Joseph E. Stiglitz

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Die Pessimisten, die schon lange Schwierigkeiten für die amerikanische Wirtschaft prognostizierten, scheinen Recht zu bekommen. Selbstverständlich freut sich niemand, wenn Aktienkurse infolge der Ausfälle bei Hypothekarkrediten in den Keller stürzen. Aber diese Entwicklung war vorhersehbar.

Die Geschichte nahm mit der Rezession im Jahr 2001 ihren Anfang. Mit Unterstützung von Notenbankchef Alan Greenspan setzte Präsident George W. Bush eine Steuersenkung durch, die zwar den reichsten Amerikanern nützte, aber nicht dazu geeignet war, die Wirtschaft aus der Rezession nach dem Platzen der Internetblase zu führen. Angesichts dieses Fehlers hatte die Fed keine andere Wahl, wenn sie ihrem Mandat zur Aufrechterhaltung des Wachstums und der Beschäftigung nachkommen wollte: Sie musste die Zinssätze senken. Das tat sie dann in beispiellosem Ausmaß – bis auf einen Zinssatz von ein Prozent. Üblicherweise motivieren niedrige Zinssätze Firmen, mehr Geld zu borgen.

Angesichts der Tatsache allerdings, dass die Überinvestitionen in den 90er-Jahren ein Teil des Problems waren, das der Rezession zugrunde lag, führten die niedrigeren Zinssätze nicht zu mehr Investitionstätigkeit. Die Wirtschaft wuchs vor allem weil Familien überredet wurden, Schulden auf sich zu laden, um ihre Hypothekarkredite zu refinanzieren und Teile des erzielten Gewinns wieder auszugeben. Solange die Immobilienpreise aufgrund niedriger Zinssätze stiegen, konnten sie steigende Schulden ignorieren. Aber in Wahrheit kurbelte auch das die Wirtschaft nicht ausreichend an.

Um noch mehr Menschen dazu zu bringen, noch mehr Geld zu borgen, wurden "zweitklassige" Darlehen angeboten. So genannte Lockzinssätze ermöglichten sogar noch niedrigere Ratenzahlungen in den ersten paar Jahren. Viele Kreditnehmer verstanden gar nicht wirklich, worauf sie sich einließen.

Und Alan Greenspan motivierte die Kreditnehmer, das Risiko auf sich zu nehmen, indem er variabel verzinsliche Hypothekarkredite förderte. Am 23. Februar 2004 wies er darauf hin, dass "viele Eigenheimbesitzer tausende Dollar hätten sparen können, wenn sie in den vergangenen zehn Jahren statt festverzinslicher variabel verzinsliche Hypothekarkredite gehabt hätten". Aber hat Greenspan wirklich erwartet, dass die Zinssätze ständig auf einem Niveau von einem Prozent bleiben – einem negativen realen Zinssatz? Hat er nicht daran gedacht, was armen Amerikanern passieren würde, wenn die Zinssätze ansteigen, was ja fast sicher zu erwarten war?

Nur eine Frage der Zeit

Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung untragbar werden würde. Glücklicherweise folgten die meisten Amerikaner Greenspans Rat nicht und haben nicht auf variabel verzinsliche Hypothekarkredite umgestellt. Die Immobilienpreisblase platzte schließlich, und angesichts des Preisverfalls ist manchen klar geworden, dass ihre Hypothekarkredite höher waren als der Wert ihres Eigenheims. Andere fanden heraus, dass sie bei den steigenden Zinsen ihre Raten einfach nicht mehr zahlen konnten.

Genauso vorhersehbar wie der Zusammenbruch der Immobilienblase sind auch die Folgen: Neue Wohnbauprojekte und der Verkauf von bereits bestehenden Eigenheimen liegen danieder, der Bestand an zum Verkauf stehenden Häusern ist hoch.

Die Immobilienblase verleitete die Amerikaner dazu, über ihre Verhältnisse zu leben – die Nettoersparnisse waren zuletzt negativ. Nachdem dieser Wachstumsmotor nun zum Stillstand kam, ist es schwierig zu erkennen, wie die US-Wirtschaft einem Abschwung entgehen soll. Die Rückkehr zu haushaltspolitischer Vernunft wird langfristig von Vorteil sein, aber sie wird kurzfristig zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führen.

Es gibt ein altes Sprichwort, wonach die Fehler eines Menschen noch lange nach dessen Abgang weiterwirken. Auf Alan Greenspan trifft das sicher zu. In George W. Bushs Fall bekommen wir die Konsequenzen noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt zu spüren. (© Project Syndicate 2007. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.8.2007)