Die Arbeiterkammer fordert sie, der SPÖ-Vorsitzkandidat Andreas Babler setzt sich für sie ein, und die Salzburger KPÖ hat unter anderem ihr einen unerwarteten Wahlerfolg zu verdanken: Die Arbeitszeitverkürzung, meist in Form der Forderung nach einer 32-Stunden-Woche, ist in aller Munde.

Radfahrer, Rapsfeld, Vier-Tage-Woche, Freizeit
Am freien Freitag kann man beispielsweise eine Radtour machen.
IMAGO/Jochen Eckel

Unabhängig von politischen Vorstößen – und rabiatem Widerstand dagegen, wie ihn Teile der Arbeitgeberschaft formulieren, etwa die Industriellenvereinigung (IV) – tut sich hinsichtlich der Arbeitszeit aber auch etwas auf betrieblicher Ebene: Einzelne Unternehmer wollen keine etwaigen Gesetzesreformen abwarten, sondern führen die kürzere Woche schon einmal autonom ein. Warum? Und wie sind die Erfahrungen damit?

"Wir wollen vorne dabei sein"

Wien, Universitätsring. Hier hat das Recruting-Unternehmen epunkt seinen Sitz. Geschäftsfeld: anderen Unternehmen dabei zu helfen, die richtigen Personen für ihre offenen Jobs zu finden, hauptsächlich in Führungspositionen oder etwa im IT-Bereich. 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten bei epunkt; es ist eines der größten Unternehmen seiner Art in Österreich.

Vergangenen Herbst entschloss sich das Management, es mit der Einführung einer 34-Stunden-Woche zu versuchen – bei vollem Lohnausgleich, also ohne Gehaltseinbußen. "Jedes Unternehmen muss sich mit diesem Thema auseinandersetzen", sagt die Geschäftsführerin Andrea Bertl. "Wir wollen vorne dabei sein."

Der Hintergrund war eine "Auftragsflut" im Gefolge der nachlassenden Corona-Krise im Jahr 2022, erzählt Bertl. Es galt, rasch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden – und überdies jene, die bereits da waren, nicht zu verlieren. "Wir brauchten etwas, das als Kleber und Magnet gleichermaßen funktioniert", sagt Bertl. Also entstand die Idee mit der kürzeren Arbeitswoche.

Freitag ist nicht immer frei

Mit einem einigermaßen gefinkelten Modell versucht das Unternehmen seither, den Plan in die Tat umzusetzen. Konkret: Der Freitag ist bei epunkt frei. Im Normalfall. Die Mitarbeiter sind nämlich angehalten, gleich viel zu arbeiten wie zuvor, was beispielsweise an der Anzahl von Kundengesprächen mitverfolgt werden kann. Wer will – oder auch muss, weil er das Plansoll nicht erfüllt –, arbeitet also weiterhin am Freitag. Aber: "Für den überwiegenden Teil unserer Mitarbeiter geht sich das gut aus."

"Die Mitarbeiter lieben es": Andrea Bertl, Co-Geschäftsführerin der Personalberatung epunkt, hat die Viertagewoche eingeführt.
epunkt

Damit das möglich ist, wurden in der – kürzeren – Arbeitswoche Zeitfresser identifiziert, zum Beispiel überlange Sitzungen oder allzu häufig stattfindende Jours fixes. Hier werde nun Zeit eingespart und so wertvolle Minuten gewonnen, erzählt Bertl. "Aber das war gleich eine der ersten Lehren, die wir bei unserem Experiment gezogen haben: Von selbst geht das alles nicht. Es ist ein Weg, den man begleiten, bei dem man an unterschiedlichen Prozessen schrauben muss."

In mancherlei Hinsicht wurde das Experiment bisher jedenfalls zum vollen Erfolg. "Die Mitarbeiter lieben die Viertagewoche", sagt Bertl. 96 Prozent hätten erklärt, sie beibehalten zu wollen. 79 Prozent der Belegschaft geben an, dennoch ausreichend zum Pausieren zu kommen, auch wenn die Woche kürzer und dichter geworden ist. Und da wäre zuletzt die Frage der Bewerbungsanzahl und der Fluktuation: Letztere hat sich um ganze zwei Drittel reduziert; Erstere hat sich gar verdoppelt. Alle Zahlen deuten klar darauf hin, dass die Viertagewoche bei den Mitarbeitern ausnehmend gut ankommt.

Zahl der Bewerbungen verdoppelt

Dennoch gibt es auch manche Nachteile. Beispielsweise zeigt sich, dass die Leistungen der Mitarbeiter im Durchschnitt in den vergangenen Monaten leicht zurückgegangen sind. Das mag an vielen unterschiedlichen Faktoren liegen, betont Bertl, unter anderem daran, dass sich der Post-Corona-Boom in den vergangenen Monaten gehörig abgeflacht hat. "Aber auch die Viertagewoche hat wohl einen kleinen Anteil daran." Ganz so viel wie in fünf Tagen lässt sich in vier Tagen dann offenbar doch nicht bewerkstelligen.

Trotzdem, "wir sind sehr zuversichtlich, dass wir dabei bleiben werden", konstatiert Bertl, deren Experiment seit nunmehr einem halben Jahr läuft. "Aber mit hundertprozentiger Sicherheit vermag ich es nicht zu sagen." Interesse hinsichtlich der Viertagewoche ortet epunkt jedenfalls auch bei anderen Unternehmen: Im Sommer 2021 führte man eine Umfrage durch und befragte zu diesem Zweck 236 Unternehmen. 83 Prozent von ihnen gaben an, dass sie sich die Viertagewoche mit kürzeren Arbeitszeiten ebenfalls vorstellen können. (Joseph Gepp, 26.5.2023)