OMV Seele
Seele war von 2015 bis Sommer 2021 Vorstandsvorsitzender des Mineralölkonzerns.
APA/OMV

Wien – Am kommenden Mittwoch geht es in der Hauptversammlung von Österreichs größtem Ölkonzern OMV auch um die Entlastung des früheren Chefs Rainer Seele. Im Juni war ihm das Misstrauen ausgesprochen und eine Sonderprüfung eingeleitet worden. Im September hat aber der Aufsichtsrat auf Basis dieser Prüfung die Entlastung empfohlen. Daher wird auch die laut der Rechercheplattform "Dossier" angekündigte Verweigerung von zwei internationalen Stimmrechtsberatern Seeles Entlastung wohl nicht verhindern.

Die Sonderprüfung ergab laut Aussendung des Aufsichtsrats vom September kein "einklagbares Fehlverhalten". "Wir haben die Vorwürfe sehr ernst genommen und eine externe Untersuchung beauftragt. Der Aufsichtsrat folgt daher der Empfehlung der Rechtsexperten und wird aus aktueller Sicht keine Klage beauftragen und der kommenden Hauptversammlung die Entlastung des Ex-Vorstandsvorsitzenden vorschlagen", wurde der Aufsichtsratsvorsitzende der OMV, Mark Garret, in der Mitteilung im September zitiert.

Im Aufsichtsrat vertreten sind unter anderem die österreichische Staatsholding Öbag und der staatliche Ölkonzern von Abu Dhabi, Aadnoc (Abu Dhabi National Oil Company), die zusammen 56,4 Prozent der Stimmrechte halten. Es ist nicht anzunehmen, dass diese gegen ihre eigene Empfehlung stimmen werden.

Kritik von internationalen Stimmrechtsberatern

Dennoch muss sich Seele, dessen Vertrag am 30. Juni 2022 endete, wohl auch auf Misstrauenskundgebungen einstellen. Denn laut "Dossier" haben die internationalen Stimmrechtsberater von Institutional Shareholder Services (ISS) und von Glass Lewis (GL) empfohlen, die Entlastung zu verweigern. ISS halte diesen Schritt für gerechtfertigt, "da der Aufsichtsrat festgestellt hat, dass es durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden klare Verstöße gegen die strengen Compliance-Regeln und den Verhaltenskodex des Unternehmens gegeben hat". Auch Glass Lewis begründe seine Empfehlung damit, dass "offenbar mehrfach gegen Compliance-Richtlinien verstoßen" worden sei, so "Dossier".

Seele hatte einem ehemaligen Bereichsleiter für Internal Audit & Compliance rechtsgültig in einer nicht von den Gremien abgesegneten Vereinbarung (Sideletter) zugesichert, dass er eine Zeit lang nicht gekündigt wird und danach im Falle einer Kündigung eine finanzielle Unterstützung erhält. "Dossier" schreibt, dies sei als Absicherung vereinbart worden, weil der Bereichsleiter das Lesen von Mails der Betriebsräte veranlasst habe. Die Sonderprüfung attestiert Seele in diesem Zusammenhang "Abweichungen von unternehmensinternen Vorgaben", aber zugleich "kein einklagbares Fehlverhalten". Daher stehe einer Entlastung nichts im Wege.

Abhängigkeit von russischem Gas

Seele wurden auch andere Entscheidungen vorgeworfen, allen voran, dass er die OMV auf Jahrzehnte an den Einkauf von russischem Gas gebunden hat. Bezüglich der Gaslieferverträge habe der ehemalige CEO "im Rahmen seiner Ermächtigungen" gehandelt, so der Befund jener Rechtsanwaltskanzleien, die mit der Prüfung beauftragt wurden.

Dennoch hätten die Prüfergebnisse "auch einen nachlässigen Umgang des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden in der Auslegung der strengen Compliance- und Verhaltensregeln der OMV" ergeben, räumte im September Aufsichtsratschef Garret ein. Derartiges Verhalten habe in der OMV keinen Platz. Deshalb erfordern nun neue interne Regeln für strategisch bedeutsame Verträge eine formale Zustimmung des Aufsichtsrats.

Auch in Bezug auf den Abschluss von Sponsoringverträgen attestierte die Sonderprüfung Seele "Abweichungen von unternehmensinternen Vorgaben". Insbesondere ging es um den russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg, der der Lieblingsklub des russischen Staatschefs Wladimir Putin sein soll. Der Verein erhielt von 2019 bis 2021 in Summe 14 Millionen Euro von der OMV – deutlich mehr als etwa in Österreich Rapid Wien oder die Staatsoper. Auch hier gebe es aber kein einklagbares Verhalten. (APA, 25.5.2023)