Wäre da nicht diese eine Zahl, müssten die Landwirte nicht zum Kampf ausrücken. Doch die Statistik Austria hat den Wert vor kurzem publiziert und damit amtlich gemacht. Um 24 Prozent sind die Nettounternehmensgewinne der landwirtschaftlichen Erzeuger im vergangenen Jahr in Österreich gestiegen. Getreide hat sich um fast 45 Prozent verteuert, die Erzeugerpreise für Milch stiegen um 25 Prozent, Zuckerrüben verdoppelten sich im Preis. Das ließ die Kasse der Landwirte klingeln. Der Gewinnsprung bei den Bauern ruft die Kritiker auf den Plan.

Bisher drehten sich Debatten über teure Lebensmittel vor allem um die Rolle der Supermärkte. Aber zunehmend geraten die Bauern in den Fokus. "Die Landwirtschaft gehört zu den großen Gewinnern des russischen Angriffs auf die Ukraine. Sie haben ihre Verkaufspreise 2022 deutlich stärker hinaufgesetzt, als es aufgrund der Kosten nötig gewesen wäre. Damit fuhren sie die höchsten Gewinne seit Jahren ein. Das ist Teil einer profitgetriebenen Teuerung und mit ein Grund, warum die Lebensmittelpreise so stark gestiegen sind", sagt Oliver Picek vom arbeitnehmernahen Momentum-Institut.

Das Ganze ist eine bemerkenswerte Entwicklung. Seit Jahren wird in Österreich darüber diskutiert, warum landwirtschaftliche Erzeugnisse so billig im Supermarkt verkauft werden und warum das Geld für viele Bauern zum Leben nicht mehr reicht. Und plötzlich wird Österreich zum Bauernparadies? Stecken gar die Landwirte hinter dem Phänomen, das Gewerkschafter als "Gierflation" bezeichnen?

Gierflation? Bauernbund hält dagegen

Der Bauernbund hält dagegen: Vom Anstieg der Lebensmittelpreise würden die Bäuerinnen und Bauern nur zu einem Bruchteil profitieren. Vom Preis für eine Portion Pommes frites bekommt der Kartoffelbauer gerade einmal 3,2 Cent ab. Bei einem Kilo Mischbrot erhält der Landwirt, der das Getreide liefert, bloß 25 Cent, rechnet der Bauernbund vor. Wenn die große Preistreiberei bei Lebensmitteln laufe, dann nicht wegen der Bauern, so die Botschaft. Wer hat also recht in diesem Streit? Die Landwirte mögen nur zum Teil für die Preissprünge bei Brot, Butter und Milch verantwortlich sein. Aber das reiche aus, um ihre Gewinne hochzutreiben. Natürlich profitierten sie also.

Rekordgewinne der Landwirtschaft
Gut 150.000 landwirtschaftliche Erzeuger gibt es in Österreich – Tendenz trotz zuletzt guter Jahre sinkend.
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Aber die Geschichte von den dicken Geldtaschen bei den Landwirten ist bei genauerem Hinsehen doch komplizierter. 150.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe gibt es in Österreich. Ein Drittel davon sind Haupterwerbsbetriebe – hier ist für den Haushalt die Landwirtschaft die primäre Einkommensquelle. Seit Jahrzehnten schrumpft die Zahl der Betriebe und damit ihre wirtschaftliche Bedeutung für den Standort. Allein im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind 10.000 landwirtschaftliche Betriebe verschwunden. Die Landwirtschaft trägt gerade noch 1,2 Prozent zur heimischen Wertschöpfung bei. Diese Entwicklung liegt zu einem guten Teil darin begründet, dass die Einkommen der Bauern Schwankungen ausgesetzt sind und es in den vergangenen Jahren öfter kräftig nach unten ging, wie Franz Sinabell, Agrarexperte vom Forschungsinstitut Wifo, erklärt.

So gut die Profite zuletzt waren, so schlecht entwickelten sie sich in den Perioden davor: 2018 und 2019 brachen die Unternehmensgewinne der Landwirte um 20 Prozent ein. Die Volatilität hat mehrere Ursachen. Die Preise für Weizen, Mais und Schweine folgen der Entwicklung an internationalen Börsen, sind also von Kriegen, Spekulation und Wetter abhängig. Dazu kommt, dass die heimische Landwirtschaft kleinteilig ist. Laut dem "Grünen Bericht" des Landwirtschaftsministeriums liegt der Bruttoverdienst eines "Großbauern" bei 55.000 Euro im Jahr (Versicherungsbeiträge abgezogen).

Nicht alle brauchen Polster

Auch wenn diese Rechnung nicht realistisch ist und viele Bauern bei Ausgaben für Betrieb und Haushalt nicht genau trennen, sich das steuerliche Ergebnis kleinrechnen, wird deutlich, dass sich das große Geld hier nicht verdienen lässt. "Die gestiegenen Einnahmen der Landwirte sind eine gute Nachricht", sagt daher Sinabell. So entstehe ein Polster für schlechtere Zeiten, und der werde auch gebraucht, die Preise für viele Rohstoffe wie Weizen fallen bereits wieder. Nicht alle aber brauchen den Polster. Während in der Landwirtschaft große Fische die Ausnahme sind, ist die Forstwirtschaft von einigen Big Playern dominiert.

Neben Bundesforsten, Kirche und Gemeinden sind das private Unternehmen wie der Kartonerzeuger Mayr-Melnhof oder frühere Adelsfamilien. So zählt zu den großen Waldbesitzern etwa das Habsburg-Lothringen'sche Gut Persenbeug. Solche privaten Großeigentümer besitzen 22 Prozent der Waldfläche. Auch sie verdienten zuletzt prächtig. Bei den Forstwirten fehlt noch die Schlussrechnung für 2022. Aber schon 2021 war für Holzerzeuger dank gestiegener Preise ein Rekordjahr, mit einem Sprung beim Einkommen von 50 Prozent. 2022 dürfte laut Waldverband das gute Ergebnis nicht mehr übertroffen, wohl aber gehalten werden. Aber unterm Strich bleibt, dass die Mehrzahl der Land- und Forstwirte, die jetzt ein ausgezeichnetes Jahr hinter sich haben, kleine Familienbetriebe sind, die es in den Jahren davor nicht immer einfach hatten.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Staat die Landwirte finanziell unterstützt – und diese Hilfen zuletzt deutlich ausgeweitet wurden, und zwar trotz oder wegen der gestiegenen Preise. Hier geht es nicht nur um die EU-Agrarförderungen. Auch Österreich legt einiges drauf. Bauern dürfen eine steuerliche Pauschalierung nutzen. Dabei spielt der Gewinn, den ein Bauer erwirtschaftet, keine Rolle. Vielmehr wird ein fiktiver Ertragswert errechnet, der sich nach der Größe des landwirtschaftlichen Betriebs richtet.

Entwicklung der vergangenen Jahre bei Einkommen und Preisen.
DerSTANDARD

Das spart Bauern Geld: Nach Schätzungen wird bloß ein Fünftel ihrer tatsächlichen Einkünfte für die Steuerbemessung herangezogen. Mit 2023 wurde auf Initiative der ÖVP die Pauschalierungshöchstgrenze angehoben. Durfte ein Landwirt bisher nicht mehr als 400.000 Euro Umsatz im Jahr machen, um pauschalieren zu dürfen, liegt die Grenze nun bei 600.000 Euro. Bleiben sie unter der Grenze, zahlen Bauern selbst dann nicht höhere Steuern, wenn sie mehr verdienen.

"Es ist ungerecht, dass der Großteil der Bauern trotz enormer Einkommenssteigerungen keinen Cent Steuern mehr bezahlen muss, während bei den Arbeitnehmern jede Steigerung voll steuerpflichtig ist", sagt Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer. Dann gibt es aber noch eine Reihe anderer Zuschüsse. Dazu gehört ein 120 Millionen Euro schwerer Fonds für Landwirte zur Abfederung hoher Energiekosten. Für Forstwirte gibt es den mit 350 Millionen Euro dotierten, 2021 gestarteten Waldfonds, der Zuschüsse für Waldbesitzer vorsieht. Im Februar wurde die Laufzeit für den Fonds bis 2027 verlängert. Steuergeld gibt's also auch bei guter Ertragslage. (András Szigetvari, 26.5.2023)