Wie wär's, wenn alle Verantwortlichen an diesem Debakel in der SPÖ zurücktreten und einer völlig neuen Führung, völlig neuen Kandidaten für den Bundesvorsitz Platz machen?

So einen Pallawatsch muss man einmal zusammenbringen – eine Mitgliederbefragung, an die sich keiner halten will, wo die Spielregeln ständig geändert werden (sollen); ein Ergebnis, das nur wenige überzeugt, und etliche, darunter die großmächtige Wiener Partei, die den knappen "Sieger" Doskozil noch unbedingt verhindern wollen; ein zweiter Sieger, der nicht aufgeben will? Gut, der kollektive Rücktritt und völlig neue Kandidat(innen) sind wohl nicht drin. Die Agonie der SPÖ dauert an. Wie immer das ausgeht, es ist ungeklärt, wie die SPÖ wieder "Wahlen gewinnen" und den Kanzleranspruch stellen kann, Dinge, von denen Hans Peter Doskozil wie auch Andreas Babler ununterbrochen reden.

Will im SPÖ-Führungsstreit nicht so einfach aufgeben: der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler.
Heribert Corn

Doskozil wie Babler werden daran gemessen werden, wie sie mit der größten Gefahr fertig werden, die sowohl der Sozialdemokratie wie der Demokratie an sich droht: dem Rechtspopulismus und dem gesellschaftlich anerkannten Rechtsextremismus.In Europa und ganz besonders in Österreich drohen Rechtsextremisten, die sich populistisch geben, die Macht zu übernehmen. Und anschließend den Staat in Richtung Autokratie umzubauen.

Die in großen Teilen rechtsextreme FPÖ wird von der weit nach rechts gerutschten ÖVP in einer Mischung aus Furcht, Schwäche und heimlicher Sympathie gerade eben wieder als regierungsfähig erklärt. Am Ende steht dann ein anderes, ein ungutes Kickl-Österreich. In Wirklichkeit ist auch die ÖVP in einer schlimmen Verfassung. Sie hat die bürgerliche Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus über Bord geworfen und sucht nach den eigenen, alten Werten. In Wahrheit müsste es auch in der ÖVP eine Grundsatzdebatte geben.

Regionalmachiavellismus

Aber jetzt geht es einmal um die SPÖ und das Personal, das sie aufzubieten hat. Haben sie dem Rechtspopulismus/Rechtsextremismus was entgegenzusetzen?

Doskozil ist ein Ex-Polizist mit typischen sozialdemokratischen Neigungen zum Staatsinterventionismus. Große Wirtschafts-und Außenpolitik? Eher mager. Vor allem aber neigt er zu einem burgenländischen Regionalmachiavellismus, der jedoch nicht wirklich aufgeht. Siehe die jetzige Situation. Viele in der SPÖ (und außerhalb) vertrauen ihm einfach nicht.

Babler ist der sozialdemokratische, um nicht zu sagen sozialistische Volkstribun, prononciert links – und ist "an den Gremien" vorbei nach oben gezischt. Er traut sich was. Große Wirtschafts- und Außenpolitik: na ja. Mit 38 Jahren war er noch für den EU-Austritt.

"Die Aufgabe wäre, die "kleinen Leute" von der FPÖ wieder zurückzuholen."

Können die beiden Kanzler? Wahrscheinlich so gut wie ein Karl Nehammer oder Sebastian Kurz, könnte man sagen. Nur müsste da schon mehr vorhanden sein, um die Sozialdemokratie aus ihrer tiefen Desorientierung zu holen. Die SPÖ hat die tiefgreifende soziokulturelle Veränderung nicht bewältigt. Die alte Arbeiterklasse ist geschrumpft, die neue, massiv migrantisch, darf zu einem sehr großen Teil nicht wählen. Die Aufgabe wäre, die "kleinen Leute" von der FPÖ wieder zurückzuholen. Die Aufgabe wäre, Kickl aufzuhalten. Können die das? Kann die SPÖ das? So eher nicht. (Hans Rauscher, 23.5.2023)