"Es ist besser geworden", sagt Gabriel Osuji, "heute schauen mich die Menschen nicht mehr an wie ein Alien." Mittlerweile ist er österreichischer Staatsbürger.

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So genannntes Ethno-Business ist für aus Afrika zugewanderte Unternehmer eine Marktnische des Überlebens. Wer afrikanische Produkte einkaufen möchte, der Frisur neuen Schwung verleihen will oder Bedarf an Videos über Afrika hat, wird in der Burggasse in Wien fündig.

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Powernapping hat auch hier Einzug gehalten: Die Mittagspause wird nach dem harten Vormittag schon einmal für ein kleines Nickerchen genützt.

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Sterben anderswo in Wien ganze Straßenzüge aus, so ist in der Burggasse der gegenteilige Trend zu verspüren. Bunt und belebt ist das Straßenbild mit den zahlreichen "afrikanischen" Geschäften geworden.

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"Österreich hat ein gutes Image in Afrika" sagt Habiboulah Bakhoum. Landsleuten rät er bei etwaigen auftretenden Problemen "nicht aufgeben, sich nicht irritieren lassen, denn sie sind in einem Rechtsstaat."

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Béatrice Achaleke wehrt sich dagegen, dass die Sprache oft das einzige Kriterium für den Eintritt in die Gesellschaft aber auch in die Arbeitswelt sein soll. "Die EU hat viele Sprachen", sagt sie.

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Der edle Wilde, wie er bei Roussau vorkommt spukt wohl noch ein weniger länger in unseren Köpfen herum glaubt Afrikanist Erwin Ebermann.

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Eigentlich, sagt Gabriel Osuji, war er enttäuscht, als er nach seinem Studium 1982 von Nigeria nach Österreich kam. Es war gar nicht richtig exotisch, grinst er verschmitzt. Hier ist er eher zufällig gelandet, Austria hat er damals mit Australia verwechselt. "Nein, eine richtige Vorstellung hatte ich nicht." Über mangelnde Exotik konnte er sich nicht lange beklagen, denn umgekehrt war der neue dunkelhäutige Mitbürger für Österreich alles andere als Alltag. Gabriel Osuji startete als Garderobier in einem Lokal im ersten Wiener Gemeindebezirk. Dafür waren nur ein paar Worte Deutsch notwendig.

 

So richtig lernte er die Sprache erst, als er im gleichen Lokal auf Discjockey umsattelte, sagt er "nicht in erster Linie im Deutschkurs". Mit dem dort verdienten Geld finanzierte er sich eine MBA-Ausbildung. Als er sich dann irgendwann doch als zu alt für das Nachtleben empfand, und beim AMS vorstellig wurde, wurden dort seine Karrierepläne gleich zurechtgestutzt. Der Botschaft, "glauben Sie, dass Sie hier einen Job als Manager kriegen" folgte ein Stellenangebot als Geschirrabwäscher.

Pioniertätigkeit zahlte sich aus

Und weil Gabriel Osuji wusste, dass der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär für die meisten ein solcher bleibt, machte er sich selbstständig und eröffnete ein Hip-Hop-Geschäft in der Landstraßer Hauptstraße: "Das ging damals richtig gut, da war ich Pionier und die Werbung hat MTV gemacht" blickt er zurück. Weil die Konkurrenz im Hip-Hop-Business mittlerweile groß ist, sattelte er kurzerhand um. Auf eine Art All-you-need-for-life-Geschäft. Während im Hip-Hop-Geschäft 75 Prozent Österreicher zu seiner Kundschaft zählten, gehen heute auch viele Menschen mit dunkler Haut ein und aus im Brooklyn Jam in der Burggasse, nahe dem Gürtel.

Da gibt es Getränke und Lebensmittel ebenso, wie in Afrika gebrautes und von Osuji importiertes Guiness, Kosmetika, den Haarschnitt und in der Boutique nebenan die Kleidung. Bunt und für österreichische Augen ein bisschen provisorisch sieht es hier aus, ebenso wie in der afrikanischen Videothek gegenüber, im Telefondiskonter daneben oder in den benachbarten Läden. Eine richtige "African-Business-Straße" ist hier in den letzten Jahren entstanden.

Minimale Vorurteile

Weniger mit Exotik hat das Geschäft von Richard Gnaore Ossiri zu tun. Seit 1986 lebt der in Côte d’Ivoire geborene Germanist und Diplomat in Österreich. Heute unterrichtet er und leitet sein eigenes Sprachinstitut. Im zehnten Wiener Gemeindebeirk liegt "Ossiri´s Lernakademie". Nach Jobs bei einer Bank, in einer Exportfirma und als Taxifahrer ist er in Österreich als Sprachlehrer tätig. Wie es dazu kam, erzählt in einem Interview mit "Afrikanet". Richard Gnaore Ossiri ist mittlerweile ein bisschen berühmt. Nicht nur weil "Afrikanet" ihn porträtierte, sondern auch, weil er außerdem eines der "Gesichter des Jahres" ist. Und zwar im Rahmen des Europäischen Jahres der Chancengleichheit. Was er sagt, hier wie dort: "Aus meiner Perspektive gibt es nur minimale Vorurteile in Österreich. Freilich kommt es aber immer wieder vor, dass man als Schwarzer angestarrt wird. Dann hat man zwei Möglichkeiten: Man denkt sich, dass das so ist, weil man sichtbarer Ausländer ist, oder weil man den Menschen interessant erscheint. Ich denke mir Zweiteres."

Umtriebig und gründungsfreudig

Richard Gnaore Ossiri und Gabriel Osuji sind vermutlich ebenso umtriebig wie Habiboulah Bakhoum. Habiboulah Bakhoum kommt aus Dakar, der Hauptstadt Senegals. Er vertritt im African Business Board, einem Ausschuss den die Wirtschaftskammer 2005 einrichtete, rund 500 Unternehmen mit afrikanischer Herkunft in Wien. Referiert der Lektor für Wolof am Institut für Afrikanistik in Wien über die Tätigkeiten, mit denen Menschen afrikanischer Herkunft hier ihren Lebensunterhalt bestreiten, so fallen ihm zuallererst Virenforscher, IT-Experten, Ananasweinproduzenten und Modeschöpfer ein. Dann natürlich auch Gastronomen, Caterer, Parfümerien, etc. Außerdem sagt er, seien mehrheitlich Frauen geschäftlich erfolgreich. Nicht mit allen seinen Schäfchen ist er gleichermaßen zufrieden, auch wenn sie "gründungs- und nachahmungsfreudig" seien. "Viele brechen sich auch das Genick, weil sie sich Geschäftsideen einfach abschauen. Sie glauben, wenn das beim Klaus funktioniert, funktioniert das bei mir auch." Habiboulah Bamohou kennt aber auch Menschen, die hier weg gingen. Zum Beispiel nach Oxford, um zu forschen. "Schade" sagt er, das ist Potenzial, das Österreich abhanden kommt. In Großbritannien leben viele Afrikaner mit österreichischem Pass fügt er an: "Das ist ein Verlust."

Ethnobusiness als Chance

So genannntes Etho-Business sei auch für aus Afrika zugewanderte Unternehmer "eine Marktnische des Überlebens in einer fremden Gesellschaft" konstatiert Walter Sauer, Dozent am Institut für Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, in seinem Buch "Von Soliman zu Omofuma". Zum einen biete es sich an sowohl Landsleute zu versorgen, als auch die exotischen Modetrends und einen ebensolchen Lifestyle der einheimischen Bevölkerung zu bedienen. Im Unternehmerdasein landen nicht alle freiwillig. "Diese Ökonomien entstehen auch dadurch, dass Migranten und Migrantinnen vom regulären Arbeitsmarkt verdrängt werden" heißt es in Walter Sauers Buch. Viele machen das Beste aus der Not. Richard Gnaore Ossiri und Habiboulah Bakhoum mag die abgeschlossene Diplomatenausbildung in Österreich geholfen haben. Dass beide die Diplomatenakademie besucht hatten, um in Österreich unter anderem Unternehmer zu werden, darf gelinde gesagt, bezweifelt werden. Oft genug bleibt man auch mit dem Geschäft im "exotischen Eck". "Ausgenommen Taxifahrer und die zunehmende Zahl der Telefondiskonter" bestätigt Sauer: "Darüber hinauszukommen scheint schwierig. Sie bewegen sich in den Nischen weil sie das gut können, aber vielleicht auch, weil sie müssen."

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Einfach ist es für die migrantischen Unternehmen in Österreich nicht. "Nur wer besonders kreativ, energiegeladen und ausdauernd ist, schafft es hier" sagt Gabriel Osuji. Während er in den Vereinigten Staaten mit seinem Bruder innerhalb eines Tages ein Unternehmen gründete, dauerte die Chose in Wien einige Monate, inklusive Wifi-Schnellkurs um seine in der Heimat erworbenen Qualifikationen auf Österreich umzumünzen. Notwendig war dies nicht etwa, weil er als Jurist oder als Arzt tätig werden wollte, sondern um das Geschäft eröffnen zu können. Heute geht das vermutlich ein bisschen schneller. Es herrsche aber schon eine besondere Verschlossenheit "aber nicht nur Fremden gegenüber das gilt auch für Österreicher" glaubt Habiboulah Bakhoum. Er berät auch in Sachen Unternehmensgründungen. Nicht nur Menschen afrikanischer Herkunft sondern auch Österreicher. Letztere versucht er gerade dafür zu erwärmen vor allem in Sachen erneuerbarer Energien verstärkt in Afrika tätig zu werden. "Die Österreicher haben die Technologie und dort wird sie gebraucht, der Boden ist bereitet", sagt er. Chinas Engagement in Afrika, Ausbildungskooperationen mit österreichischen Unternehmen und die Mobilität der Studenten beschäftigen ihn ebenso wie die afrikanische und die heimische Politik. Da erscheinen die Probleme in Österreich oft geradezu als Peanuts. Wenn sich auch durchaus Kleinigkeiten für die Betroffenen zu existenziell bedrohlichen Hindernissen auswachsen können.

Fehlende Informationen

Gibt es Probleme, so fehle es vielfach einfach an Informationen weiß er aus Erfahrung. Zum Beispiel im Falle einer Frau, der ein Kredit über 2.000 Euro auf der Bank verweigert wurde. Die Schalterdame hatte entschieden, sie hätte einen Privatkredit zu vergeben, anstelle eines Firmenkredits. Bahoumu konnte das Missverständnis ausräumen. "Irgendwie schade, wenn Geschäfte an solchen Kleinigkeiten scheitern, denn die schaffen ja auch Arbeitsplätze" sagt er und ergänzt: "Da fehlt der Bank ein Kundenservice für Schwarze." Viele Probleme gebe es für afrikanische UnternehmerInnen auch in der Gastronomie, wo man besonders auf die Behörden angewiesen sei. "Aus Unwissenheit übertreiben die Behörden oft, die Leute fühlen sich schikaniert." Die häufigsten Vorurteile: "Alle Afrikaner stammen aus einem Dorf einerseits und dann natürlich die Drogengeschichten." Treffe das auf "Afrikaner mit ihren oft diffizilen Vorgeschichten, die vielfach mit Frustration verbunden sind, entstehen Spannungen, dann wird das sofort reaktiviert."

Was die Sache mit den Vorurteilen betreffe, so sei die Lage durchaus besser geworden, glaubt Erwin Ebermann. Der Afrikanist hat mehrere Jahre lang Afrika bereist. Unter anderem in dem Buch "Afrikaner in Wien" beschäftigt er sich mit den Anliegen und Problemen der hier lebenden Afrikaner und Afrikanerinnen. Der Befund damals klang nicht eben hoffnungsvoll: Trotz überdurchschnittlicher Bildung weitgehend marginalisiert; häufig unter ihrer Qualifikation beschäftigt; große Probleme der Akzeptanz in allen wesentlichen Kernbereichen - Arbeit, Wohnung, Freundschaft, Liebe und bei Behörden. Nicht eben positiver wurde damals die Frage beantwortet, wie die Wiener Bevölkerung ihren schwarzen MitbürgerInnen gegenüber empfand: "Mit deutlicher Unterschätzung der Leistungsfähigkeit und Willigkeit der Afrikaner, ihrer Intelligenz, ihres Respekts vor lokalen Werten; mit der Verdächtigung der Kriminalität und des Drogenhandels." Heute sieht Ebermann einen Generationenwechsel. "In der Privatwirtschaft schneller als bei den Behörden, die ja sparen müssen. Unter 50jährige, die nicht auf Klischees angewiesen sind und persönliche Erfahrungen haben, machen das besser", glaubt er. Was ihm hilfreich erschiene: An Schlüsselstellen im kochkompetenten Bereich Menschen schwarzer Hautfarbe zu positionieren. Zum Beispiel als Trainer am AMS oder an sichtbarer Stelle in Schlüssel-Medien.

Arbeit und Spracherwerb

Eine gute Idee findet Béatrice Achaleke, Obfrau von Schwarze Frauen Community "aber nicht in einer Alibifunktion, sondern mit echtem Spielraum entsprechend der Qualifikation." Den Fortschritt, den Erwin Ebermann konstatiert, sieht sie nicht: "Ich hoffe da ist etwas im Gange, das vor mir verborgen ist". "Doch es ist besser geworden" lächelt Gabriel Osuji, "heute schauen mich die Menschen nicht mehr an wie ein Alien." Würde er heute mit seinen Qualifikationen zum AMS wandern, traute sich vermutlich niemand mehr ihm offen jede Chance abzusprechen. Ob er tatsächlich einen qualifizierten Job finden würde, darüber kann man nur spekulieren. Aber Gabriel Osuji fühlt sich sowieso pudelwohl in seiner Nische. Heute sei er oft genug das Sprungbrett für seine Landsleute. Eine Chance will er vielen geben, so wie er selbst sie bekommen habe. Nützen müssen die Landsleute sie dann selbst. Arbeit und den Erwerb der Sprache findet er, seien die bedeutendsten Schritte zur Integration. Das eine erlaubt für viele die gesetzliche Lage nicht "und das andere ist nicht allen, die hierher kommen klar", sagt er. Béatrice Achaleke sieht erst den Anfang eines Dialogs. Wenn sie Recht hat, so werden Gabriel Osuji und seinesgleichen vermutlich noch länger für die Ausfüllung "kreativer Nischen" in Österreich zuständig sein. "Der edle Wilde, wie er bei Roussau vorkommt, spukt wohl noch ein weniger länger herum," sagt Erwin Ebermann. (Regina Bruckner)

WISSEN:

Laut Statistik Austria haben derzeit rund 39.000 Personen in Österreich einen afrikanischen Migrationshintergund, davon rund 21.200 einen Pass aus einem der afrikanischen Staaten. Rund 75 Prozent leben in den größeren Städten Österreichs, wie etwa in Wien, Graz, Linz und Innsbruck. Über den sozioökonomischen Hintergrund erteilt die Zahlen laut Bevölkerungsstatistiker Gustav Lebhart keine Auskunft. Die Black Community selbst sieht folgende Zahlen: 75 Prozent der in Wien lebenden AfrikanerInnen haben laut Black Austria Matura und 33 Prozent einen Universitätsabschluss (die Akademikerquote in Österreich betrug laut OECD zuletzt 18 Prozent). Zahlen liefert auch das AMS Wien auf Anfrage. Von den 971 arbeitslos gemeldeten Menschen aus afrikanischen Staaten verfügen 26 über eine akademische Ausbildung, elf eine Lehrausbildung und 876 über Pflichtschulausbildung. Der Rest teilt sich auf mittlere bis höhere bzw. nicht bekannte Ausbildung. Die größte Zahl kommt mit 223 aus Nigeria, gefolgt von Ägypten).