Ob das Boot noch 200 Kilometer weit kommen soll, entnimmt man der Spannungsanzeige im Cockpit der Julika und passt dementsprechend die Geschwindigkeit an.

Foto: Hersteller
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Ein Elektroboot ist gelb oder rot, fährt auf einem Kärntner See und bringt brave Kinder um 35 Schilling die Stunde je nach Lust und launischer Betätigung eines Hebels entweder "langsam" oder "schnell" zum Bananensplit. Wolfgang Schmalzl und sein Sohn Paul sehen das anders. Als Bootsbauer am Wörthersee lassen sie zwar den Drehort dieser nostalgischen Momentaufnahme gelten, ihr Plot für den neuen Elektroboot-Autorenfilm ist aber serientauglich. Denn Boote, die auf einen Namen hören, werden immer in Serie produziert, und das ist auch bei der in jeder Hinsicht elektrisierenden "Julika" der Fall.

Dabei hatte die Szene doch als melodramatisches Einzelschicksal begonnen: Julika, ein abgewracktes Taxiboot in seinen frühen Sechzigern, war in eine Bootswerft bei Dellach abgeschoben worden. Und das, obwohl sie von 1947 bis in die 1960er-Jahre eine allererste Woge der Tourismusgeschichte am See begleitete, tagein, tagaus die Ausflügler zuverlässig und noch mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet ans andere Ufer brachte. Den 1000 Euro, die Wolfgang Schmalzl in den übriggebliebenen Rumpf Seefahrtsgeschichte am Wörthersee investierte, sollten noch mehr als 1000 Arbeitsstunden folgen, bis diese Geschichte neu geschrieben werden konnte. Lediglich Julikas Name schien zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossene Sache, war er doch in vergilbten Lettern immer noch am Bug des Motorboots nachzulesen; was das Experiment selbst und die doppelte Investition in den Nachwuchs bringen sollte, noch mehr als ungewiss. Nicht weniger als eine völlig neue Generation dynamischer Elektroboote sollte es halt sein, in Schale geworfen von der dritten Generation der Bootsbauerfamilie.

Der heute 21-jährige Paul Schmalzl war gerade dabei, seinen HTL-Abschluss zu machen, als er von seinem Vater den Auftrag erhielt, Julika aufzumöbeln. Zusammen mit zwei Freunden nahm er sich des Torsos an, ein ausgezehrter zwar, aber immer noch zu eleganten Bewegungen fähig. So musste die schlanke Julika lediglich 15 Zentimeter wachsen und etwas an Breite zulegen, um die Energie als Elektroboot fortan auch möglichst effektiv nutzen zu können, also um von der Verdrängungsfahrt so rasch wie möglich in die Gleitphase zu wechseln. Die Schale aus hochglänzend weißem Glasfaserkunststoff zu fertigen mag zwar ein ästhetisch anspruchsvolles Statement gewesen sein, günstiger und pflegeleichter als ein Rumpf aus Vollholz ist das aber allemal. Ein Mahagoni-Deck, das durch die wesentlich helleren Ahornadern an Leichtigkeit zurückgewinnt, erinnert in keinster Weise mehr an die Muffigkeit von Gemeindebau-Wohnungstüren, wo dieses Tropenholz all seine Exotik eingebüßt hat.

Und dann ist da noch jenes Cockpit, das mit wünschenswerter Präzision Auskunft gibt, woran Wolfgang Schmalzl so lange gearbeitet hat: ein Spannungsmesser etwa, der verrät, wie lange noch die Julika ihre Elektroboot-Spitzen von bis zu 47 Kilometern pro Stunde beweisen darf. Oder ein Tachometer, der konstant bei zehn km/h stehen bleibt, wenn man zu lange dem Geschwindigkeitsrausch auf der Julika erlegen ist, die dann selbst darüber entscheidet, leiser zu treten, damit ihre Passagiere wenigstens noch fünf Kilometer weit bis zur nächsten Steckdose kommen. Leise ist sie so oder so, Julika, die all ihre Energie aus einer ordinären 230-Volt-Steckdose schöpft und in den zehntausenden Handy-Akkus speichert. Diese Lithium-Polymer-Akkumulatoren verhelfen dem 50-Kilowatt-Drehstrommotor zu einem Drehmoment, das herkömmliche Verbrennungsmotoren zu Schall- und Rauchmachern degradiert, die noch dazu nicht annähernd so hohe Wellen in puncto Beschleunigung schlagen können.

Eine ökologisch sinnvolle Alternative zum (Verbrennungs-)Motorboot zu finden, das auf Österreichs Seen vielfach gar keine Fahrerlaubnis mehr erhält, lag für Wolfgang Schmalzl auch in der Natur ungeschriebener Wörthersee-Gesetze. Von den bestehenden 340 Lizenzen für Motorboote am See wechseln nur die allerwengisten überhaupt den Besitzer - und wenn, dann nur für schwarzmarktähnliche Fantasiepreise, die für ein Elektroboot gar nicht erst anfallen. Freilich, die Akkus sind bislang eine Investition - nicht nur eine in die Zukunft -, denn am 129.000 Euro teuren Kaufpreis für die Julika tragen sie ihren schwer wiegenden Anteil. Zukunftsträchtig ist ihr Einsatz dennoch insofern, als die gleiche Technologie im Hybridauto zum Einsatz kommen könnte. Und sie besänftigen zugleich selbst jene, die behaupten, der Strom würde ja nicht nur aus der Steckdose kommen. Denn die werden dann zugeben müssen, dass 15 Euro für eine volle Ladung nicht gerade viel sind. Im Idealfall, also bei einer konstanten Geschwindigkeit von 13 km/h, ist die Julika volle sechzehn Stunden draußen auf dem See und bringt ihre Passagiere 200 Kilometer weit. Sechs Stunden muss sie dann einer Steckdose verbunden bleiben, die ihr bis zu 1400-mal die volle Energie zurückgibt - erst dann werden ihre Akkus nur mehr 80 Prozent der jungfräulichen Aufnahmefähigkeit haben.

Jene sechs Passagiere, die der Julika demnächst sitzend und liegend auf die edle Leder-Pelle rücken oder hinten von den Wasserskiern winken, dürfen jedenfalls die Gewissheit haben, dass es keine Sauerei mehr ist, das Herz eines alten Taxiboots höher schlagen zu lassen. (Sascha Aumüller/Der Standard/rondo/17/8/2007)