Fast 4000 Stellungnahmen zum ORF-Gesetz gab es auf der Parlamentsseite bis Mittwochnachmittag. Die meisten dokumentierten die entschiedene Ablehnung von Bürgerinnen und Bürgern gegen den ORF-Beitrag von allen Haushalten ab 2024. Ausnahme: schon bisher befreite, besonders Einkommensschwache.

525.000 Haushalte und 100.000 Firmen mehr als bisher die GIS sollen künftig den ORF-Beitrag zahlen, erwarten Kanzleramt, Finanzministerium und ORF.

Bis Donnerstag läuft noch die Begutachtungsfrist für Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf von ÖVP und Grünen. Einige ernste Bedenken gegen die Neuregelung und Forderungen lagen schon am Mittwoch vor.

ORF
Der ORF bekommt ab 2024 einen Beitrag von allen - aber seine Aufgaben erscheinen dem Rechungshof zuwenig geklärt.
APA/Eva Manhart

Rechnungshof fehlen ORF-Ziele

Der Rechnungshof hat sehr grundlegende Einwände: Zwar werde die Finanzierung des ORF neu geregelt, nachdem der Verfassungsgerichtshof die GIS aufgehoben hat. Aber: "Die umfangreichen gesetzlichen Änderungen wurden jedoch nicht genutzt, um die grundsätzliche Frage nach den wesentlichen Inhalten und Formaten eines öffentlich-rechtlichen ‚Programmauftrags‘ klarzustellen. Dies inkludiert auch Kosten/Nutzen-Überlegungen insbesondere vor dem Hintergrund von Zielgruppenanalysen."

Die staatlichen Prüfer fordern zudem mit einem neuen ORF-Gesetz: "Der Gesetzgeber sollte ein ausgewogenes, gesamthaftes System der Medienförderung auf Grundlage von nachvollziehbaren Qualitätsstandards entwickeln, das die Medienvielfalt für den privaten Bereich sicherstellt."

Datenschutz hat Bedenken

Die Datenschutzbehörde der Republik vermisst etwa eine gesetzliche Grundlage dafür, dass die GIS-Nachfolgerin ORF Beitrags Service GmbH für Befreiungen auf Einkommensdaten in der Transparenzdatenbank zugreifen darf. Gesetzliche Regelung sei für einen solchen Eingriff in das verfassungsgesetzlich normierte Recht auf Geheimhaltung nötig.

Unklar gesetzlich geregelt sei: Das Innenministerium soll der zuständigen ORF-Tochterfirma Meldedaten übermitteln; das Unternehmen habe selbst Zugriff auf das Zentrale Melderegister "bei Bedarf und im Einzelfall".

"Nochmals überprüfen", rät die Behörde für die geplante namentliche Veröffentlichungspflicht von ORF-Einkommen über 170.000 Euro. "Fraglich" sei, ob man die Daten ohne Interessenabwägung veröffentlichen könne, weil das ein "Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz" sei. Die Behörde verweist auf Judikatur von Verfassungs- und EU-Gerichtshof.

Der Gewerkschaftsbund kritisiert die Offenlegungspflichten, vor allem aber geplante Eingriffe in alte ORF-Verträge. So soll das Gesetz eine Reihe von ORF-Zulagen streichen.

Die Medienbehörde KommAustria, zuständig für die Einhaltung des ORF-Gesetzes, sieht Unklarheiten, hat einige Einwände.

Joyn für Medienbehörde "fraglich"

Der Entwurf sieht etwa vor, dass der ORF auch Videoinhalte anderer Anbieter auf seiner Onlineplattform präsentieren darf. Die Behörde verwundert, dass das Gesetz nur Inhalte von Vollprogrammen für österreichisches Publikum vorsieht – Nachrichtenkanäle wie Puls 24 oder Regionalprogramme wie Ländle TV praktisch ausgeschlossen seien. Eine "massive Einschränkung" auf Servus TV, ATV, ATV 2 und Puls 4, moniert die Behörde.

"Einer genauen rechtlichen Beurteilung" wäre nach Ansicht der zuständigen Behörde die – bereits laufende – Teilnahme des ORF an der ProSieben-Streamingplattform Joyn und am Radioplayer zu unterziehen. Es sei "unklar", ob solche anderen Kooperationen, die nicht im Unternehmensgegenstand liegen, "rechtlich möglich wären".

ORF-Redaktionsrat vermisst Entpolitisierung

Der ORF-Redaktionsrat kritisiert die Zusage von 325 Millionen Einsparungen bis 2026 sowie angesichts der hohen Inflation die über drei Jahre mit 710 Millionen Euro jährlich limitierten Einnahmen aus dem ORF-Beitrag als "besorgniserregend". Das Gesetz sieht Ausnahmen für höheren Finanzbedarf auch in den kommenden drei Jahren vor.(fid, 24.4.2023)

Der Redaktionsrat moniert, dass das Gesetz keine Reform und keine Entpolitisierung der ORF-Aufsichtsgremien vorsehe. Die Staatsnähe der ORF-Gremien prüft gerade der Verfassungsgerichtshof; zuletzt hat er die GIS-Finanzierung mit Ausnahmen für Streamingnutzung als verfassungswidrig per Ende 2023 aufgehoben.

Ebenfalls unverändert bleibt das Informationsrecht der Landeshauptleute über Vorschläge des ORF-Generals zur Besetzung der jeweiligen ORF-Landesdirektion, ein weiterer Kritikpunkt der ORF-Journalistinnen und -Journalisten.