Das Bild zeigt die tragbare Spielkonsole G Cloud von Logitech
Eigentlich macht G Cloud vieles richtig. Leider patzt die Streaming-Konsole aber an einer entscheidenden Stelle.
Logitech

Hardwarespezialist Logitech traut sich mit einer neuen Spielkonsole jetzt auch auf den europäischen Markt. G Cloud, so der Name des Handhelds, setzt dabei voll und ganz auf Cloud-Gaming: Das Spiel läuft dabei nicht mehr lokal auf dem Gerät selbst, sondern über einen externen Server, der die Spielereingaben via Internetverbindung empfängt und die Ergebnisse an das Gerät zurückschickt. Wie das im Alltag funktioniert und was G Cloud sonst noch bieten kann, hat sich DER STANDARD in einem Test angesehen.

Um eines vielleicht gleich vorwegzunehmen: Auch wenn es naheliegen würde, G Cloud mit anderen Handhelds zu vergleichen, macht es aus rein technischer Perspektive wenig Sinn, weil hinter der Konsole von Logitech im Prinzip ein Android-Tablet mit besonderen Eingabemöglichkeiten steckt. Was das Spielerlebnis an sich und die Anschaffungskosten der Hardware für knapp 360 Euro betrifft, lassen sich aber sehr wohl Vergleiche ziehen, doch dazu später noch mehr.

Solide Eingabe

Logitech hat sich mit PC-Eingabegeräten im Allgemeinen und Gaming-Hardware im Besonderen über die Jahre einen Namen gemacht. Ganz egal, ob Mäuse, Tastaturen, Controller, Joysticks oder Lenkräder: der Hersteller ist nicht erst seit gestern im Business und das merkt man dem G Cloud auch an. Der weiße Handheld im Querformat ist sauber verarbeitet, verfügt über geringe und gleichmäßige Spaltmaße und wiegt mit seinem 7-Zoll-Touchscreen (ca. 17,8 Zentimeter Bildschirmdiagonale) nicht einmal ein halbes Kilo (463 Gramm).

Die Haptik des Gerät kann durchaus als gelungen bezeichnet werden. Texturenakzente werden an der richtigen Stelle eingesetzt.
Logitech

Die gummierten Analogsticks fühlen sich beanspruchbar an, ermöglichen genaues Handling und auch alle Buttons an der Front geben sich mit knackigen, kurzen Druckpunkten keine Blöße. Will man auf hohem Niveau jammern, könnte man eventuell bemängeln, dass die Triggertasten etwas zu kurz geraten sind, weshalb man gefühlt etwas weiter nach oben greifen muss, als es die natürliche Griffposition nahelegen würde. Aber für einen Handheld ist der Triggerweg an sich ausreichend lang und akzeptabel zu bespielen, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat.

Helles Display, klarer Sound

Ein weiteres Highlight des G Cloud ist der Touchscreen. Laut Logitech erreicht das IPS-Display mit Full-HD-Auflösung eine maximale Helligkeit von 450 Nits. In der Praxis konnte das nicht nachgemessen werden, bedeutet aber umgemünzt auf die Größe von sieben Zoll, dass man sich bei hellem Umgebungslicht über ein gestochen scharfes Bild freuen darf (sofern die Internetverbindung diese Inhalte zulässt). An sich verfügt das Gerät über eine automatische Helligkeitsregelung, im Test wurde allerdings das manuelle Einstellen bevorzugt, weil die Automatik subjektiv zu dunkel war.

Der Full-HD-Touchscreen weiß auch bei hellem Tageslicht zu überzeugen.
Logitech

Trotz Bauform überraschend gut klingen die Stereo-Lautsprecher, die an der Unterkante des Geräts hinter zwei kleinen Schlitzen verbaut sind. In der Praxis waren keine Verzerrungen festzustellen, auch nicht auf der – gefühlt schon zu lauten – Maximallautstärke. Diese wird über einen Wippschalter an der Oberkante des Handhelds eingestellt. Im G Cloud sind übrigens auch Mikrofone verbaut, um sich ohne Kopfhörer in Multiplayergefechte stürzen zu können. Wer dennoch Kopfhörer bevorzugt, kann sie über Bluetooth (5.1) verbinden oder über einen 3,5mm-Anschluss an der Unterseite des Geräts. Dort befindet sich auch der USB-C-Anschluss des Geräts, um das Gerät wieder aufzuladen.

Dauerläufer

Apropos aufladen: Dass G Cloud "nur" streamt und nicht lokal berechnet, schlägt sich auch massiv auf die Akkulaufzeit nieder. Im positiven Sinn. Die von Logitech angegebenen zwölf Stunden konnten im Test zwar nicht erzielt werden – vermutlich auch deshalb, weil bewusst auf die automatische Helligkeitsbegrenzung verzichtet wurde –, aber mehr als neun Stunden waren dennoch kein Problem. Das zeigt sich gegenüber anderen Handhelds als massiver Vorteil, die von solchen Werten nur träumen können. Ein gutes Beispiel wäre das Steamdeck, das in der Regel maximal halb so lange hält.

Die lange Betriebsdauer lässt sich vermutlich auch mit dem verbauten Prozessor, dem Qualcomm Snapdragon 720G, erklären. Der SoC hinkt modernen Smartphone-Prozessoren hinsichtlich Leistung deutlich hinterher. Streng genommen wäre der Chip für einen ausschließlichen Streaming-Einsatz im G Cloud ohnehin schon zu stark. Vermutlich suchte Logitech hier aber einen Kompromiss, um eine Option anspruchsvollerer Spiele stemmen zu können, die direkt über den Google Play Store runtergeladen und lokal gespielt werden. Kompromiss auf der anderen Seite auch deshalb, weil das nicht immer klappt.

Eigentlich ein Android-Tablet

Wie bereits erwähnt, lässt sich G Cloud eigentlich auch als Android-Tablet mit integriertem Controller bezeichnen. Als Betriebssystem kommt Android 11 zum Einsatz, allerdings stellt Logitech eine eigene Benutzeroberfläche in Form eines Handheld-Modus bereit. Diese Oberfläche ist sehr rudimentär, aber dementsprechend übersichtlich gestaltet und verfügt über eine zentrale Ansicht der zuletzt geöffneten Apps, eine Schnellstartleiste am unteren Rand und eine Systemleiste am linken oberen Rand.

Das UI des Handheld-Modus ist auf das Wesentliche beschränkt.
Logitech

Dass Cloud-Gaming eine zentrale Rolle spielt, merkt man jedenfalls schon beim Einrichten des Handhelds. Die Oberfläche stellt Cloud-Gaming-Apps wie Xbox Game Pass und Nvidia GeForce Now in den Vordergrund, gefolgt von Steam Link, Google Chrome und YouTube. Über den Zugriff auf den Google Play Store lassen sich beliebige Apps herunterladen. Die Menüführung ist eher auf die Controller-Steuerung ausgelegt, lässt sich aber meistens auch über die Touchscreen-Gesten steuern. Im Test konnte eine Ausnahme festgestellt werden: Beim Einstellungsmenü funktioniert lediglich Analogstick oder das Steuerkreuz.

Streaming mit Hindernissen

All das würde sich grundsätzlich ganz fein anhören, wenn G Cloud nicht in entscheidenden Momenten zu Aussetzern neigen würde. Und zwar komplett und ausgerechnet dort, wo dieser Handheld eigentlich brillieren sollte, nämlich direkt bei besagtem Cloud-Gaming.

Abgehackter Drift in der Haarnadelkurve von "Dirt 5"? Nicht schön. Ein Doomguy, dessen Drehbewegung mitten im Gefecht ins Stottern gerät? Sehr ungelegen. Oder vielleicht gar ein verlorener Kampf in "Mortal Kombat 11", weil die eingegebene Tastenkombination im Nirvana verschwunden und der Bildschirm kurzzeitig eingefroren ist? Ganz ehrlich: Spätestens nach dem dritten Mal fällt das Spielkonzept damit in die Kategorie uninteressant.

Am Anfang war man noch dazu geneigt, die eigene Internetverbindung als Schuldige zu vermuten. Aber selbst direkt neben einem Glasfaseranschluss mit mehr als 500 Mbit/s Down-, 100 Mbit/s Upload und einem Ping von weniger als fünf Millisekunden, der auf anderen mobilen Geräten nachgemessen einwandfrei funktioniert, war kein fehlerfreies Streaming über Xbox Game Pass oder GeForce Now möglich. Der Fehler liegt aller Wahrscheinlichkeit nach also beim Gerät selbst.

Tatsächlich unterstützt G Cloud auch nur Wi-Fi 5, die moderneren Standards Wi-Fi 6 oder gar Wi-Fi 6E sucht man vergeblich, genauso vergeblich wie eine Geräteversion mit LTE- oder 5G-Modul. Das reicht im Großen und Ganzen zwar aus dafür, dass man "meistens" flüssig spielen kann. Wirklicher Verlass ist auf ein reibungsloses Streamingvergnügen allerdings nie. Das dürfte vielen Gamerinnen und Gamern auf die Nerven gehen.

Zusätzliche Entertainerqualitäten

Abseits von Cloud-Gaming-Abos wie Xbox Game Pass, GeForce Now oder Shadow unterstützt G Cloud auch noch Steam Link. Das heißt, dass PC-Spielern mit Steam-Konto ein Fernzugriff auf ihre Spielebibliothek ermöglicht wird. Dieses Remoteplay wirkte in der Praxis wesentlich flüssiger und artefaktfreier auf der G Cloud als das Bemühen der Gaming-Abos. Bei leistungshungrigeren Spielen wie etwa "Returnal" oder "Cyberpunk 2077" setzt das aber auch einen dementsprechend potenten Rechner als Quelle voraus. In Summe ein sehr nettes Feature, aber keines, das man automatisch für einen Großteil der Interessenten annehmen sollte.

Über Remoteplay hinaus liegt es freilich in der Natur des Android-Systems, dass Apps aus dem Google Play Store weitgehend einwandfrei auf dem G Cloud laufen. Und damit sind in diesem Zusammenhang nicht unbedingt produktive Anwendungen gemeint, sondern ebenfalls Spiele. Doch auch hier trifft man auf weitere Einschränkungen: Bei Spielen wie "Diablo Immortal" und "Genshin Impact" merkt man, dass der Prozessor im G Cloud an seine Grenzen stößt. Hohe Grafikeinstellungen sind bei fordernden (Handy-)Spielen jedenfalls keine möglich, wenn man kein Ruckeln in Kauf nehmen möchte. Darüber hinaus wird bei anderen Spielen, wie zum Beispiel "Call of Duty Mobile", die Controllersteuerung nicht automatisch erkannt.

Schwieriges Umfeld

Auch wenn sich die Konsole aus technischer Sicht nicht direkt mit populären Rivalen vergleichen lässt: Das durchwachsene Spielerlebnis in Kombination mit dem Preis werden es G Cloud letztlich erschweren, sich am Markt behaupten zu können. Grundsätzlich solide Hardwarespezifikationen werden leider von einem klaren Latenzproblem überschattet. Bei einem sportlichen Preis von 360 Euro (Gaming-Abos noch nicht inkludiert) ist man dann schon geneigt sich umzuschauen, was es sonst noch so gibt. Für einen Aufpreis von 40 Euro landet man etwa beim Steamdeck, wo PC-Spieler lokal fast auf ihre komplette Bibliothek zurückgreifen und via Browser genauso Clouddienste laufen lassen können.

Logitech G Cloud ist besonders gut geeignet für ... ja, für wen denn eigentlich?
Logitech/Benjamin Pritzkuleit

Für rund 60 Euro weniger gibt es eine Switch, die auch noch kompakter ausfällt. Grafisch mögen die Erlebnisse – auch aufgrund des schwächeren Displays – zwar nicht so aufgebohrt sein wie die Streaming-Erlebnisse der G Cloud, wenn sie denn mal funktionieren. Dafür punktet Nintendo in der Regel mit einem latenzfreien Spielekatalog, der vor allem inhaltlich seinesgleichen sucht und theoretisch auch nicht zwingend ein Abo oder eine Internetverbindung benötigt.

Nicht zuletzt stehen bei den meisten Nutzerinnen und Nutzern die Chancen recht gut, dass sich die Fähigkeiten von G Cloud auch sehr leicht auf ein Gerät übertragen lassen, das sie bereits besitzen: nämlich ihr eigenes Smartphone. Mit entsprechender Halterung und einem Controller nach Wahl, die zusammen bestimmt weniger als 360 Euro kosten, kann man genauso Gaming-Abos über den Browser streamen. Ja, mehr noch: Dank SIM-Karte ist man theoretisch nicht einmal auf eine WLAN-Anbindung angewiesen.

Fazit

Auf dem Papier mag G Cloud ein idealer Second Screen für Spielerhaushalte sein, die bereits ein Gaming-Abo wie zum Beispiel Xbox Game Pass haben und komfortable Ausweichmöglichkeiten innerhalb der eigenen vier Wände suchen. Hardwareseitig hinterlässt der Handheld eigentlich einen sehr wertigen Eindruck: Die Steuerungselemente sind auch über einen längeren Zeitraum komfortabel zu bedienen – der Touchscreen und die hohe Akkulaufzeit lassen anfangs auf ein gut durchdachtes Konzept schließen. Selbst der Handheld-Modus der Android-Basis und die Kompatibilität zu den Spielediensten sind in Ordnung und lassen für den Einsatzzweck nur wenig Wünsche übrig.

Tatsächlich ergibt sich in der Praxis aber eine wesentliche Hürde: Selbst bei flotter Internetanbindung treten immer wieder Latenzen auf, die den Spielspaß erheblich trüben. Das fällt nicht nur bei potenziell kompetitiven Genres wie zum Beispiel bei Shootern oder Rennspielen auf, sondern ist für fast alle Spiele von Relevanz. Somit befindet sich das Gerät derzeit sehr nahe dran, an seiner vermeintlichen Kernkompetenz, dem Streamen von Spielen, zu scheitern. Unabhängig davon ist der Preis von G Cloud zum Release in Europa ein wenig unglücklich gewählt: Mit einer unverbindlichen Empfehlung von 360 Euro kann sich Logitech nicht von der Konkurrenz absetzen. Und deren Geräte kommen ohne, aber auch mit Internetanbindung besser zurecht. (Benjamin Brandtner, 27.5.2023)