Für die SPÖ könnte das Ergebnis der Mitgliederbefragung eine große Chance sein. Sie hätte jetzt die Gelegenheit, vieles richtig zu machen, und wenn sie das tut, kann sie FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler verhindern. Darum muss es für die Sozialdemokratie letztlich gehen. Selbst den Kanzler zu stellen. Gendern ist nicht notwendig, denn offensichtlich sind derzeit nur Männer im Rennen. Noch dazu zwei mit großem Ego, und das ist auch schon das Problem. Ein Problem von vielen.

Die Mitgliederbefragung der SPÖ hatte gute Seiten. Viele neue Mitglieder wurden gewonnen, alte wieder mobilisiert. Die Möglichkeit mitzubestimmen ist gut angekommen. Es wurden nicht nur Machtkämpfe ausgetragen, das auch, es wurde aber auch viel und sehr engagiert über Inhalte diskutiert, es wurden Positionen bezogen und argumentiert. Es war eine Bewegung spürbar, ein Aufbruch. Ein Wollen. Das hat der SPÖ zweifellos gutgetan. Die Partei wurde wachgerüttelt.

Der Konflikt zwischen Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner wurde offen angesprochen und ausgetragen, anstatt weggeschoben. Aus dem hinterhältigen Hacklwerfen wurde eine offene Auseinandersetzung. Mit Andreas Babler betrat zudem ein neuer Herausforderer die Arena. Da wurden viele Konfliktlinien sichtbar: Wien gegen Länder, links gegen rechts, jung gegen alt. Und dass die SPÖ ein Frauenproblem hat, wurde auch greifbar. Aus all dem kann man etwas lernen.

Eindeutige Sieger sehen anders aus: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.
Heribert Corn

Dass es in der SPÖ unterschiedliche Strömungen und Zugänge gibt, war kein Geheimnis. Das muss nicht nur ein Nachteil sein und Konflikt bedeuten, das kann man auch zu einem Vorteil gestalten. Die unterschiedlichen Positionen können einander ergänzen, sie zeigen die Bandbreite der Partei, daraus kann man Kraft schöpfen.

Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit

Jetzt ginge es darum, aufeinander zuzugehen, aus den Fehlern zu lernen, die diskutierten Positionen abzusichern, den Schwung mitzunehmen.

Von einem Miteinander ist man in der SPÖ aber meilenweit entfernt.

Es gab viele Verletzungen und Kränkungen, das rächt sich jetzt. Es wurden auch Machtverhältnisse umgedreht oder zumindest infrage gestellt. Die Machtposition der Wiener wurde ausgehebelt. Der Unmut vieler Funktionäre gegen die Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit der leitenden Genossinnen und Genossen in der Bundeshauptstadt wurde manifest. Auch im Ergebnis: Pamela Rendi-Wagner, die Kandidatin der Wiener und des Partei-Establishments, ist durchgefallen. Sie kam nur auf den dritten Platz, wenn auch knapp. Aber Rendi-Wagner hat im Abgang Größe, sie akzeptiert das Ergebnis.

Andreas Babler tut das nicht.

Babler und Doskozil, das könnte ein starkes und schlagkräftiges Team in der Sozialdemokratie sein, das die unterschiedlichen Lager repräsentiert und zusammenführt. Das wird es so allerdings nicht geben. Stattdessen: Babler gegen Doskozil. Und die Wiener mischen kräftig mit, sie zündeln gegen Doskozil. Nicht weil sie Babler so toll finden und von ihm überzeugt sind, sondern weil sie den Burgenländer verhindern wollen.

Rendi-Wagners Unterstützer können sich mit ihrer Niederlage nicht abfinden. Das vertieft die Gräben in der Sozialdemokratie und bekräftigt die Vorurteile, an denen die Partei laboriert. Die Neidgenossen erfüllen gerade ihr eigenes Klischee. Und sie machen Kickl zum Kanzler. (Michael Völker, 23.5.2023)