Die Stadt Wiener Neustadt hat gegen den Datenschutz verstoßen.
AP/Elise Amendola

Eigentlich wollten 1.800 Bewohnerinnen und Bewohner in der Wiener Neustadt ihren Unmut über einen neuen Stadtentwicklungsplan äußern. Sie beklagen, dass die Böden in der Umgebung immer mehr versiegelt würden. Doch ihre Daten dürften von der dortigen ÖVP für parteipolitische Zwecke missbraucht worden sein: Sie wurden unrechtmäßig zweckentfremdet, befindet die Datenschutzbehörde (DSB) nun in einem Bescheid, der dem STANDARD vorliegt.

Hintergrund: Die Betroffenen reichten im Dezember einen Initiativantrag ein. Bei dem direktdemokratischen Mittel muss der Magistrat prüfen, ob genügend Personen aus Wiener Neustadt den Antrag mittragen, dann wird er nach niederösterreichischem Stadtrecht im Gemeinderat debattiert. Doch anstatt nur das zu tun, trudelte bei den Unterstützern im Jänner – also mitten im niederösterreichischen Wahlkampf – ein mehrseitiger Brief des Wiener Neustädter Bürgermeisters Klaus Schneeberger (ÖVP) ein. Er bedankte sich darin in seiner Funktion als Bürgermeister bei den Unterstützenden und versuchte ihre Bedenken zu relativieren.

Auch bei "großzügiger Auslegung" verboten

Bei den Unterstützern sorgt das allerdings eher für Befremden: Ihre Unterschriftenliste hätte nicht für parteipolitische Zwecke – und das in der heißen Phase des Wahlkampfs – zweckentfremdet werden dürfen, argumentieren sie. Einige von ihnen reichten Beschwerde bei der Datenschutzbehörde ein – und erhielten nun recht: Das schwarz regierte Wiener Neustadt hat demnach das Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem es die Adressdaten der Betroffenen unrechtmäßig verarbeitet habe.

Diese hätten zwar eingewilligt, ihre Daten im Sinne des Initiativantrags offenzulegen, nicht aber, um persönlich vom Bürgermeister kontaktiert zu werden, führt die Behörde aus. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehe eine aktive Einwilligung für bestimmte Zwecke vor. Somit könne "die bloße Teilnahme an einer Bürgerinitiative selbst, auch bei großzügiger Auslegung, nicht als definitionsmäßige Einwilligung gewertet werden". Wiener Neustadt kann gegen den Bescheid noch in Berufung gehen, er ist also nicht rechtskräftig.

Die Datenschutzbehörde hat mit ihrem Bescheid weitere solche Datenverarbeitungen untersagt. Eine Geldstrafe kann sie aber nicht verhängen, da eine solche in Österreich für die öffentliche Hand nicht vorgesehen ist. "Müsste diese dieselben Strafen für Datenschutzverstöße befürchten wie jedes Unternehmen, dann würde sich die ÖVP nicht so ungeniert an den Daten der Bevölkerung bedienen", kritisiert Thomas Lohninger von der Datenschutz-NGO Epicenter Works.

"Willkürlich falsch"

Die Grünen in Wiener Neustadt, die auch selbst Beschwerde eingelegt haben, begrüßen die Entscheidung: "Magistrat und Aufsichtsbehörde haben das Gesetz willkürlich und damit falsch ausgelegt", sagt die Grünen-Stadträtin Selina Prünster. Mehrere Bürger hätten sich durch den Brief eingeschüchtert gefühlt und für weitere direktdemokratische Initiativen in Wiener Neustadt schwarz gesehen. Wiener Neustadts Grünen-Klubsprecher Michael Diller ortet "Willkür und Foulspiel" durch die ÖVP.

Auch die Initiatorinnen und Initiatoren der Bürgerinitiative zeigen sich erfreut. "Menschen, die sich öffentlich für ihre Anliegen einsetzen, müssen sich sicher sein können, dass mit ihren Daten sorgsam umgegangen wird", sagen sie.

Epicenter Works sieht ein grundsätzliches Problem im Umgang mit den Daten: "In einer Demokratie müssen Staat und Parteien klar getrennt sein, auch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten." Die ÖVP missbrauche zusehends Daten der staatlichen Verwaltung für parteipolitische Zwecke. Als Beispiel verweist sie auf einen Zugriff auf Wählerdaten durch den Vorarlberger Seniorenbund (DER STANDARD berichtete). (Muzayen Al-Youssef, 26.5.2023)