Blick vom Dach des Hotel Intercontinental am Wiener Heumarkt.
Blick vom Dach des Hotels Intercontinental am Wiener Heumarkt. Das Areal wird regelmäßig für Veranstaltungen genutzt, hier im Bild eine Tennishalle der Erste Bank Open im Herbst 2021.
Zolles KG/Christian Hofer

Der Rechtsstreit um das projektierte Heumarkt-Hochhaus von Michael Tojners Wertinvest ist um eine Facette reicher. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kam in seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil zu dem Schluss, dass die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei einem Städtebauprojekt nicht ausschließlich von dessen Größe abhängen darf. Wenn ein EU-Staat Schwellenwerte festlege, seien andere Aspekte wie der Standort zu berücksichtigen.

Das bedeutet, dass sich das Heumarkt-Projekt, das ursprünglich schon 2018 hätte fertiggestellt sein sollen, weiter verzögern könnte. In Fachkreisen rechnet man mit mindestens einem Jahr bis zum Abschluss der UVP.  Allerdings  

Relevant ist der Standort

Befinde sich das Projekt – wie das beim Heumarkt-Hochhaus der Fall sei – im Kerngebiet einer Unesco-Welterbestätte, sei das Kriterium Standort besonders relevant, so die Luxemburger Richter. Laut österreichischem Recht muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Städtebauprojekte ab einer Fläche von mindestens 15 Hektar und einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 150.000 Quadratmetern durchgeführt werden. Das Heumarkt-Projekt liegt mit 1,55 Hektar bzw. 89.000 Quadratmetern unter den Schwellenwerten.

Das österreichische Verwaltungsgericht hatte sich mit der Frage, ob die österreichische Regel EU-konform ist, an den EuGH gewandt. Dieser betonte in seinem Urteil, Unionsrecht stehe gegen zu hohe Schwellenwerte, die in der Praxis alle oder nahezu alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein der Pflicht zu Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entziehen würden.

Auswirkung auf künftige Projekte

Die Umweltorganisation Alliance for Nature wertet die EuGH-Entscheidung als großen Erfolg. Künftig müssten in Österreich nicht nur Stadtteile, sondern auch einzelne Bauprojekte, die ihrem Wesen nach "städtisch" sind, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden – bevor andere Genehmigungen wie etwa eine Baubewilligung erteilt werden. Die Baubewilligung für das umstrittene Projekt am Heumarkt, für das bislang keine UVP durchgeführt wurde, rücke daher in weite Ferne.

Die Stadt Wien sieht das Urteil betont unaufgeregt. Der EuGH habe bewertet, ob die EU-UVP-Richtlinie europarechtskonform in österreichische Gesetzesmaterie umgesetzt wurde, ließ Landtagspräsident und Welterbe-Beauftragter Ernst Woller (SPÖ) wissen. "Das vorliegende Urteil trifft jedoch keine Aussage zur Frage der Umweltverträglichkeit des Projektes Heumarkt." Zudem habe Österreich das UVP-Bundesgesetz bereits novelliert, das Urteil beziehe sich daher auf eine nicht mehr aktuelle Gesetzeslage und stehe auch in keinem Zusammenhang mit dem 2021 adaptierten Heumarkt-Projekt.

Landesverwaltungsgericht am Zug

"Nach dem EuGH-Urteil liegt die weitere Entscheidung zur Durchführung eines UVP-Verfahrens nun beim Wiener Landesverwaltungsgericht", interpretierte Wertinverst-Geschäftsführerin Daniela Enzi die Entscheidung und verwies ebenfalls auf die laufende Redimensionierung.

Die rechtliche Angelegenheit rund um die umstrittene Heumarkt-Bebauung, wegen der die Wiener Innenstadt nach wie vor auf der Roten Liste der gefährdeten Unesco-Welterbestätten aufscheint, ist äußerst kompliziert. Die juristischen Streitigkeiten beschäftigten in den vergangenen Jahren unter anderem bereits das Bundesverwaltungsgericht, den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof. (APA, simo, 25.5.2023)

Hinweis: Dieser Artikel wurde um 16 Uhr 30 aktualisiert