Das Konzept von "Pay2Win" ist unter vielen Gamern verpönt. Mit Mikrotransaktionen können sich viele mittlerweile anfreunden, solange es um rein kosmetische Inhalte wie Skins geht oder freigeschaltete Features nur dem Komfort dienen, aber keinen Einfluss auf den Spielerfolg haben.

Dementsprechend gehen einige Spielehersteller einen anderen Weg. Neue Teilnehmer schon kurz nach dem Start ihrer "Karriere" in ihrem Game dazu aufzufordern, Premiumwährung oder mächtige Items zu kaufen, dürfte sich als zu abschreckend erwiesen haben, um genug zahlungswillige Spielerinnen und Spieler bei der Stange zu halten. Dementsprechend selten findet man mittlerweile solch "frontal" implementierte Angebote.

Wie es schlauer geht, zeigen andere Spiele. Als Beispiele bieten sich hier etwa das kartenbasierte Autobattle-Game "Clash Royale" sowie das Mittelalter-Fantasy-MMO "Albion Online" an. Beide Titel haben ein großes Publikum. "Clash Royale" kommt laut aktuellen Schätzungen auf eine Spielerbasis von 17 Millionen und über eine Million täglicher Teilnehmer. In "Albion" tummeln sich gut 4,6 Millionen User, insgesamt, davon täglich bis zu 130.000 gleichzeitig. Im April meldeten die Entwickler selber sogar 300.000 gleichzeitige Spieler, kurz nachdem man einen zweiten Server in Betrieb genommen hatte.

Eines vorweg: Beides sind im Kern eigentlich keine schlechten Spiele. Doch der schleichend aufgebaute Druck, Geld für Erfolg zu investieren, trübt diesen Eindruck mit der Zeit deutlich.

Solides Spielsystem ...

"Clash Royale" ist schnell erklärt. Spieler treten in einer Arena gegeneinander an, in der sie Einheiten, Gebäude und Zauber per Karten aus einem selbst zusammengestellten Deck auf dem Spielfeld platzieren. Dort agieren diese dann selbständig. Karten haben unterschiedlich hohe Ausspielkosten (Essenz), die ebenfalls mit bestimmten Karten beeinflusst werden kann. Ziel ist es, den gegnerischen Hauptturm zu zerstören.

Und das funktioniert gut und macht Spaß. Es gibt eine breite Auswahl an Karten, was es ermöglicht, sich Decks mit unterschiedlichen Strategien und Synergien zusammen zu bauen. Dazu kommt "Risikomanagement", weil die Abfolge der Karten zu Beginn der Partie zufällig festgelegt wird. Dazu kommt die Herausforderung, schnell im Eifer des Gefechts zu agieren und reagieren. Mit diesem Rezept wurde das 2016 gestartete Spiel groß, noch bevor Games wie "Autochess" oder "Teamfight Tactics" das Feld betraten.

... wären da keine Kartenlevels

Die Crux liegt aber letztlich im Levelsystem. Die verschiedenen Karten lassen sich sammeln und leveln aber einer gewissen Anzahl auf. Die notwendige Kartenmenge für das nächste Level-up nimmt allerdings exponentiell zu. Die jeweilige Einheit oder Gebäude bekommen für jeden Aufstieg Verbesserungen, etwa mehr Lebenspunkte, Schaden, Produktions- oder Bewegungsgeschwindigkeit. Auch als Spieler kann man aufleveln, was Boni für die eigenen Türme bringt.

Weil die Unterschiede von Level zu Level klein und die Progressionsgeschwindigkeit zu Beginn flott ist, fällt das nicht stark ins Gewicht. Kämpfe zwischen Spielern auf gleichem Level oder mit einer Stufe Unterschied sind oft fordernd, aber erscheinen noch nicht unfair.

Das ändert sich mit fortgeschrittener Spielstufe, wenn man schon etliche Stunden in das Game versenkt hat. Ein Spieler, der ein Level über einem selbst ist, verfügt oft über spürbar stärkere Karten, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, auf jemanden zu treffen, der das Game schon deutlich länger spielt oder bereit war, Geld in die Hand zu nehmen. Selbst auf gleicher Stufe können sich drastische Unterschiede ergeben. Statt dass das eigene Können zum begrenzenden Faktor für weiteren Aufstieg in höhere Ränge wird, ist es das Level der eigenen Karten.

Der Drang der Zeit

Dass man bereits viel Zeit in das Spiel gesteckt hat, erhöht die Wahrscheinlichkeit, diese Schieflage hinzunehmen und gegebenenfalls selbst echtes Geld in "Clash Royale" zu stecken. Das Phänomen ist mit der "Sunk Cost Fallacy" verwandt. Wie die meisten Free2Play-Games gibt es eine Premiumwährung – Edelsteine –, mit der man Kartensets kaufen kann, weil sie entweder nur so erhältlich sind oder das erspielte Ingame-Vermögen an Non-Premium-Währung (Gold) nicht ausreicht. Die Auswahl an Karten, die sich gezielt kaufen lassen, ist auf eine tägliche Auswahl begrenzt, wer auf die letzten Karten fürs Upgrade einer bestimmten Einheit hofft, muss sich oft auf den Zufall verlassen. Wer nicht die Geduld hat, kriechend langsame Fortschritte in Kauf zu nehmen, bis man sich die Verbesserungen erspielt hat, wird so sanft gezwungen, Geld in die Hand zu nehmen.

Clash Royale Official Epic Comeback Trailer
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Erst wenn man eine Karte auf ihr maximales Level gebracht hat – was sehr lange dauert – fällt dieser Aspekt raus. Doch es gibt einen weiteren Hebel. Nicht nur erscheinen immer wieder neue Einheiten, sondern es gibt auch regelmäßig Balancing-Patches, bei denen Werte verschiedener Karten angepasst werden. Ein Deck, das bis dahin sehr zuverlässig "funktioniert" hat, kann damit auf einmal stark abgewertet werden. Um auf diese Änderung der sogenannten "Meta" zu reagieren, muss man umbauen und hat damit potenziell wieder neue Karten in der Hand, die erst noch aufgelevelt werden müssen.

Gemütlicher Einstieg

Einer ähnlichen Methode hat man sich beim MMO "Albion Online" verschrieben, das ebenfalls kostenlos spielbar ist. Mit sehr wenigen Einschränkungen kann man hier alles machen, ganz ohne Premiumabo oder -währung. Wer ein Abo abschließt, erhält allerdings Boni, etwa in Form von höherer Ressourcenausbeute beim Abbau von Rohstoffen.

Das allein wäre nicht unbedingt ein Beinbruch. Ingame-Geld lässt sich relativ flott erwirtschaften und dieser Unterschied damit etwas wettmachen. Für viele Spielstunden genießen zahlende Abenteurerinnen und Abenteuer also nur etwas schnellere Progression. Der Knackpunkt lauert hier, wenn es um PvP-Kämpfe (Spieler gegen Spieler) geht. Die beiden Kontinente sind aufgeteilt in Regionen verschiedener Stufen. Diese definieren auch, welche Ressourcen dort verfügbar sind und welches Level Computergegner haben.

Wichtiger aber: in Regionen mit Stufe eins bis vier gibt es, mit einer speziellen Ausnahme, keine Spielerkämpfe. In Stufe fünf – bis man in solchen Gebieten sinnvoll mitspielen kann, dauert es zehn oder mehr Spielstunden – kann man von anderen Spielern auch so angegriffen werden. Sofern man sich nicht selbst als "bereit" für PvP markiert hat, verliert das Gegenüber allerdings Reputation, was Nachteile beim Handel in Städten und anderen Aspekten mit sich bringt.

Der Ärger beginnt mit PvP

Ab Zone sechs kann jeder jeden angreifen und den bezwungenen Gegner dann sämtliche Gegenstände abnehmen – einzig sein Silber kann nicht gemopst werden. Am Startkontinent (Royal Continent) sind diese Zonen rot markiert, es gibt also nach wie vor einen Reputationsmalus. Wer in die zentrale Stadt der Landmasse, Caerleon, will, um an deren potenziell lukrativen Schwarzmarkt zu handeln, muss zwangsläufig mindestens zwei rote Zonen durchqueren und riskiert den Verlust seiner Ausrüstung.

Und dann gibt es auch noch schwarze Zonen. In diesen gibt es volles PvP ohne Reputationssystem. Diese gibt es am Royal Continent nicht, doch der zweite Kontinent, die wesentlich größeren "Outlands" besteht ausschließlich aus solchen. Einzig die Stadtgebiete sind dort als "Safezones" ausgewiesen.

Albion Online Trailer
Albion Online

Wer die hochwertigsten Ressourcen sammeln und die ergiebigsten Dungeons besuchen möchte, muss sich also auf das Recht des Stärkeren einlassen. Nachdem auch hier die Progression von Level zu Level langsamer wird, begegnen neuere Spieler dabei regelmäßig Widersachern, denen sie hoffnungslos unterlegen sind. Die einzigen Maßnahmen, die einigermaßen Sicherheit gewährleisten können, sind der Anschluss an eine Gilde – und Echtgeld.

Ersteres ermöglicht es, in Risikogebieten nach Möglichkeit als Gruppe zu reisen. Letzteres erleichtert es, an Ingame-Geld zu kommen, um sich an den Märkten in den Städten mit der bestmöglichen Ausrüstung auszustatten und gleichzeitig für Einzelreisen eine günstige Zweitausstattung zu pflegen. Und idealerweise reicht das Kapital dann auch noch, diese Sets nachzukaufen, falls ein Ausflug in rote oder schwarze Zonen doch im Desaster endet. Denn mit echtem Geld lässt sich nicht nur ein Premiumabo abschließen, sondern auch die Premiumwährung Gold kaufen.

"Sanfter" Druck zum Geldausgeben

Diese kann man wiederum zu einem gemäß der aktuellen Marktlage (die Ingame-Ökonomie wird großteils von den Spielerinnen und Spielern selbst gelenkt) fluktuierenden Kurs in Silber umsetzen, allerdings mit einem Tageslimit. Auch der umgekehrte Weg ist möglich, wenn man spekulieren möchte. "Albion" muss man zugestehen, dass man auch Premium-Zeiten für Ingame-Silber erwerben kann. Die notwendigen Summen sind für Abenteurerinnen und Abenteurer niedrigeren Levels und solchen, die nicht täglich Stunden in das Spiel investieren können oder wollen, kaum und definitiv nicht regelmäßig leistbar.

Wer die komplette Welt und die Inhalte des Games in vollem Umfang erkunden möchte, verspürt damit einen gewissen Druck, echtes Geld auszugeben. Auch hier wirken im Hintergrund die bereits investierte Spielzeit und erzielten Errungenschaften, die man bei einem Ausstieg gefühlt "verlieren" würde. Das Risiko des Itemverlusts bestünde freilich auch ganz ohne Pay2Win-Elementen – allerdings unter gleichen Bedingungen für alle.

Bei "Albion" bleibt immerhin die Option, sich mit dem Status quo abzufinden und weiter vorwiegend am Startkontinent zu spielen. Bei "Clash Royale" führt der "Gratisweg" hingegen früher oder später praktisch immer ans Limit des Kartendecks. In beiden Fällen ist es schade und wäre für die Finanzierung der Games vielleicht auch gar nicht nötig. Auch kleinere Spiele schaffen es, sich über Season Passes, kosmetische Items und anderen Offerten für Echtgeld zu finanzieren. Ganz ohne Möglichkeit, sich Überlegenheit kaufen zu können. (gpi, 30.5.2023)