Im Gastblog zeigen Aggelos Soteropoulos und Florian Pühringer, wie unterschiedlich Nahversorgung in den verschiedenen Regionen Österreichs ausfällt.

Die aktuell hohen Lebensmittelpreise, die weiterhin anhaltende Inflation sowie auch der durch die Regierung initiierte Lebensmittelgipfel am 8. Mai haben in den letzten Wochen unter anderem zu einer Debatte rund um den Lebensmittelmarkt in Österreich geführt. Grund genug für einen räumlich differenzierten Blick auf die österreichische Supermarktlandschaft in den nächsten beiden Blog-Beiträgen von "Maps and Minds". Dieser erste Artikel beschäftigt sich mit der Erreichbarkeit und der Rolle der Supermarktketten als Nahversorger, die nächste Ausgabe thematisiert die regionale und räumliche Marktkonzentration der großen Supermarktketten.

Österreich besitzt insgesamt rund 5.300 Lebensmittelgeschäfte (Vollsortiment und Diskont) und weist mit einer Versorgungsdichte von 60,1 Geschäften je 100.000 Einwohner eine der höchsten Nahversorgungsdichten in Europa auf.1 Um Marktanteile zu halten und zu sichern, bauen die großen Lebensmitteleinzelhändler offenbar auf die Strategie, flächendeckend mit Filialen präsent zu sein und bestehende Märkte kontinuierlich auszubauen2 – und so zeigt sich vor allem für Rewe, Spar und Hofer ein dichtes Filialnetz über ganz Österreich.

Die Karten zeigen die räumliche Verteilung der Supermarktfilialen von Rewe (gelb), Spar (rot), Hofer (blau) sowie sonstigen Supermärkten (grau).
Foto: Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer

Der Weg zum nächsten Nahversorger ist trotz der – im europäischen Vergleich – hohen Filialdichte an Supermärkten dennoch nicht für alle Österreicher und Österreicherinnen gleich kurz: Die räumliche Verteilung der Supermärkte hat maßgebenden Einfluss darauf, wie gut Supermärkte durch die Bevölkerung erreichbar sind. Dies ermöglicht auch Aussagen über die Versorgung der Bevölkerung durch Supermärkte. Blickt man auf die fußläufige Erreichbarkeit zum nächstgelegenen Supermarkt, so ist in den größeren Städten und Ballungszentren aufgrund der bestehenden Filialdichte der nächste Supermarkt meist in unter fünf Minuten zu erreichen. Insbesondere in einigen ländlichen Regionen benötigt man für den Weg zum nächstgelegenen Supermarkt zu Fuß jedoch meist deutlich mehr als 30 Minuten. Dieser Umstand führt letztlich auch zu einer stark auf den Pkw orientierten Mobilität bei Einkaufswegen.

Die fußläufige Erreichbarkeit dieser "Nah"-Versorger für die Bevölkerung ist jedoch ein wichtiger Baustein zum Gelingen der Mobilitätswende. Um Verlagerungen von Fahrten mit dem Pkw hin zur aktiven Mobilität – also zu Fuß oder mit dem (Lasten-)Fahrrad – überhaupt attraktiv zu machen, sind kurze Distanzen sowie entsprechend sichere Infrastrukturen eine grundlegende Voraussetzung.

Gebiete in der Farbe Grün weisen eine kurze Gehdistanz zum nächsten Supermarkt auf, Gebiete in der Farbe Grau und insbesondere Pink zeigen eine hohe Gehdistanz zum nächsten Supermarkt an.
Foto: Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer

Die Visualisierung der fußläufigen Erreichbarkeit macht darüber hinaus unterschiedliche Siedlungsstrukturen sichtbar. Urbane Zentren, wie Graz, Wien oder auch das nähere Umfeld von Innsbruck stechen mit einer guten Erreichbarkeit hervor. Klar erkennbare Siedlungsgrenzen und kompakte Dorfstrukturen im nördlichen Weinviertel sowie im Burgenland stehen im Kontrast zu weitläufig gestreuten Siedlungsbereichen in Oberösterreich oder der südlichen Steiermark.

Die hier erkennbare räumliche Verteilung der Supermärkte und die sich daraus ergebenden Erreichbarkeitsverhältnisse machen bereits deutlich, dass nicht alle Regionen in Österreich dieselben Voraussetzungen für die Versorgung mit Lebensmitteln (und Gütern des täglichen Bedarfs) bieten. Es folgt eine differenzierte räumliche Betrachtung der Versorgungsdichte und Erreichbarkeit zu Supermärkten speziell nach Raumtypen, die Städte, ländliche Regionen aber auch Gemeinden, die irgendwo dazwischen liegen, berücksichtigen.

Das Bundesamt für Statistik (Statistik Austria) unterscheidet in seiner Raumtypologie anhand von Kriterien wie Siedlungsdichte, Infrastrukturausstattung und Pendlerströmen grundsätzlich zwischen vier Raumtypen für Gemeinden:

Nutzt man diese Typologie und betrachtet die Bevölkerung nach Gehdistanzklassen zum nächsten Supermarkt nach Raumtyp, so zeigt sich, dass speziell in den urbanen Zentren (und hier insbesondere in den urbanen Großzentren, aber auch in den urbanen Mittel- und Kleinzentren) die Mehrheit der Bevölkerung einen maximalen Fußweg zum nächsten Supermarkt von maximal zehn Minuten aufweist. Je "ländlicher" der Raumtyp, desto höher liegt tendenziell der Anteil der Bevölkerung, die eine Gehdistanz von über 20 Minuten zum nächsten Supermarkt aufweisen.

Die Rauten zeigen jeweils die Anteile der Bevölkerung in den jeweiligen Gehdistanzklassen zum nächsten Supermarkt in den einzelnen Raumtypen an – je größer die Rauten, desto höher der Anteil der Bevölkerung in der jeweiligen Gehdistanzklasse zum nächsten Supermarkt.
Foto: Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer

Ähnliches wird auch ersichtlich, wenn man die Gehdistanz zum nächsten Supermarkt nach Siedlungsdichte und Raumtyp betrachtet. Die Siedlungsdichte meint die räumliche Ballung der Bevölkerung innerhalb des tatsächlich besiedelten Raumes. Auch hier wird deutlich, dass die mittlere Gehdistanz zum nächsten Supermarkt mit zunehmend ländlichem Charakter der Gemeinden ebenfalls deutlich zunimmt, wohingegen sie vor allem in den urbanen Groß- und Mittelzentren mit hoher Siedlungsdichte meist deutlich unter zehn Minuten beträgt.

Jeder Punkt repräsentiert eine österreichische Gemeinde – Farbe und Form zeigen die Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen Raumtypen, die x-Achse zeigt die Siedlungsdichte und die y-Achse die mittlere Gehdistanz in Minuten zum nächstgelegenen Supermarkt an. Die beiden Achsen sind logarithmisch skaliert.
Foto: Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer

Ein Blick auf die Veränderung der Anzahl der Supermärkte in den letzten zehn Jahren zeigt klar: In allen Raumtypen ist die Anzahl der Supermärkte im Vergleich der Jahre 2014 und 2023 (teilweise deutlich) gestiegen. Die fußläufige Erreichbarkeit hat sich hingegen kaum verbessert. Die Gründe dafür sind vermutlich vielseitig und schwer eindeutig festzustellen. Die autozentrierte Standortwahl für Supermärkte an Ortseinfahrten, Kreisverkehren oder Umfahrungsstraßen teilweise fernab von Siedlungen, einhergehend mit der Schließung von Filialen in den Ortszentren ist möglicherweise einer der Treiber dieser Entwicklung. Diese neuen Standorte können vermutlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht effizienter betrieben werden als baulich beschränkte Filialen in Ortskernen.

Erkennbar ist hier die Veränderung der Erreichbarkeit bzw. des Anteils der Bevölkerung (in Prozentpunkten) in den jeweiligen Gehdistanzklassen zum nächsten Supermarkt je Raumtyp im Vergleich 2014 und 2023 in den Farben Rot, Orange und Gelb. Die grauen Balken zeigen die Veränderung der Anzahl der Supermärkte sowie der Bevölkerung (in Prozent) im gleichen Zeitraum an.
Foto: Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer

Im Sinne einer verbesserten fußläufigen Erreichbarkeit der Supermärkte und einer Eindämmung von Bodenversiegelung wäre zum einen eine integrierte Raumplanung wünschenswert, die Siedlungsentwicklung und Nahversorgung gemeinsam betrachtet und organisiert. Die Expansion der Supermarktketten könnte als Baustein einer Zentren- und Ortskernbelebung aktiv genutzt werden. In einigen Bundesländern wurden diesbezüglich bereits erste raumordnerische Festlegungen getroffen. So sollen in Zukunft im Burgenland Supermärkte und Einkaufszentren mit Lebensmitteln nur mehr in Ortskernlagen errichtet oder erweitert werden dürfen.3 Gleichzeitig gewinnen durch die hohe Marktkonzentration auch lokale und regionale Initiativen an Bedeutung: Dorfläden, Ab-Hof-Verkäufe oder Selbstbedienungsboxen sind bereits in vielen Gemeinden Teil des Angebots und auch ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Erreichbarkeit und Nahversorgung. Um diese kleinen Lebensmittelgeschäfte als zentrale Nahversorger im Ortszentrum zu sichern, bedarf es zum Teil aber auch gezielte Fördermaßnahmen4 – hier gibt es bereits in einigen Bundesländern erfolgreiche Konzepte wie zum Beispiel die Tiroler Nahversorgungsförderung5. (Aggelos Soteropoulos, Florian Pühringer, 23.5.2023)