Die Zahl der Beschuldigten ist nach der Großrazzia im vergangenen Jahr auf 63 gestiegen.
Marijan Murat / dpa / picturedes

Berlin – Die Zahl der Beschuldigten rund um die Großrazzia in der deutschen Reichsbürger-Szene im Dezember 2022 ist auf 63 gestiegen. Dazu zählen drei am Montagabend festgenommene Verdächtige aus den Bundesländern Baden-Württemberg und Niedersachsen, wie ein Sprecher der deutschen Bundesanwaltschaft am Dienstag sagte. 24 Männer und Frauen aus der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß als einen der mutmaßlichen Rädelsführer sind demnach in U-Haft.

Über Haftbefehle bei zwei der jüngst Festgenommenen sollten Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof voraussichtlich noch am Dienstag entscheiden. In einem Fall war das schon am Montag geschehen, der Mann kam ins Gefängnis. Nach Angaben der obersten Anklagebehörde in Deutschland waren am Montag eine Frau im Bodenseekreis, ein Mann im Landkreis Freudenstadt sowie ein Mann im Landkreis Harburg festgenommen worden. Dem Trio werde so wie den meisten der Beschuldigten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, so die Bundesanwaltschaft. Einigen der vorwiegend deutschen Staatsbürger wirft die Behörde statt Mitgliedschaft nur Unterstützung vor.

Der kürzlich festgenommenen Frau werde vorgeworfen, sich seit Mai 2022 in der Vereinigung engagiert zu haben. So habe sie sich auch am sogenannten Rat beteiligt. Der Rat habe zum Ziel gehabt, die bestehende Staatsordnung über den Haufen zu werfen. Die neue staatliche Ordnung in Deutschland habe mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandelt werden sollen. Spätestens im November 2022 habe die Frau Kontakt zu einem Generalkonsul der Russischen Föderation gesucht und ihn danach zweimal getroffen. "Die Gespräche sollten dazu dienen, Unterstützung für das Handeln der Vereinigung zu erhalten."

Übernahme von früherer Kaserne geplant

Der in Niedersachsen festgenommene Mann soll der terroristischen Vereinigung rund 140.000 Euro gegeben und sich an Treffen zur Anwerbung von Mitgliedern und Sponsoren beteiligt haben. Der dritte Verdächtige soll eine führende Rolle in einer sogenannten Heimatschutzkompanie gehabt und mit Mitbeschuldigten die Übernahme einer ehemaligen Kaserne geplant haben. Darüber hinaus hieß es: "Ihm kam die Aufgabe zu, Personal für seinen Zuständigkeitsbereich zu gewinnen und dieses militärisch auszubilden."

Zuvor hatten der "Spiegel" sowie die ARD über die Festnahmen berichtet. Nach "Spiegel"-Informationen handelt es sich bei der Festgenommenen um eine Frau, die bei der deutschen Bundestagswahl 2021 erfolglos für die Partei Die Basis kandidiert hatte.

Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter zweifeln die Legitimität der deutschen Bundesrepublik an. Der deutsche Verfassungsschutz geht von rund 23.000 Menschen aus, die dieser Szene angehören. Ähnliche Bewegungen gibt es in anderen Ländern, in Österreich sind sie als Staatsverweigerer bekannt.

Umsturz durch Waffengewalt

Im Dezember waren bei einer Razzia 25 Verdächtige in Deutschland, Österreich und Italien festgenommen worden, darunter frühere Offiziere, Polizeibeamte und eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete. Weitere Beschuldigte gerieten anschließend ins Visier. Die Einsatzkräfte stellten unter anderem zahlreiche Waffen sicher. Ein in Tirol festgenommener deutscher Starkoch wurde nach seiner Auslieferung an Deutschland auf freien Fuß gesetzt.

Die Gruppe soll vorgehabt haben, das politische System in Deutschland mit Waffengewalt zu stürzen und eine neue Regierung zu installieren. Es habe einen militärischen Arm gegeben, der Waffen beschaffen sollte. Die Beteiligten hätten auch Tote in Kauf genommen. (APA, red, 23.5.2023)