Dass das Leben im Gehege das Verhalten von Zootieren manchmal bis zur Unkenntlichkeit beeinflusst, liegt auf der Hand. Es ist kein Wunder, dass der Zuchterfolg vieler Arten in Gefangenschaft begeistert gefeiert wird. Nur ganz selten gelingt es, ein Umfeld für die Tiere zu schaffen, das sie praktisch nicht mehr von ihrem natürlichen Lebensraum unterscheiden können.

Ein ganz wesentlicher Faktor sind natürlich die vielen täglichen Gaffer, die einem bei der Alltagsbewältigung durch Gitter und Scheiben hindurch zuschauen. Was passiert, wenn der Besucherandrang ausbleibt und für längere Zeit Ruhe einkehrt, führten die Sperren während der Covid-19-Pandemie vor Augen.

Die Ruhe des Lockdowns

Schimpansen, Bonobos und Gorillas beispielsweise gönnten sich im Lockdown mehr "Me-Time", entspannten sich häufiger allein statt im Artgenossenkreis und waren insgesamt ruhiger, wie britische Forscher beobachten konnten. Anders dagegen die Anubispaviane, die im Lockdown deutlich häufiger die private Zweisamkeit suchten.

Aber nicht alle Tierarten genießen das Ausbleiben der Gästeparade im selben Ausmaß. Manchen tut der tägliche menschliche Besuch offenbar sogar recht gut. Besonders Elefanten scheinen in ihrem Verhalten von den Zoobesuchern zu profitieren, wie aus einer aktuellen umfassenden Metastudie hervorgeht.

Aktiver mit Publikum

Das Team von der Nottingham Trent University und der Harper Adams University (beide Großbritannien) nahm sich mehr als 100 Forschungsarbeiten zu Auswirkungen von Besuchern auf das Tierverhalten vor, die ein breites Spektrum von 250 Tierarten in Zoos abdecken. Die im Fachjournal "Animals" vorgestellte Analyse bezog sich speziell auf Nicht-Primaten-Arten, die meisten der untersuchten Tiere waren Säugetiere (56 Prozent) und Vögel (28 Prozent). Der Rest verteilte sich auf Amphibien, Reptilien, Fische und wirbellose Tiere.

Elefanten scheinen den Trubel eines starken Besuchstags im Zoo zu genießen – jedenfalls ist ihnen dann offenbar weniger langweilig.
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Ein nicht zuletzt physisch herausragendes Beispiel, wie die Anwesenheit von Zoobesuchern auch förderlich sein kann, haben die Forschenden in Elefanten gefunden: Die Dickhäuter steigerten ihre sozialen Aktivitäten signifikant, wenn sie Publikum hatten.

Parallel dazu ging während der Besucherstunden bei vielen Exemplaren repetitives Verhalten zurück. Monoton wiederholte Bewegungsabläufe werden bei den Tieren häufig als Langeweile gedeutet. Das galt insbesondere für die Zeit nach den öffentlichen Fütterungen. In dieser Phase waren die Elefanten nicht nur aktiver, sondern suchten auch länger nach Nahrung, als wenn sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefüttert wurden.

An den steten Strom gewöhnt

Elefanten sind freilich nicht die einzigen Tiere, die positiv auf Zoobesucher reagieren. Auch Papageien genossen offenbar die menschliche Gesellschaft. Kakadus beispielsweise ließen sich durch die Besucher zu mehr sozialen Aktivitäten stimulieren, viele Exemplare suchten selbst an besucherstarken Tagen die Nähe der Menschen. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass auch Pinguine, Jaguare, Grizzlybären, Eisbären, Geparden, Servale, Banteng und Schwarzschwanz-Präriehunde dem Trubel während der Öffnungszeiten etwas abgewinnen konnten.

"Viele der Tiere sind in den Zoos zur Welt gekommen und aufgewachsen und haben sich daher wohl an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt", sagte Samantha Ward, Koautorin von der Nottingham Trent University. "Zoobesucher sind jedoch Aspekte der Umgebung eines Zootieres, die die Tiere nicht kontrollieren können. Das kann Stress verursachen. Einige Arten bewiesen dabei eine gute Anpassungsfähigkeit an die wechselnden Bedingungen durch der Zoobesucher.

Auch Kakadus scheinen sich nicht am Besucherstrom zu stören, sie genießen ihn vielleicht sogar.
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Zu jenen, denen es nicht so gut gelingt, sich an den fortlaufenden Besucherstrom zu gewöhnen, gehörten etwa flugunfähige Vögel wie Strauße, Unpaarhufer und Paarhufer, aber auch Reptilien wie die Brückenechsen. Besonders einige Beuteltiere, die aus geschlossenen Lebensräumen wie Wäldern stammen oder eine nächtliche Lebensführung pflegen, reagierten bisweilen ängstlicher auf die Anwesenheit von Menschen.

Die meisten ignorieren die Gäste

Insgesamt konnten die Biologinnen und Biologen in 38 Prozent der analysierten Fälle Verhaltensänderungen bei den Tieren auf die Anwesenheit von Besuchern zurückführen. "Wir verfügen inzwischen über robuste Methoden zur Messung des Wohlbefindens von Tieren in Zoos", sagte Ellen Williams von der Harper Adams University. "Und es ist sehr wichtig, die Reaktionen der Tiere auf verschiedene Faktoren zu erkennen, um das Wohlergehen der Tiere stets gewährleisten zu können."

Daher sei die Beobachtung ermutigend, dass Elefanten, Vögel und viele andere Arten von der Anwesenheit von Menschen profitieren konnten, schreibt das Team. Besonders erfreulich sei aber auch die Tatsache, dass die meisten Arten sich gar nicht vom Besuchergetöse beeindrucken ließen. Das deute auf Entwicklungen bei der Gehegegestaltung hin, die es den "Insassen" leichter machen, die Zoobesucher zu ignorieren. (tberg, 27.5.2023)