Das derzeitige Wahlrecht offenbart einige eklatante Schwächen, insbesondere bei Wahlergebnissen wie dem letzten (wenige realistische Koalitionsmöglichkeiten, Lähmung durch ungewollte Koalitionen bzw. einer großen Koalition, etc.). Ein mehrheitsförderndes Wahlrecht würde Abhilfe schaffen, darf jedoch kleine Parteien aus dem politischen Prozess nicht ausschließen, wie das etwa in den USA oder Großbritannien der Fall ist.

Meiner Meinung nach gibt es jedoch eine sinnvolle Variante, die sämtliche Vorteile eines mehrheitsfördernden Wahlrechtes einschließt, die Nachteile aber vermeidet.

Zunächst einige grundsätzliche Forderungen:

  • 1. Die relativ stärkste Partei muss den Bundeskanzler stellen können, außer alle anderen Fraktionen sind dagegen.

  • 2. Die relativ stärkste Partei darf nicht automatisch die absolute Mandatsmehrheit erlangen, da dies nicht dem Wählerwillen entspricht. Die relativ stärkste Partei muss sich also einen Koalitionspartner suchen (außer sie erlangt mehr als 50 % der Stimmen, was im Weiteren aber nicht angenommen wird).

  • 3. Wählt die relativ stärkste Partei einen Koalitionspartner aus, so haben beide zusammen automatisch die absolute Mandatsmehrheit, ein dritter Koalitionspartner ist nicht notwendig (je mehr Partner, desto stärker ist die gegenseitige Lähmung).

  • 4. Als Koalitionspartner kommen alle anderen Fraktionen im Parlament in Frage. Eine einfache Abbildung aus dem Wahlergebnis (% der Stimmen) auf die zu erlangenden Mandate wäre zum Beispiel so möglich:

    Minderheitsfreundlich

  • 1. Es gelte die 4%-Hürde, jede Fraktion verfügt daher über mindestens N Mandate (z.B. N=7).

  • 2. Die absolute Mehrheit der Mandate liegt bei 92. Die relativ stärkste Partei erhält daher mindestens 92-N Mandate.

  • 3. Die restlichen Mandate - also höchstens 183-(92-N) - werden aliquot auf die anderen Fraktionen verteilt (inklusive Koalitionspartner), es gilt aber nach wie vor das Minimum von N Mandaten für alle Fraktionen.

  • 4. Jetzt kann sich die relativ stärkste Partei jede andere Partei als Koalitionspartner wählen, die Regierung verfügt damit in Summe sicher über die absolute Mandatsmehrheit im Parlament.

    Es ist einsichtig, dass die oben genannten Forderungen durch diese simple Formel erfüllt sind, dieses Wahlrecht wäre auch einfach zu verstehen, würde kleine Parteien berücksichtigen und den Wählerwillen besser repräsentieren als ein "The winner takes it all"-Modell. Kommt jedoch ein populistischer Extremist an die relative Mehrheit, so können die anderen Parteien die Kanzlerschaft des Populisten verhindern.

    Ich sehe in diesem Modell jedenfalls eine zumindest diskussionswürdige Möglichkeit, in Zukunft eine Pattsituation wie nach der letzten Wahl zu vermeiden.

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    Der Autor ist Wirtschaftsinformatiker und lehrt am Institut für Multimediale Systeme an der Universität Wien. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.8.2007)