Die Kundenliste von Palantir Technologies hat es in sich. Die CIA, das FBI, die US-Air Force und die NSA sind da zu finden, ebenso Europol, deutsche Polizeieinheiten und große Konzerne wie Airbus. Das Anwendungsgebiet der Technik von Palantir, die der Analyse von Big Data und Überwachung dient, ist also breit.

Bei österreichischen Behörden waren die Softwarelösungen des Konzerns, der seine ersten Investments vom Start-up-Fonds der CIA erhalten hat, scheinbar aber bislang nicht zum Einsatz gekommen. Den Eindruck gewann zumindest, wer parlamentarische Anfragebeantwortungen analysierte.

So wollte der Abgeordnete Rainer Wimmer (SPÖ) im Frühjahr 2022 von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wissen, ob ihr Ressort zwischen Dezember 2017 bis Februar 2022 "Aufträge an Palantir Technologies" vergeben habe. Auslöser der Anfrage war, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nun als Berater von Palantir-Gründer Peter Thiel aktiv war. Tanners Antwort: Ihr Ministerium habe "keine Zahlungen" an Palantir oder Thiel geleistet.

Tanner
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bei einem Besuch im Senegal.
Peter Lechner

Auch eine zweite Anfrage beantwortete Tanner ähnlich – da ging sie auf die Frage von SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner, ob Beamte aus ihrem Ressort mit Palantir zu tun hatten oder ob es Kontaktaufnahmen durch den US-Konzern gab, gar nicht ein. "Entfällt", so die lapidare Antwort der Ministerin.

"Das System kann wirklich viel"

Recherchen des STANDARD zeigen allerdings, dass das Bundesheer sehr wohl Software von Palantir Technologies benutzt hat – und zwar unter der türkis-blauen Regierung, als Mario Kunasek (FPÖ) Verteidigungsminister war. Das geht aus E-Mails zwischen Spitzenbeamten des Innenministeriums hervor, die dem STANDARD vorliegen.

So warb Erich Zwettler, damals Chef des Wiener Verfassungsschutzes (LVT), im Innenministerium und bei der Wiener Polizei für Palantir. "Das System kann wirklich viel", schrieb er im September 2018 an Michaela Kardeis, damals Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit, und den Wiener Polizeichef Gerhard Pürstl. Das Produkt sei laut Zwettler "mächtig, kann enorm viel und würde die Arbeit der Staatsschutzdienststellen mit großer Sicherheit voranbringen".

Und, so Zwettlers für diese Recherche entscheidender Satz: "In Österreich verwendet das das Bundesheer, Jagdkommando. Das ist insofern wichtig, als es damit wohl eine Rechtsgrundlage geben muss, die innerstaatlich auslangend ist".

Das Jagdkommando ist die Elitetruppe des Bundesheeres, spezialisiert auf schwierige Einsätze im In- und Ausland. Da geht es zum Beispiel um Geiselbefreiungen,  die Evakuierung von Auslandsösterreichern aus Krisengebieten, die Jagd auf Kriegsverbrecher, aber natürlich auch um Informationsgewinnung.

"Nur im Probebetrieb"

Damit konfrontiert, sagt Bundesheersprecher Michael Bauer: Das Jagdkommando habe im Jahr 2018 tatsächlich Palantir-Software eingesetzt, allerdings "vorübergehend und nur im Probebetrieb". Es habe sich um eine "geschlossene Applikation ohne Anbindung an das Internet" gehandelt, "in die auch keine geheimen Daten eingespielt wurden".

Bauer weiter: "Das Jagdkommando hatte 2018 von der zuständigen Fachabteilung im Verteidigungsministerium einen Erprobungsauftrag für ein Palantir-Analysetool namens Conan erhalten. Die Software wurde von Palantir für einen Zeitraum von sechs Monaten kostenfrei zur Verfügung gestellt". Nach Ablauf der Probezeit sei es aber zu keinem Vertragsabschluss gekommen.

Mitglieder des Jagdkommandos bei einer Übung 2015.
APA/Bundesheer/Minich

Und im Innenministerium? Zwettler wollte sich mit Verweis auf die Amtsverschwiegenheit nicht äußern. Innenminister Gerhard Karner gab an, im Frühjahr 2017 habe eine Delegation des Ministeriums Palantir im Silicon Valley besucht. Im April 2019, also unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), und im November 2020, also unter Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), hätten Produktpräsentationen von Palantir im Bundeskriminalamt stattgefunden; ebenso im März 2021 im Rahmen eines "IKT Firmen Round Table". Bedarf an den vorgestellten Produkten habe keiner bestanden.

Geburtstagsparty in Wien

Gesprächspartner blieb Palantir jedoch weiterhin: Erst im November 2022 nahm ein für Regierungen und Behörden im deutschsprachigen Raum zuständiger Palantir-Manager an einem Symposium des Kompetenzzentrums Sicheres Österreich (KSÖ) teil, bei dem auch mehrere schwarze Regierungsmitglieder dabei waren.

Thiel
Palantir-Mitgründer Peter Thiel bei einer Bitcoin-Konferenz im Jahr 2022.
APA/AFP/GETTY IMAGES/Marco Bello

Gute Verbindungen in die heimische Politik hat Palantir ohnehin schon seit 2015: Damals war die ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas ins Silicon Valley gewechselt. Kurz selbst will mit Palantir nichts zu tun haben, sondern andere Interessen von Konzernmitgründer Thiel betreuen. Die beiden kennen einander offenbar schon deutlich länger, als bislang bekannt: So zeigt ein Auswertungsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), dass Kurz im Herbst 2017 zur Geburtstagsfeier von Peter Thiel in Wien eingeladen wurde – und zwar vom deutschen Investor Christian Angermayer. "Peter und einige seiner VIP-Gäste (unter anderem der neue US-Botschafter in Österreich und eventuell Mark Zuckerberg) würden am Sonntag auch gerne zu eurer Wahlparty kommen, falls wir eingeladen sind", schrieb Angermayer an Kurz, damals Spitzenkandidat der ÖVP.

"Unsere gemeinsamen Freunde Eva und Alex Schütz wollten sich hierum kümmern", so Angermayer. Eva Schütz wurde dann unter Türkis-Blau Kabinettsmitarbeiterin im Finanzministerium, mittlerweile ist sie Herausgeberin der ÖVP-nahen Plattform Exxpress.at – und mit Alexander Schütz hat Kurz eine Geschäftsbeziehung aufgenommen. (Fabian Schmid, Michael Nikbakhsh, 26.5.2023)