Fleischlose Küche bestehe aus mehr als nur gebackenen Champignons. Aber das sei für Kammerfunktionäre, die im 20. Jahrhundert stecken geblieben seien, schwer vorstellbar, sagt Sepp Schellhorn. Der Salzburger Gastronom lässt an seiner Zunft kein gutes Haar. Auslöser dafür sind harte Debatten über neue Lehrberufe wie den veganen Koch. Zahlreiche Gastronomen bemühen sich in Österreich seit Jahren darum, die Ausbildung für fleischlose Ernährung zu verbessern. Eine eigene Lehre soll neuen Schwung in traditionelle Wirtshäuser bringen und Jugendlichen Appetit auf Jobs im Gastgewerbe machen.

Wer Lehrlinge ausbilden will, muss Einblick in seine Töpfe geben.
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Bisher wurde freilich jeder Vorstoß noch im Keim erstickt. Man sei prinzipiell offen für neue Ideen, ließen Branchenvertreter als Reaktion auf den neuen Anlauf der Grünen Wirtschaft wissen. Aber ohne Berufsbild und Lehrplan, Prüfungsordnung, Organisation von Lehrgängen sowie Einbindung und Zustimmung der Sozialpartner spiele sich nichts ab.

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DER STANDARD

Eine Kammer zur gewerblichen Verhinderung und der verschlafenen Trends sei die WKO, donnert Schellhorn – und das in Zeiten, in denen es an Klimaschutz und gesünderer Ernährung kein Vorbeikommen gebe. "Warum dürfen Köche in Österreich Lehrlinge nur dann ausbilden, wenn sie Schnitzel rausbacken? Warum verwehrt man es reinen Fisch- und Gemüserestaurants, Ausbildungsstätte zu sein?"

Lehre verwässert

Seine Branche leide unter starkem Fachkräftemangel. Dass darauf nicht anders reagiert werde als damit, neuen Lehrberufen Steine in den Weg zu legen, mache ihn fassungslos, sagt Schellhorn. Gastronomieobmann Mario Pulker widerspricht: Bei der Ausbildung auf Fleisch zu verzichten hieße, die Ausbildung zu verwässern und dem Nachwuchs Chancen auf Weiterentwicklung zu nehmen, warnt er. Schnitzelmachen lerne man in Spezialkursen in zwei Tagen, hält Schellhorn entgegen. "Gemüse aber wird in Österreich offenbar lieber weiterhin gekocht, bis es tot ist."

Gerade jetzt müssten die dafür Verantwortlichen die Chance ergreifen, die Lehre neu zu denken, pocht auch Paul Ivic, Küchenchef und Geschäftsführer des veganen Wiener Restaurants Tian, auf Veränderungen. "Neue Mitarbeiter brauchen ein dreiviertel Jahr, bis sie halbwegs verstehen, wie sie anders an die Materie herangehen."

Heimisch ist Pflicht

Eine vegane Lehre würde das ändern. Bis dahin aber habe er massiven Mehraufwand. "Seit Jahren sprechen wir von einem Mangelberuf, das Interesse an dem Job ist also nicht groß", sagt er, "da muss man sich die Frage stellen, ob das Angebot noch zeitgemäß ist." Es bringe nichts, darüber zu jammern, dass junge Menschen faul seien und kein Handwerk mehr lernen wollten. Man müsse auf ihre Bedürfnisse achten und darauf, wie eine 70 Jahre alte Ausbildungsordnung erneuert werden könne. Dabei geht es Ivic nicht darum, sofort eine Veganlehre umzusetzen. Die ganze Ausbildungsregelung gehöre überdacht – mit Fokus darauf, wie die Ernährung auch auf Ökonomie und Ökologie Einfluss nehme.

Seit zwölf Jahren ist Ivic bereits Koch, isst selber nicht nur vegan. Aber auch sein Ausbildner habe sich schon darüber beschwert, dass die gleichen Prüfungsfragen gestellt werden wie bei ihm 20 Jahre zuvor. Er selbst darf niemanden prüfen. "Wir haben einige Jahre versucht, Lehrlinge ausbilden zu dürfen, aber das verläuft im Sand."

Ähnlich ergeht es Tobias Müller in seinen asiatischen Restaurants, in denen viele japanischen Gerichte auf der Speisekarte stehen – Fleisch wie auch Gemüse. "Auf Social Media schreiben uns oft Interessierte, wie viele vegane Speisen wir haben."

Auch er versucht seit acht Jahren, Lehrlinge einzustellen. Es scheitere daran, dass nicht mindestens 70 Prozent der Gerichte "österreichische" Speisen seien. Für Müller unverständlich, sein Betrieb decke fast alles ab, was Köche lernen können. "Gastronomie funktioniert nur, wenn man selber ausbilden darf, sonst ergibt sie keinen Sinn." Auch der Chef des Fünf-Hauben-Restaurants Steirereck, Heinz Reitbauer, zeigt sich solidarisch. "Scheuklappendenken, Festhalten an veralteten Strukturen und ein Schmoren im eigenen Saft waren immer die allerbesten Voraussetzungen für ein innovatives Tourismusland", schreibt er ironisch in einem Post. (Verena Kainrath, Melanie Raidl, 25.5.2023)