Musterland Schweden? Wann immer es um Sozialleistungen, Kinderbetreuung oder etwa Schulbildung geht, liegt das skandinavische Land weit vorn im internationalen Vergleich. Und nun dürfte Schweden schon bald offiziell rauchfrei sein – als erstes Land der Welt.

Doch was genau bedeutet "rauchfrei"? Gemäß der üblichen Definition darf sich ein Land so bezeichnen, wenn weniger als fünf Prozent der Bevölkerung zur Zigarette, zur Zigarre oder zur Pfeife greifen. Das war eben bisher noch nirgendwo der Fall. Aber Schweden nähert sich der Marke rapide: Nur noch 5,6 Prozent der Schwedinnen und Schweden konsumieren ihren Tabak rauchend. In Österreich sind es – Party- und Gelegenheitsraucher mitgerechnet – rund 25 Prozent.

Schweden hat bald ausgedämpft.
AP / Jenny Kane

Niemand zwingt Schweden, in Sachen Entwöhnung so schnell voranzuschreiten: Die EU möchte, dass dieses Ziel in den 27 Mitgliedsstaaten bis 2040 erreicht ist, doch die Regierung in Stockholm setzte sich schon vor Jahren ein ehrgeizigeres Ziel und peilte konsequent und offiziell das Jahr 2025 an. Innerhalb von 15 Jahren schaffte man es, die – im Vergleich zu Österreich – ohnehin niedrige Marke von 15 Prozent auf die besagten 5,6 Prozent zu drücken. Das führte eben dazu, dass die statistische Rauchfreiheit schon früher – heuer oder spätestens im nächsten Jahr – erreicht werden dürfte.

Dennoch sollte man die Zahlen aus Schweden wenn schon nicht mit Skepsis, so aber doch mit Vorsicht betrachten: Denn rauchfrei heißt nicht tabakfrei. Hierzulande kaum bekannt, sind in Schweden Snus seit Jahrzehnten der große Renner. Und so dürfte es bleiben: Die kleinen Tabakbeutelchen erfreuen sich auch jetzt noch großer Beliebtheit. Außerdem werden bei den ominösen 5,6 Prozent auch jene Personen nicht erfasst, die statt zum Glimmstängel zu E-Zigaretten oder anderen Ersatzprodukten greifen.

Hilfe statt Verbot

Unter dem Strich bleibt aber die Tatsache, dass Schweden für alle anderen Länder der EU eine Steilvorlage liefert. Die Strategie war einfach, bleibt aber in Experten- und Expertinnenkreisen nicht unumstritten. "Kein anderes EU-Land ist auch nur annähernd in der Lage, diese (Regierungsinitiative) zu kopieren", zitiert der Sender Euronews Delon Human, Mitverfasser des Berichts "The Swedish Experience: A Roadmap to a Smoke-Free Society".

Der Plan war dabei, Rauchern und Raucherinnen den Konsum nicht einfach zu verbieten, sondern ihnen das Aufhören zu erleichtern, etwa durch den Umstieg auf vorderhand weniger gesundheitsgefährdende Produkte – also auf die besagten Snus, Vapes und andere. Das stehe im Kontrast zu anderen Ländern, in denen gerade solche Ausweichprodukte zunehmend reguliert oder gar verboten werden, stellt Human fest, der allerdings einräumt, dass auch Snus und Co ihre Risiken haben und dass die schwedische Gangart daher aus medizinischer Sicht auch nicht ideal ist.

Rückgang der Raucherzahlen in Schweden.

Zumindest weist Schweden gemäß Studienautor Human den niedrigsten Prozentsatz bei tabakbedingten Krankheiten in der EU auf und eine sogar um 41 Prozent niedrigere Krebsinzidenz als andere europäische Länder. Die Menschen in dem Land haben auch eine um fast 40 Prozent niedrigere Sterblichkeitsrate wegen Schlaganfällen, Herz- und Lungenkrankheiten, Emphysemen und chronischer Bronchitis.

Italien und Neuseeland

Auch Italien gehört zu den Vorreitern beim Trend gegen den Zigarettenkonsum: Zwei Jahrzehnte nach dem Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen will Gesundheitsminister Orazio Schillaci nun die rauchfreien Zonen auf den öffentlichen Raum im Freien ausweiten – Schanigartengastronomie inklusive.

Nach Schillacis Vorstellungen soll das Rauchen an Tischen im Freien – etwa in Bars und Restaurants – sowie an Öffi-Haltestellen nicht mehr erlaubt sein. Das Rauchen wird nur noch in definierten Raucherbereichen in Freiluftbereichen gestattet sein. Raucherräume beziehungsweise -zellen auf Flughäfen und in geschlossenen Gastronomiebetrieben sollen gänzlich abgeschafft werden. Zigaretten aller Art sollen künftig auch in Parks verboten sein, wenn es eine räumliche Nähe zu Kindern und schwangeren Frauen gibt. Außerdem sollen elektronische Zigaretten mit herkömmlichen gleichgestellt werden. Also kommen auch auf "Dampfer" Einschränkungen zu.

Am anderen Ende der Welt praktiziert Neuseeland seit Jahresbeginn eine rigorose Maßnahme: Menschen unter 14 Jahren haben gar nicht mehr die Wahl, ob sie habituell rauchen wollen oder nicht, denn wer am oder nach dem 1. Jänner 2009 geboren wurde, darf keine Zigaretten mehr kaufen. Ab 2027, wenn diese Generation die Volljährigkeit erreicht, wird damit auch das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten jährlich um ein Jahr angehoben. Damit läuft der legale Verkauf von Tabak über die Jahre hinweg allmählich aus – und die "alten" Raucherinnen und Raucher sterben im wahrsten Sinne des Wortes aus.

Und Österreich?

An dieser Stelle wird es nicht weiter überraschen, dass von solchen Ideen in der heimischen Politik kaum die Rede ist. Wenn überhaupt, wird die EU-Zeitmarke 2040 angepeilt. Wir erinnern uns: Bis zu eineinhalb Jahrzehnte nach Irland, Italien und Co wurde in Österreich ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das aber nach der Nationalratswahl 2017 und dem Machtwechsel Richtung Türkis-Blau zurückgenommen wurde.

Nach einem neuerlichen Machtwechsel hin zu Schwarz-Grün trat das Rauchverbot dann im November 2019 doch in Innenräumen der heimischen Gastronomie in Kraft. Ankündigungen von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), das Rauchverbot verschärfen zu wollen, zielen auf bestimmte öffentliche Orte im Freien, wie etwa auf Kinderspielplätze, ab. Von einer größeren Strategie, den Zigarettenkonsum generell zu reduzieren, ist hierzulande wenig zu merken. (Gianluca Wallisch, 26.5.2023)