gebe es allerdings keine.
Aufzählen kann er aber eine Reihe von klassischen Fehlern. So hätten Firmen ihre Marketing-Inseln zum Beispiel fernab von den von der Community viel besuchten Orten positioniert. "Umgelegt aufs echte Leben, ist das, als ob eine bekannte Marke ihre Hauptniederlassung im hintersten Tal des Lungaus eröffnet und hofft, so eine Werbewirkung zu erreichen."
Kritische Stimmen
Auch ungezielt platzierte Werbetafeln hätten ihre Wirkung verfehlt. Gefragt seien Marketinglösungen, von denen der Nutzer im Spiel profitiert. Als Beispiel nennt Harlander eine belgische Fluglinie. Diese habe erkannt, dass das Angebot von Flügen in Second Life wenig Sinn mache, da sich die Spieler ohnehin per Mausklick an jeden Ort transportieren könnten und statt dessen digitale Reiseführer angeboten.
Dass die zunehmende Kritik an der Internetplattform das Geschäftsmodell gefährden könnte, befürchtet er nicht. Wie jeder Medien-Hype sei Second Life zu Anfang positiv überzeichnet worden, nun folge der übliche Gegentrend.
Vor allem durch das Auftauchen krimineller Aktivitäten wie Kinderpornographie und illegales Glücksspiel war die Internetwelt in Kritik geraten.
Bartholl hält diese für überzogen. Die negativen Phänomene, die sich in der digitalen Gemeinschaft breit gemacht haben, hätten ihre Wurzeln schließlich woanders. Second Life sei viel mehr "ein sehr guter Spiegel der Gesellschaft."