Krabbelstube St. Anna im Mühlkreis, Oberösterreich, Kinderkrippe, Kind fährt auf einem Bobbycar, Kindergarten
Die Krabbelstube St. Anna ist eine Kooperation von vier Gemeinden. 27 Kinder werden hier betreut.
Florian Voggeneder

Madlen weiß, wie sie sich Gehör verschaffen kann. Die Zweijährige stapft in die Küche der Krabbelstube St. Anna in Lembach im Mühlkreis und schaut sich um. "Wo ist der Alois?" Hier in der Küche ist er nicht. Vielleicht backt er in einem anderen Raum gerade Kuchen aus Plastilin oder lässt sich aus einem Kinderbuch vorlesen. Anders gesagt: Er genießt die vielfältigen Angebote, die Kinder in der modernen Krabbelstube bekommen. Die heute selbstverständlich, aber eigentlich noch gar nicht so alt sind.

Die Krabbelstube St. Anna ist ein Vorzeigeprojekt. Insgesamt werden hier 27 Kinder im Alter von ein bis drei Jahren in zwei Gruppen betreut. Das Besondere: Das Projekt, das von der Caritas Oberösterreich getragen wird, entstammt einer Kooperation aus vier Gemeinden. Keine von ihnen hätte es allein stemmen können. Darüber hinaus konnten im Mühlkreis sämtliche Vorbehalte gegen die frühkindliche Kinderbetreuung abgebaut werden. Wenn man ein Beispiel sucht, wie der mühsame Ausbau der Kinderbetreuung im ländlichen Bereich ausschauen könnte, Lembach wäre ein Kandidat dafür.

Großer Andrang

"Angebot schafft Nachfrage", sagt Nicole Leitenmüller. Die Bürgermeisterin (ÖVP), seit 2020 im Amt, ist oft hier, die Kinder kennen sie. Madlen springt auf ihren Schoß, vergisst ihre Suche nach Alois und greift zu einem Spielzeugauto. Zwar habe es im Ort Zweifel gegeben, ob es so etwas wirklich brauche, sagt Leitenmüller. "Als wir dann aber ausgeschrieben haben: Wir bauen die Krabbelstube, zwei Gruppen sind fix genehmigt, sind die Eltern in Scharen zu uns gekommen." Man habe sogar zehn Kinder abweisen müssen.

Krabbelstube St. Anna, Kinder lesen mit der Betreuerin Bücher in der Kuschelecke
Von 7 bis 12.30 Uhr bleiben die Kinder in der Krabbelstube.
Florian Voggeneder

Die Krabbelstube ist recht einfach gehalten. Es gibt einen Garten und zwei große, baugleiche Räume – einer für die grüne, einer für die rote Gruppe –, die durch einen circa zehn Meter langen Gang verbunden sind. Dort, zwischen Garderoben und Stiefelregal, flitzt immer ein Kind herum, sei es auf dem Bobby-Car oder dem Dreirad. Die Krabbelstube ist Teil des Lembacher Kinderbildungscampus: In direkter Nachbarschaft befinden sich der Kindergarten und mehrere Schulen.

Lembach, Putzleinsdorf, Niederkappl, Hörbich. Das sind die vier Gemeinden, die sich für den Bau der Krabbelstube zusammengetan haben. "Wir waren auf dem Sprung zu einer zweiten Gruppe, in den anderen Gemeinden war man auf dem Sprung zu einer", sagt Leitenmüller. "Da haben wir gesagt: Machen wir das doch gemeinsam." Das ergibt Sinn, auch finanziell: Das Land Oberösterreich unterstützt solche Gemeindekooperationen besonders. Beim Bau kam man auf eine Förderquote von 90 Prozent, was eine einzelne Gemeinde nie geschafft hätte.

Bürgermeisterin Nicole Leitenmüller und Krabbelstuben-Leiterin Tina Haugeneder
"Angebot schafft Nachfrage", meint Bürgermeisterin Nicole Leitenmüller. "Auch bei der Öffnungszeit", sagt Leiterin Tina Haugeneder (li.).
Florian Voggeneder

Die Krabbelstube St. Anna ist eine moderne Einrichtung, in der viel mit Naturmaterialien gearbeitet wird. Ein typischer Tag schaut folgendermaßen aus: Von 7 Uhr bis 8.30 Uhr werden die Kinder gebracht. Dann gibt es einen Morgenkreis, Spielzeit, Jause, wieder Spielzeit. Zwischen 11 Uhr und 12.30 Uhr werden die Kinder abgeholt. Je nachdem, ob sie in der Gruppe zu Mittag essen oder nicht. "Unsere Öffnungszeiten richten sich nach dem Bedarf der Eltern", sagt Tina Haugeneder, Leiterin der Krabbelstube. "Wenn sich fünf Eltern melden, die sagen, wir brauchen einen Nachmittag, stellen wir diesen zur Verfügung." Regelmäßig würden Bedarfserhebungen durchgeführt. Die Nachfrage nach Nachmittagsbetreuung sei im Moment noch nicht ausreichend gegeben.

Protest der Mütter

Wobei man wissen muss, dass "Bedarf" auch wirklich "Bedarf" heißt: In die Krabbelstube kommen nur Kinder, bei denen alle erziehenden Elternteile berufstätig – oder zumindest arbeitssuchend – sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, was vor allem bei einer erneuten Karenz der Mutter vorkommt, müssen die Kinder ihre Gruppe verlassen. Das ist vom Träger, also der Caritas, so vorgegeben.

Die Geschichte der Betreuung für unter Dreijährige in Lembach beginnt im Jahr 2017. Damals ist die Welt in Lembach mit seinen knapp 1500 Einwohnern noch ein bisschen eine andere. "Am Anfang wurde das im Gemeinderat schon hinterfragt", sagt Leitenmüller. Lembach sei eine ländlich geprägte Gemeinde, wo es im familiären Umfeld meist noch Betreuungspersonal gebe. "Da war für die Notwendigkeit, ein Einjähriges in eine Betreuungseinrichtung zu geben, nicht immer Verständnis da."

Die Veränderung kommt langsam, aber stetig. Junge Familien geben der Gemeinde zu verstehen, dass sie ohne Kinderbetreuung wegziehen würden. Eine Gruppe von zehn Mamas schiebt sogar die Kinderwägen zum Gemeindeamt und sagt dem damaligen Bürgermeister: Wenn wir keine Krabbelstube bekommen, stellen wir das Kind mit dem Kinderwagen da ab. Die Message kommt an. 2017 wird im Pfarrheim die erste Krabbelgruppe eröffnet.

Krabbelstube St. Anna, Mädchen springt auf eine Matte mit Kissen, Kindergarten
In der Krabbelstube gibt es für die Kinder viele Möglichkeiten zum Toben.
Florian Voggeneder

Danach lösen sich Vorbehalte schnell auf. Immer, wenn es das Wetter zulässt, gehen die Pädagoginnen mit den Kindern auf einen Spaziergang durch Lembach. Die Bevölkerung sieht: Wer sein einjähriges Kind dort hinbringt, braucht keine Angst zu haben, als "Rabenmutter" abgestempelt zu werden. Als glücklicher Umstand erweist sich, dass das Pfarrheim und die Kirche denselben Eingang haben. So kommen die Kinder in Kontakt mit den "Kirchendamen" – ältere Frauen, die stark in die Pfarrgemeinde eingebunden sind –, wie es sie auf dem Land noch oft gibt. Und wer die auf seiner Seite hat, der hat schon viel gewonnen.

Im Herbst 2022 wird schließlich die Kooperationskrabbelstube im Neubau auf dem Kinderbildungscampus eröffnet. Die hohe Förderquote ist beeindruckend, täuscht aber ein wenig darüber hinweg, dass so eine Einrichtung für die Gemeinden trotzdem ein hoher finanzieller Aufwand ist. In Lembach zahlen die Familien einen sozial gestaffelten Beitrag, der sich größtenteils zwischen 80 und 100 Euro einpendelt. Pro Kind muss die Gemeinde 4500 Euro im Jahr zuschießen. Zwölf bis 13 Prozent des frei verfügbaren Haushalts fließen dorthin, Tendenz steigend. "Es ist wichtig für uns, dass es das Projekt gibt", sagt Leitenmüller. "Es stellt uns aber auch vor finanzielle Herausforderungen."

Es werden mehr

Bildungslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) möchte Oberösterreich zum "Kinderland Nummer eins" machen. Aktuell hinkt man anderen Bundesländern eher noch hinterher, zumindest bei der frühkindlichen Betreuung. Knapp ein Fünftel der unter dreijährigen Kinder hat einen Platz in einer Krabbelstube, österreichweit sind es etwa 30 Prozent. Projekte wie in Lembach kommen da gerade recht: Zum Anlass der Eröffnung rief Haberlander nicht nur die Gemeinden auf, ähnliche Anträge einzureichen. Sondern verwies auch darauf, dass Eltern da durchaus Druck ausüben dürften.

Tatsächlich läutet bei Haugeneder und Leitenmüller immer wieder das Telefon, weil sich Kollegen informieren wollen, wie das denn so läuft, sowohl pädagogisch als auch finanziell. "Bei uns gibt es keine Diskussion mehr, dass es so ein Angebot braucht", sagt Leitenmüller. Die Gemeinde hat beim Ankauf des Geländes schon so weit gedacht, dass man die Krabbelstube mit ihren zwei Gruppen noch einmal spiegeln könnte. Im Herbst 2023 startet aber erst einmal eine dritte Gruppe. Diesmal wieder im Pfarrheim. (Jonas Vogt, 25.5.2023)