Rauschmittel sind ein Thema, das die Kunst seit jeher begleitet. Einige der größten Kunstwerke wurden unter Einfluss von psychoaktiven Substanzen geschaffen, und zahlreiche große Künstlerinnen und Künstler kämpften ihr Leben lang mit einer Abhängigkeit von denselben.

Seltener ist, dass diese Substanzen eine ganz konkrete Rolle im Herstellungsprozess spielten. Ein solcher Fall wurde nun in der bildenden Kunst nachgewiesen.

Ein Gemälde eines historischen Kriegsschiffs.
Ein Bild des dänischen Malers Christoffer Wilhem Eckersberg aus dem Jahr 1834 zeigt das Kriegsschiff Dronning Marie. Es hängt im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen.
Christoffer Wilhelm Eckersberg/Statens Museum for Kunst via AP

Imprägnierung der Leinwände

Konkret handelt es sich um das sogenannte goldene Zeitalter der dänischen Malerei, mit Christoffer Wilhelm Eckersberg und Christen Schiellerup Købke als wichtigen Vertretern. Sie malten mit Ölfarben auf Leinwänden aus Textilmaterial. Damit die Farbe dort gut haftet, muss der Untergrund zuvor behandelt werden. Heute wird dafür sogenanntes Gesso auf Acrylbasis verwendet, das einerseits einen weißen Hintergrund liefert und andererseits durch seine saugende Wirkung für Haftung der Farben sorgt.

Doch diese Substanz war in der Zeit zwischen 1800 und 1850 nicht verfügbar. Was es dagegen in Massen gab, war Bier. Aufgrund der schlechten Qualität des verfügbaren Wassers aus Flüssen und Brunnen im damaligen Dänemark war es sicherer, Flüssigkeit in Form von Bier zu sich zu nehmen. Brauereien produzierten also Unmengen davon und ließen Brauabfälle und Nebenprodukte zurück.

Historische Quellen ließen bereits früher vermuten, dass diese Braurückstände als Grundierung für die Leinwände der Meister gedient haben könnten. Um diese These zu überprüfen, untersuchte nun ein Team um die an der Universität Kopenhagen forschende Fabiana Di Gianvincenzo winzige Farbproben von zehn Gemälden der Maler Eckersberg und Købke. Diese winzigen Farbsplitter, kleiner als ein Stecknadelkopf, stammten von Restaurierungsarbeiten aus den 1960er-Jahren.

Zur Analyse ihrer Zusammensetzung wurde ein Massenspektrometer verwendet. Für diese äußerst präzise Analysemethode werden Proben in einzelne Moleküle zerlegt, die mehr oder weniger durchgezählt und anhand ihres Gewichts unterschieden werden können.

Ein Gemälde von Christen Købke
Die Bilder des goldenen Zeitalters der dänischen Malerei sind bekannt für ein sanftes Leuchten. Hier ein Gemälde vonChristen Købke.
Christen Købke/Statens Museum For Kunst via AP

Untersuchung bringt Gewissheit

Dabei zeigte sich, dass die Farbe die Proteine verschiedener zum Bierbrauen verwendeter Getreide enthielt, darunter Gerste, Weizen und Roggen. Auch Spuren von Hefe wurden gefunden. Das Team spekuliert, die Materialien könnten von der königlichen Akademie der Künste angekauft worden sein, welche sie dann den Künstlern zur Verfügung stellte. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Science Advances" veröffentlicht.

Es ist nicht das einzige Beispiel für die Verwendung von Lebensmitteln in der bildenden Kunst. Erst kürzlich ergab eine Untersuchung der Farben von Renaissancemalern wie Leonardo da Vinci und Sandro Botticelli, dass sie ihren Ölfarben Eigelb beimischten. Ei ist als Zutat sonst eigentlich vom sogenannten Eitempra bekannt, das allerdings auf Wasser basiert. Auch hier lieferte die Untersuchung der Proteine die Informationen über die Zutaten.

Relevant sind derartige Informationen für die Restaurierung der wertvollen Bilder, aber auch um Fälschungen zu erkennen. Fälscher könnten also künftig gezwungen sein, einen Abstecher zu einer nahen Brauerei für Craftbier machen, die mit ungewöhnlichen Getreidesorten braut, bevor sie mit der Grundierung beginnen können. (Reinhard Kleindl, 26.5.2023)