Das Comeback eines bislang verlachten Konkurrenten, ein strauchelnder Riese und der Abgang eines der wichtigsten Partner: Die Zutaten für eine zunächst gut klingende Geschichte, mit der die "New York Times" vor rund einem Monat den Google-Aktienkurs ins Straucheln brachte. Die Behauptung, dass Samsung auf seinen Smartphones auf Bing als Default-Suche wechseln könnte, war es, die Anleger nervös werden ließ.

Samsung bleibt

Nun kommt, was bei nüchterner Betrachtung der Fakten eigentlich kommen musste: nichts. Samsung bleibt weiterhin der Google-Suche treu. Das berichtet das "Wall Street Journal". Die beiden Unternehmen hätten sich auf eine Verlängerung jener Verträge geeinigt, in deren Rahmen Samsung an den von den eigenen Nutzern lukrierten Werbeeinnahmen beteiligt wird.

Der Bericht der "New York Times" hatte schon bei seinem Erscheinen eine Reihe von Fragen offen gelassen. Denn was viele vergessen haben dürften: Laut den Android-Lizenzverträgen darf Samsung in den meisten Ländern gar nicht auf eine andere Default-Suche wechseln. In den restlichen – wie der EU – gibt es wiederum gar keine Default-Suchposition zu verkaufen, die Nutzer wählen beim Setup selbst aus, welche Suchmaschine sie verwenden wollen.

Die Google-Suche nimmt auch bei Samsung-Smartphones von Haus aus eine prominente Rolle ein, und daran wird sich vorerst nichts ändern.
Proschofsky / STANDARD

Eine Erklärung

Beim "Wall Street Journal" kann man nun – indirekt – mit einer Erklärung aufwarten. Es sei bei den Verhandlungen lediglich um die Suche in Samsungs schlicht "Internet" benanntem eigenen Browser gegangen – nicht um die ungleich wichtigere Default-Position am Homescreen.

Bei Samsung selbst ist man laut dem Bericht nicht davon ausgegangen, dass diese Änderung eine merkliche Auswirkung auf Google haben würde. Das liegt daran, dass Samsung Internet zwar auf den Geräten des Herstellers den Standardbrowser bildet, die meisten User aber trotzdem zu Googles Chrome greifen – wo sie erst recht wieder die Google-Suche nutzen.

Die ersten Berichte hatten noch davon gesprochen, dass Google durch einen Samsung-Wechsel auf Bing pro Jahr drei Milliarden Dollar an Einnahmen verlieren könnte, was die Märkte nervös werden ließ. Im Nachhinein betrachtet dürfte diese Zahl um ein Vielfaches zu hoch gegriffen gewesen sein – und mit der Absage des Wechsels ist das Thema sowieso obsolet.

Ein komplexes Verhältnis

Samsung und Google pflegen seit Jahren ein recht kompliziertes Verhältnis, in dem sich die Machtverhältnisse immer wieder verschieben. So ist Samsung zwar mit alleine im Vorjahr rund 260 Millionen verkauften Smartphones der wichtigste Android-Partner von Google, gleichzeitig steht man damit aber auch in einer direkten Abhängigkeit von der Software des US-Unternehmens. Versuche von Samsung, sich unabhängiger zu machen, sind über die Jahre immer wieder gescheitert.

Was die Lage noch komplizierter macht: Google forciert seit einigen Jahren zunehmend seine eigene Hardware, womit man in direkter Konkurrenz zu Samsung steht. Versüßt wird dieser Umstand Samsung allerdings damit, dass Google viele Komponenten bei dem südkoreanischen Partner zukauft, dieser also auch an den Absätzen von Pixel-Geräten sehr gut verdient. Trotzdem könnte Samsung früher oder später versuchen, hier wieder unabhängiger von Google zu werden. Schon jetzt pflegt Samsung eine enge Partnerschaft mit Microsoft und installiert viele der Apps des Windows-Herstellers auf seinen Geräten vor.

Microsoft macht Druck

Dass Microsoft den aktuellen Hype um künstliche Intelligenz (KI) ausnutzen will, um Google am bisher sehr einseitigen Suchmaschinenmarkt Konkurrenz zu machen, ist ebenfalls kein Geheimnis. So war etwa unlängst zu hören, dass Microsoft um die Default-Suchposition bei Firefox mitbieten will. Ob sich das wirklich rentiert, ist allerdings eine ziemlich umstrittene Frage. So hatte vor einigen Jahren bereits Yahoo diese Position beim Mozilla-Browser erkämpft – nur um dann feststellen zu müssen, dass die Firefox-User erst recht wieder zu Google wechseln.

Dazu kommt: So viel mediale Aufmerksamkeit Bing zuletzt durch das Thema KI auch erhalten hat, bisher schlägt sich das in den Marktanteilen nicht im Geringsten nieder. Gerade bei mobilen Geräten spielt die Microsoft-Suche weiterhin keine Rolle. Mit einem Marktanteil von gerade einmal einem halben Prozent muss sich Bing etwa in Österreich derzeit sogar dem auf Privatsphäre fokussierten Duckduckgo geschlagen geben. An den Anteilen hat sich dabei in den vergangenen Monaten praktisch nichts geändert – am Desktop übrigens ebenso wenig.

Apples Rolle

Trotzdem ist klar, dass Google einiges unternehmen wird, damit sich an dieser Situation nichts ändert. Zuletzt hat man bereits eine viel stärker mit KI-Features versehene Variante der eigenen Suchmaschinen präsentiert. Einiges an Kopfzerbrechen dürfte dem Unternehmen die nahenden Verhandlungen mit Apple machen, wo es dann tatsächlich um etwas geht: die Default-Suchposition auf iPhones, für die Google nach aktuellen Informationen mittlerweile 15 Milliarden US-Dollar hinblättert – und zwar pro Jahr. (Andreas Proschofsky, 22.5.2023)