Das Zurückfahren des Kreislaufs und das Absenken der Körpertemperatur, etwa beim Winterschlaf, ist eine beeindruckende Fähigkeit vieler Tiere, die einer Reihe physiologischer Anpassungen bedarf. Viele davon sind auch für die Forschung hochinteressant. Ein prominentes Beispiel sind die Mechanismen, die es Bären erlauben, ihren Körperfettanteil vor dem Winter extrem zu erhöhen und dann über Monate bewegungslos zu verharren – ein Verhalten, das bei Menschen bekanntermaßen zu schweren Gesundheitsproblemen führt.

Mäuse können im Winter ihre Körpertemperatur und ihre Herfrequenz reduzieren.
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Dabei sind solche Fähigkeiten nicht ungewöhnlich im Tierreich. Außergewöhnlich ist vielmehr das dauernde Beibehalten einer hohen Körpertemperatur und Stoffwechselrate, die zudem entwicklungsgeschichtlich deutlich jünger sind.

Wie solche Zustände, etwa der bei Mäusen vorkommende Kälteschlaf, auch Torpor genannt, im Organismus ausgelöst werden, darüber gibt es erst in den letzten Jahren dank neuer Untersuchungsmethoden genauere Erkenntnisse. Es sind Neuronen in mehreren Bereichen des Hypothalamus, die sowohl das Eintreten in eine Winterruhe, als auch den Verbleib darin verwalten.

Kälteschlaf für Astronauten

Menschen in Kälteschlaf versetzen zu können wäre aus verschiedenen Gründen interessant. Mögliche Anwendungen reichen von Narkose für operative Eingriffe bis hin zur Raumfahrt. Dort wird die Idee, eine Raumschiffbesatzung in einer Art Kälteschlaf über Monate oder sogar Jahre durch den Raum zu transportieren, zunehmend nicht mehr nur als Science-Fiction wahrgenommen, sondern als konkrete Möglichkeit diskutiert.

Unmöglich ist das künstliche Auslösen von Kälteschlaf nicht, wie eine Studie aus dem Jahr 2022 zeigte. Einem japanischen Forschungsteam gelang es, Neuronen im Hypothalamus von Mäusen optisch anzuregen und Mäuse so über 24 Stunden in einem Torpor-ähnlichen Zustand zu halten.

Braunbären im Katmai-Nationalpark in Alaska beim Fischfang, um sich Reserven für den Winter anzufressen.
Naomi Boak/U.S. National Park Service/REUTERS

Der Idee eines Kälteschlafs bei Menschen stehen aber mehrere Hindernisse im Weg. Das offensichtlichste ist vielleicht die Tatsache, dass Menschen von Natur aus keinen Torpor kennen. Hinzu kommt, dass es an schonenden Methoden zur Beeinflussung des Hypothalamus fehlt.

Nun zeigte ein Team von der Washington University im US-amerikanischen St. Lewis, dass derselbe Effekt, der bei den Mäusen in der Studie von 2022 beobachtet wurde, mit Ultraschall erreicht werden kann. Davon berichtet eine neue Studie im Fachjournal "Nature".

Pulse mit Ultraschall

Konkret entwickelte eine Gruppe um die Bioingenieurin Hong Chen tragbare Ultraschalltransmitter, die auf den Köpfen von Nagetieren platziert werden konnten und es den Tieren erlaubten, sich frei zu bewegen. Es zeigte sich, dass ein zehnsekündiger Ultraschallpuls, der auf den Nucleus preopticus im vorderen Teil des Hypothalamus konzentriert war, einen vorübergehenden, Torpor-ähnlichen Zustand hervorrief. Verbunden war das mit einem Absinken der Körpertemperatur von über drei Grad Celsius, einer herabgesetzten Herzfrequenz und einer Reduktion des Sauerstoffverbrauchs. Etwa zwei Stunden hielt der Zustand an, danach hatten sich die Mäuse vollständig erholt.

Dass ein Zustand mit den Eigenschaften eines Kälteschlafs mit Ultraschall ausgelöst werden konnte, war also gezeigt. Nun versuchten die Forschenden herauszufinden, ob er auch aufrechterhalten werden konnte. Dazu wurden die Transmitter mit einer Diagnostik versehen, die die Körpertemperatur der Mäuse überwacht. Sobald die Körpertemperatur stieg, wurde ein neuer Puls ausgesendet.

Auf diese Weise gelang es, die Mäuse bis zu 24 Stunden in dem Zustand zu halten. Die Mäuse zeigten laut dem Team keinerlei Anzeichen von Unwohlsein.

Die Astronauten Pam Melroy, George Zamka und Paolo Nespoli im Space Shuttle Discovery. Für die Besatzung von Raumschiffen könnte ein "Kälteschlaf" dienlich sein.
Nasa

Auch bei Ratten erfolgreich

Um herauszufinden, ob sich der Erfolg der Technik auf Mäuse beschränkt, wiederholte das Team das Experiment bei Ratten. Und bei zwölf Tieren ließ sich ebenfalls ein Absinken der Körpertemperatur zwischen ein und zwei Grad beobachten. Das Besondere daran: Ratten kennen eigentlich keinen Torpor.

Ob eine ähnlicher Ansatz auch beim Menschen funktionieren kann, müssen weitere Forschungen zeigen. Therapeutische Hypothermie ist in der Medizin jedenfalls möglich. Dabei wird die Körpertemperatur künstlich um einige Grad gesenkt. Günstig ist das etwa bei Menschen, die nach einem Herzstillstand erfolgreich reanimiert wurden. Ein nichttherapeutischer Einsatz bei gesunden Menschen, noch dazu in einem Weltraumsetting, ist allerdings bislang in weiter Ferne.

Das neue Experiment belegt nun, dass Säugetiere einen ähnlichen Zustand selbst herbeiführen können, selbst wenn ihr Körper eigentlich nicht für das Halten einer Winterruhe ausgelegt ist, und dass zum Auslösen keine schwerwiegende Eingriffe ins Gehirn nötig sind.

Das könnte eine gute Nachricht für künftige Besatzungen von Marsmissionen sein, die womöglich nicht während des gesamten, viele Monate dauernden Flugs wach sein müssen. (Reinhard Kleindl, 25.5.2023)