Tekla Sharwaschidze ist begeisterte Tiktokerin, die mit ihren Videos auch Wissen vermitteln möchte.
Tekla Sharwaschidze

Mit zehn Jahren wollte Tekla Scharwaschidze Diplomatin werden. Sie fand die Jobbeschreibung in einem Lexikon und begeisterte sich für die damit verbundenen Aktivitäten des Herumreisens und dem intensiven Kontakt mit vielen Menschen. Heute ist die gebürtige Georgierin, die seit ihrem dritten Lebensjahr in Wien wohnt, Influencerin auf Tiktok. In kurzen Videos erklärt sie, wie man sich Dinge besser merkt und warum man sich wegen einer Matura nicht stressen sollte.

Scharwaschidze ist aktuell Teil einer Kampagne für die Stadt Wien, die mit Influencerinnen und Content-Creators für ihre zahlreichen Jobangebote wirbt. Damit will man vor allem die junge Zielgruppe erreichen, die sich verstärkt auf Tiktok oder Youtube versammelt. Sprich Schülerinnen, Studierende, Uniabsolventen.

Pensionierungen und neue Felder

21.000 Stellen muss die Stadt Wien bis 2030 neu besetzen. Derzeit sind rund 650 Stellen extern ausgeschrieben. Viele Jobs richten sich an junge Menschen, weshalb man Kooperationen mit Leuten wie Scharwaschidze gesucht hat. Denn nicht nur Pensionierungen stehen in den kommenden Wochen an. Sie sind laut Büro des zuständigen Personalstadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zwar der "Hauptgrund für den gesteigerten Personalbedarf" in den kommenden Jahren, jedoch passe sich die Stadt Wien auch an die "Veränderungen in der Arbeitswelt" an. Daher brauche es beispielsweise noch mehr Mitarbeitende, die "Digitalisierung vorantreiben und sich für ein klimafittes und nachhaltiges Wien einsetzen". Und noch ein Grund: Wien wächst. Auch das wirke sich auf die offenen Jobs aus. Besonders gefragt seien aktuell die Bereiche Gesundheit, Soziales und Pädagogik, Technik und Informatik sowie Berufe, die sich mit Klima- und Umweltfragen beschäftigen.

Nach Job-Botschafterinnen und Job-Botschaftern der Stadt wurde auf allen relevanten Plattformen gesucht. Dabei habe die Stadt sich selbst Kriterien geschaffen, um "sicherzustellen, dass die relevanten Zielgruppen möglich gut erreicht werden".

Auch auf der reichweitenstarken Streamingplattform Twitch wurden passende Personen gefunden. Die Innsbruckerin Renée Veyla ist eine für die Kampagne ausgewählte junge Frau, die normalerweise Videospiele mit ihrer Community spielt. Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt sie, dass das Thema Jobs allerdings immer wieder in ihrem Chat aufgegriffen wird. "Letztens hat jemand erzählt, dass er beruflich Austern fängt und dann verkauft", sagt sie. Ein anderer habe von seinem Leben als Pilot erzählt. "Und natürlich gibt es oft Leute, die gerade eine neue Aufgabe suchen."

Veyla habe deshalb rasch zugesagt, als sie von der Stadt Wien gefragt wurde, ob sie Teil dieser Kampagne sein wolle. "Ich schaue sehr auf meine Kooperationen, ob diese zu mir passen. Alkohol oder Zigaretten würde ich zum Beispiel im Stream nie promoten", erklärt die 24-Jährige. Veyla ist als Streamerin aktuell selbstständig, musste aber schon selbst als Jobsuchende Erfahrungen sammeln. Nach ihrer Matura wollte sie sofort arbeiten, um sich ihr Streaming-Set-up finanzieren zu können. Dafür schrieb sie ganz klassische Bewerbungen und fing erst in einer Bäckerei an und später im Einzelhandel.

Zum Thema Bewerbung informierte sich die junge Frau auf Youtube. Wie man ein Bewerbungsschreiben formuliert etwa oder worauf man im Gespräch mit einem potenziellen Vorgesetzten achten soll. "Mir waren auch Dinge wie eine mögliche Weiterbildung wichtig oder auch flexible Arbeitszeiten. All das findet sich auch in vielen Jobbeschreibungen der Stadt Wien", sagt Veyla, warum sie gern Teil der Kampagne ist. Den Job der Content-Schaffenden empfiehlt sie, wenn sie gefragt wird, jedoch weist sie immer darauf hin, dass diese Jobwahl auch mit viel Stress verbunden ist. "Ich sage auch immer, dass man mit der Intention diesen Beruf wählen soll, wenn man Leute unterhalten möchte." Nur weil so mancher Vertreter dieser Spezies viel Geld verdiene, sollte nicht die alleinige Motivation sein.

Die Tiktokerin Sharwaschdze gibt auf ihrem Kanal Tipps für Schule und Studium.

Stress als Influencerin

Auch die Tiktokerin Sharwaschidze stimmt dieser Einschätzung zu. "Diese Branche kann sehr erfüllend sein und eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten", gibt sie zu, jedoch sei es wichtig zu beachten, dass es ein herausfordernder und "wettbewerbsintensiver Bereich" ist. In Gesprächen mit ihrer Community hat sie festgestellt, dass viele junge Menschen sehr hohe Erwartungen an ihre berufliche Laufbahn haben und im Job nach Erfüllung, Entwicklungsmöglichen und einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben streben. "Was wir jetzt auch durch die Digitalisierung miterleben, ist, dass viele junge Menschen von der Idee eines traditionellen, festen Arbeitsmodells nicht mehr so angezogen sind wie frühere Generationen." Der Wunsch nach mehr Flexibilität, Autonomie und der Möglichkeit, eigene Leidenschaften und Interessen in der beruflichen Tätigkeit auszuleben, seien Teil einer sehr spürbaren Strömung bei jungen Menschen.

Die 23-Jährige sieht sich in der glücklichen Lage, ihr Wissen über bestimmte Bereiche sehr direkt mit Menschen teilen zu können, und ist sich der Verantwortung auch bewusst. "Ich verstehe, dass meine Inhalte und Botschaften Einfluss auf meine ZuschauerInnen haben können, insbesondere auf SchülerInnen und Studierende, die sich in einer entscheidenden Phase ihrer Entwicklung befinden." Ihre Inhalte sollten deshalb immer den Anspruch haben, inspirierend und informativ zu sein. Jobsuchenden rät sie, sich vorher über die eigenen Stärken und Leidenschaften bewusst zu sein. So könne man die Suche gezielter und effektiver gestalten. Auch der Aufbau von Netzwerken sei wichtig, und wenn es nur der erweiterte Freundeskreis ist, den man kontaktiert, um über potenzielle Karrieremöglichkeiten zu diskutieren und so vielleicht von einem passenden Job zu erfahren.

Wenn es am Ende nicht mit dem Job klappt, für den man sich gut vorbereitet und emotional schon ins Herz geschlossen hat, dann solle man nicht den Kopf in den Sand stecken. "Es ergeben sich immer andere Chancen", gibt sich die Influencerin optimistisch. (Alexander Amon, Oona Kroisleitner, 23.5.2023)