Schlüsselstellen
Damit ist es ausgesprochen: Ensslin distanziert sich öffentlich vom Anschlag auf das Hamburger Verlagshaus, an dem auch Ulrike Meinhof beteiligt war. Knapp einen Monat später erhängt sich Meinhof, zermürbt von Prozess, Isolationshaft und zuletzt von den Anfeindungen ihrer Haftkollegen Andreas Baader und Gudrun Ensslin, in der Zelle.
Es ist dies eine Schlüsselstelle in der RAF-Geschichte und dem Bruch, der sich während dieser Zeit zwischen den inhaftierten RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und ihrer einstigen Gefährtin Ulrike Meinhof ereignete und dadurch letztlich wohl zum Selbstmord Meinhofs führte. Bisher gab es diese Aussage nur schriftlich.
Für Recherchen zu seinem für Herbst geplanten ARD-Zweiteiler begab sich der Spiegel-Chef und RAF-Chronist Stefan Aust gemeinsam mit seinem Kollegen Helmar Büchel in die Kellerräume des Gerichtsgebäudes und fand Mitschnitte mit Aussagen von allen vier Angeklagten während des Stammheimer Verfahrens zwischen Mai 1975 und April 1977. Der Großteil der Tondokumente wurde wie vorgesehen vernichtet.
Chaotische Szenen
21 blieben über, "die besonders wichtigen", wie Aust überrascht feststellt (siehe Interview).
Der Fund ist von historischer Bedeutung. Außer Stammheim wurden nur die Nürnberger und Auschwitz-Prozesse mit Tonbändern aufgenommen. Das Verfahren in Stammheim erregte großes Aufsehen, es gab chaotische Szenen. Die Gefangenen lieferten sich wilde Wortgefechte mit dem Richter und klagten über die Haftbedingungen.
Die Bänder kommen zur richtigen Zeit, jährt sich doch "der deutsche Herbst" um die "Landshut"-Entführung und die Ermordung Hanns-Martin Schleyers demnächst zum dreißigsten Mal.