Bisher sind Europas Volkswirtschaften glimpflich durch die Inflationskrise gekommen, die teils sehr düsteren Prognosen des Vorjahres nach Beginn des Ukrainekriegs haben sich nicht bewahrheitet. Bisher zumindest, denn nun läuft in Deutschland der Wirtschaftsmotor rückwärts. Das Wachstum im ersten Quartal betrug laut Statistischem Bundesamt minus 0,3 Prozent. Damit ist die deutsche Wirtschaft das zweite Quartal in Folge geschrumpft, also in eine Rezession gerutscht. Ende des Vorjahrs hatte das Minus 0,5 Prozent betragen.

Deutschlands Wirtschaft ist im ersten Quartal geschrumpft. Die weiterhin hohen Preissteigerungen belasteten die deutsche Wirtschaft nun auch zum Jahresbeginn, erklärte das Statistische Bundesamt.
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"Die massiv gestiegenen Energiepreise haben im Winterhalbjahr ihren Tribut gefordert", kommentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Entwicklung. Als Folge wurde die Konjunktur vom schrumpfenden privaten Konsum ausgebremst. Dieser sank im ersten Quartal um 1,2 Prozent. Ein Grund dafür dürften die Kaufkraftverluste der Verbraucher infolge der hohen Inflation sein. "Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte zeigte sich in verschiedenen Bereichen", heißt es dazu aus der Statistikbehörde. "Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die privaten Haushalte weniger aus als im Vorquartal."

Baustelle Konjunktur Zinsen
In der Bauwirtschaft sorgen die stark gestiegenen Zinsen bereits für deutliche Bremsspuren.
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Trübes Geschäftsklima

"Leider ist eine grundlegende Besserung nicht in Sicht", dämpft Ökonom Krämer die Hoffnungen auf einen baldigen Aufschwung. Warum? "Weil nach dem Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas nun alle wichtigen Frühindikatoren im verarbeitenden Gewerbe sinken." Denn inzwischen ist auch die Stimmung in Deutschlands Chefetagen gekippt. "Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer", lautete am Mittwoch das Fazit von Ifo-Präsident Clemens Fuest. Das Geschäftsklima trübte sich unerwartet stark ein, wobei besonders die Zukunftsaussichten pessimistischer eingestuft werden.

Auch in Österreich ist die Wirtschaft im Auftaktquartal 2023 geschrumpft, ebenfalls um 0,3 Prozent. Zuvor hatte die Wirtschaftsleistung hierzulande ein halbes Jahr lang stagniert. Allerdings ist das Land damit ebenfalls in einer Rezession, wie Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker unlängst bestätigte, auch wenn diese bisher etwas milder als in Deutschland ausgefallen ist. Neben Rückgängen bei konsumnahen und wirtschaftlichen Dienstleistungen kam auch die Industrie in den ersten drei Monaten des Jahres nicht vom Fleck.

Schleppende Weltkonjunktur

Belastet wurde die Wirtschaftsleistung in Österreich, aber auch in Deutschland vom schwachen Außenhandel, wo sich die schleppende Weltkonjunktur bemerkbar machte. In Österreich war aber der private Konsum noch eine Stütze, wobei dieser von den vergleichsweise hohen Lohnabschlüssen und staatlichen Hilfen unterstützt wurde. Sie sorgten Scheiblecker zufolge dafür, dass die Menschen in Österreich ihre finanziellen Ausgaben nicht allzu sehr zurückgefahren haben. 

Zwar erwartet der Ökonom ausgehend von Dienstleistungen bald wieder etwas mehr wirtschaftliche Dynamik. Der erwartete Aufschwung ab dem dritten Quartal dürfte zunächst aber eher dürftig ausfallen, sodass für das Gesamtjahr 2023 ein kleines Minus droht. Aber selbst eine Stagnation wäre eine bescheidene Entwicklung, da zu Beginn des Vorjahres noch etliche Branchen wie der Tourismus von den Corona-Restriktionen ausgebremst wurden. 

Längere Flaute in Deutschland

Für Deutschland rechnen Volkswirte nun überhaupt mit einer längeren Flaute, die Rezession droht sich bis in das Sommerhalbjahr hinzuziehen. Einer der Hauptgründe dafür sind nun die stark gestiegenen Finanzierungskosten, nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) seit Juli 2022 ihre Leitzinsen bereits siebenmal in Folge um insgesamt 3,75 Prozentpunkte angehoben hat, um die Inflation einzudämmen. Zwei weitere Anhebungen werden noch erwartet. "Solchen Zinserhöhungen folgten in der Vergangenheit in Deutschland stets Rezessionen", betont Commerzbank-Volkswirt Krämer. In zinssensiblen Branchen wie dem Bau sind bereits deutliche Bremsspuren zu verzeichnen. Wobei die Zinsanhebungen schrittweise die Wirtschaft – und damit die Inflation – bremsen, die Zentralbank rechnet damit, dass sie erst 2024 ihre volle Wirkung entfalten werden.

Auch für den Ökonomen Andreas Scheuerle von der Deka Bank gibt es nur wenig Anlass zur konjunkturellen Zuversicht. "Eine schnelle und deutliche Wende zum Besseren ist nicht in Sicht", sagt er. Während die inflationären Belastungen langsam abklingen, sind diejenigen der restriktiven Geldpolitik gewachsen. "Das Gift der Inflation wird mit dem Gegengift hoher Zinsen bekämpft", bringt er das Problem auf den Punkt. (Alexander Hahn, 25.5.2023)