Neben Boxershorts locken Klobürsten, flankiert von Fußcreme, Strandmatten und Gewürzmühlen. In Griffweite quellen Marshmallows und Straßenkreiden aus dem Regal. Wer will, kann sich auch noch mit Grillhandschuhen eindecken. Im Schnitt kostet keines der Teile kaum mehr als 2,20 Euro. Eine Schatzkiste nennt Boyko Tchakarov das auf eineinhalb Meter wild zusammengewürfelte Sortiment, um das sich Kunden drängen. "Die Leute wollen sich überraschen lassen, in Kisten stöbern, Produkte anfassen."

Action-CEO Hajir Hajji und Action-Österreich-Chef Boyko Tchakarov: In Österreich eröffnete der Diskonter in den vergangenen sieben Jahren im Schnitt monatlich eine Filiale.
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Tchakarov ist im Diskontgeschäft zu Hause. Ehe er als Österreich-Chef von Action anheuerte, arbeitete er für Lidl, zuvor im Modehandel. Nun geleitet er allerlei geladene Prominenz durch einen neuen Simmeringer Aktionsmarkt. Es ist die 100. Filiale des Konzerns hierzulande.

Die Zeiten, in denen seine Branche in alten aufgelassenen Geschäften abseits vom Schuss still und leise vor sich hin dümpelte, sind lange vorbei. Billig wurde salonfähig. Anbieter, die etwas auf sich halten, drängen immer weiter in zentrale Lagen und Einkaufszentren vor.

Frequenzbringer

Mit hohen Mietkosten brauchen sie sich nicht herumzuschlagen. Seit der stationäre Einzelhandel schwächelt und Lücken in Geschäftsviertel reißt, wird Frequenzbringern wie ihnen vielerorts notgedrungen der rote Teppich ausgerollt.

Sehen Sie sich die Leute an, sagt Tchakarov mit Blick auf Kunden, die nach den Eröffnungsreden von gut 20 Mitarbeiterinnen in Empfang genommen werden. "Sie kommen aus allen Bevölkerungsschichten.

Vor 14 Jahren zählte der Berater Standort + Markt knapp mehr als ein Dutzend Aktionspostenmärkte in Österreich. Mittlerweile sind es 320 – obwohl die Verkaufsfläche im über lange Zeit überbesetzten Einzelhandel in Summe in den vergangenen zehn Jahren um 17 Prozent sank.

Internationale Marktriesen wie Tedi, Pepco und Thomas Philipps stießen nach Österreich vor. Andere wie der französische Konzern Gifi haben den Fuß in der Tür. Viel Zeit, sich einzuleben, bleibt ihnen nicht.

Diskonter wie Action pflastern den Markt mit einem Standort nach dem anderen zu. Das in den Niederlanden gegründete Unternehmen stieg 2015 in Österreich ein, seither stampfte es jeden Monat eine neue Filiale mit bis zu 1000 Quadratmetern aus dem Boden. Der Fokus auf günstige Non-Food-Artikel ebnete dem Konzern den Weg, erinnert sich Hajir Hajji. Die gebürtige Niederländerin arbeitete mit 17 Jahren als Kassiererin für Action. 25 Jahre später führt sie das Unternehmen, das sich als am schnellsten wachsender Non-Food-Diskonter Europas bezeichnet, als CEO – und ist damit eine der seltenen Frauen in den obersten Chefetagen des Einzelhandels.

Alles aus einem Guss

Ohne Zentrale, Lager und Trucks habe es begonnen, erzählt Hajji. Die Gründer malten die Geschäfte selbst aus, möblierten sie mit Möbeln, die andere Supermärkte ausrangierten. Im Vorjahr setzte Action in elf Ländern unter dem Dach des Londoner Finanzinvestors 3i gut 8,9 Milliarden Euro um. Der Nettoumsatz stieg um 30 Prozent. Das operative Ebitda belief sich auf 1,2 Milliarden Euro.

Auf nationale Vorlieben geht das Unternehmen nicht ein. Ob in Paris oder Wien – jeder Standort mitsamt Sortiment gleicht dem anderen wie ein Ei. Ein Konzept werde kompromisslos über alle Märkte ausgerollt, sagt Tchakarov. Mögliche Ausreißer seien allein Manner-Schnitten.

Mit Restposten hat sein Geschäft nichts mehr gemein. 60 Prozent der Ware stammen aus Asien, 40 Prozent aus Europa. Versorgt wird Österreich über ein Lager in Bratislava.

Viel mehr als den Kollektivvertraglohn zahlt Action den Beschäftigten nicht. Warum man nicht wie so viele andere Händler unter starkem Mangel an Mitarbeiterinnen leide? Tchakarov führt Prämien und sichere Jobs ins Treffen. Dem Zufall überlassen werde jedenfalls nichts.

Gegenpol zu Onlinehandel

Einkauf in großen Mengen, effiziente Logistik, Standardisierte Filialprozesse und flache Hierarchien halten die Kosten gering. Ausgaben für Marketing sind mager, kostspielige Lagen tabu. Motor des schnellen Geschäfts sind Impulskäufe. Zwei Drittel des Sortiments rotieren.

Von Onlinehandel ließ der Konzern bisher die Finger. Zu hoch war das Risiko, dass die Kosten der Zustellung jene der Produkte übersteigen. Nur in den Niederlanden und Belgien übt sich Action mittlerweile in Webshops. Vertrieben werden hier freilich allein teurere Produkte, die stationär nicht gelistet sind.

Schließen musste Action seit der Gründung des Konzerns keine Filiale. Und seit durch die hohe Inflation in vielen Haushalten das Geld knapp wurde, ist der Nährboden für günstige Warenhäuser für Produkte des täglichen Bedarfs besser denn je.

Kunden veränderten ihr Verhalten viel schneller als noch vor zehn Jahren, sagt Hajji. Ein Ende der Expansion des Diskonters sieht sie in Österreich nicht. (Verena Kainrath, 25.05.2023)