Es sah danach aus, als würden sich die Albaner mit den Türken ein Match liefern, in dem es darum ging, wer am besten Präsidentschaftswahlen verhindern kann. Nachdem in der Türkei die Wahl von Außenminister Abdullah Gül im April an der mangelnden Anwesenheit von Parlamentariern scheiterte und in der Folge Parlamentswahlen stattfinden mussten, führte der Boykott der oppositionellen Parlamentarier in Tirana im Juni und Juli ebenfalls zu innenpolitischem Chaos.

Neuwahlen wurden im letzten Moment verhindert, weil sich ein paar Abgeordnete der Opposition doch noch dafür entschieden, dem Kandidaten der Mitte-rechts-Regierung, Bamir Topi, die für die Dreifünftelmehrheit notwendigen Stimmen zu geben. Sauber sah das aber nicht mehr aus. Eher danach, dass hinter den Kulissen Tauschgeschäfte gemacht wurden. So hatte die albanische Opposition nach dem gescheiterten dritten Durchgang ein Einlenken davon abhängig gemacht, dass die Regierung ihr in der Frage des Wahlrechts, der Rechtssprechung und im Bereich der Lokalregierungen entgegenkommt.

Ein Kuhhandel also, der sicher nicht im Interesse der Bürger und der demokratischen Entwicklung ist. Und auch sicher nicht die Effizienz der Regierung förderte. Kein Wunder also, wenn in der Türkei wie in Albanien die Rufe nach einer Verfassungsänderung lauter werden. Hier wie dort wurde der Staatspräsident bisher vom Parlament gewählt. Und in beiden Ländern wurde die Wahl des Staatspräsidenten nun mit einem tiefer liegenden Machtkampf zwischen zwei Interessengruppen, die sich äußerst misstrauisch gegenüberstehen, verbunden. In der Türkei stehen die Militärs gemeinsam mit kemalistischen Politikern der islamisch-konservativen AK-Partei von Premier Recep Tayyip Erdogan gegenüber, in Albanien die ewig zerstrittenen Führungsfiguren der Rechten und Linken, die auch gewisse Claninteressen und damit wirtschaftliche Interessen vertreten.

Die institutionellen Gegebenheiten und der aktuelle Konflikt haben offenbar in beiden Ländern, die sich in einem politisch und gesellschaftlich umfassenden Übergangsprozess befinden, dazu geführt, dass Ängste vor politischer und wirtschaftlicher Instabilität leichter geschürt werden konnten.

Die Einführung der Volkswahl des Staatspräsidenten in Zukunft könnte verhindern helfen, dass oppositionelle Parteien, wenn es eigentlich darum geht, einen Staatspräsidenten zu wählen, ihre Boykottmacht im Parlament dazu missbrauchen, die Regierung aus dem Amt zu jagen oder zumindest damit zu drohen.

In der Türkei ist jedenfalls für den 12. Oktober ein von Erdogan gewünschtes Verfassungsreferendum angesetzt, das die Direktwahl möglich machen soll. Die Wahl des neuen Präsidenten (geplant ist für den ersten Durchgang der 20. August) erfolgt heuer aber noch im Parlament.

In der Türkei ist der Staatschef nicht nur Oberbefehlshaber des Heeres, sondern auch Vorsitzender im Nationalen Sicherheitsrat, einer Institution, die 1961, ein Jahr nach dem Putsch, eingeführt wurde und dem Militär eine außerordentliche Kontrollfunktion sichert. Die Einführung der Direktwahl des Präsidenten könnte nach Auffassung von türkischen Verfassungsrechtlern auch Auswirkungen auf die weit reichenden Befugnisse des Sicherheitsrates haben, die eigentlich nicht mit den Vorgaben der EU vereinbar sind. Zudem soll der Präsident künftig nur auf fünf, statt auf sieben Jahre gewählt werden.

In der kommenden Präsidentschaftswahl wäre es eine Geste der Vernunft, wenn Gül nicht kandidiert und kein weiterer Konflikt mit der Opposition geschürt wird. Mehr aber als diese Konsensbereitschaft könnte die Einführung der Direktwahl das Vertrauen der Bevölkerung langfristig stärken. Denn gerade weil es sich um eine personenbezogene Wahl handelt, kann die Direktwahl nicht so sehr für politische oder wirtschaftliche Abrechnungen von Parteien missbraucht werden.

Wenn es in erster Linie um die Wahl eines Politikers und seiner Fähigkeiten geht, kann das in unreifen Demokratien leicht Populisten und Selbstdarsteller an die Macht bringen, der Lerneffekt daraus bleibt aber bei den Bürgern. Und die dürften langfristig die Stärkung der Vermittlungsrolle des Präsidenten einfordern. (11./12.8.2007