Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz gegen den FPÖ-Politiker Udo Guggenbichler samt Hausdurchsuchung bei seiner Burschenschaft Albia: Diese Meldung des STANDARD hat am Mittwoch für helle Aufregung gesorgt. Gefunden worden sei aber nichts, behauptete Guggenbichlers Anwalt Sascha Flatz: weder NS-Devotionalien noch Fotos mit NS-Symbolen, wie von einer Bekannten Guggenbichlers in einer Anzeige behauptet. Und auf dem Dachboden wohne auch kein ehemaliger SS-Funktionär, wie eine zweite Zeugin, die Ex-Abgeordnete Martha Bißmann, laut ihrer Aussage vor den Ermittlern von Guggenbichler erzählt bekam. 

Dokumente aus dem Ermittlungsakt, die das bestätigten, wollten Flatz und Guggenbichler allerdings nicht übermitteln. Und auch der Ablauf der Ermittlungen sorgt für einige Verwunderung. So verging zwischen der Anzeige der Frau, die Guggenbichler zufällig kennengelernt habe und mehrfach von ihm auf die Bude der Albia eingeladen worden sei, und der Razzia viel Zeit: Die Erstmeldung der Frau ging am 27. Juli 2022 bei der NS-Meldestelle des Verfassungsschutzes ein, vernommen wurde die Frau dann im Dezember 2022 – die Razzia erfolgte aber erst im Frühling 2023.

In dieser Zeit hatte wiederum Guggenbichler Anzeige gegen seine frühere Bekannte eingebracht und angegeben, diese habe ihn "im Zeitraum von 11. Juni 2022 bis 29. Juli 2022 beharrlich verfolgt", also gestalkt. Dafür habe die Frau auch Fake-Profile benutzt. Hier ermittelte das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz, das zuständig ist, wenn ein Abgeordneter bedroht wird. Das Verfahren wurde im November 2022 allerdings eingestellt: Ein strafbares Verhalten der Beschuldigten sei "im Zweifel nicht ausreichend erweislich" gewesen.

Ex-Kammerpräsident Leitl als Vortragender

Hinter den Kulissen weisen Freiheitliche darauf hin, dass die zweite Zeugin, Martha Bißmann, mit der ehemaligen Bekannten Guggenbichlers eng befreundet sei – ein Umstand, den die frühere Nationalratsabgeordnete vor den Ermittlern offengelegt hat. In ihrer Einvernahme erwähnte sie auch die Anwesenheit des ehemaligen Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl in der Burschenschaft Albia. Einem Foto auf Facebook zufolge habe sich auch Leitl in besagtem Kaminzimmer aufgehalten.

Vom STANDARD darauf angesprochen, bestätigt Leitl, dass er im November 2022 einen Vortrag in den Räumlichkeiten der Burschenschaft gehalten habe. Auf die Frage, ob ihm Porträts von Männern in SS-Uniformen samt Hakenkreuzen auf den Wänden aufgefallen seien, sagt Leitl: "Nein, das ist mir nicht aufgefallen, ich werde regelmäßig von Vereinen oder auch Studentenverbindungen eingeladen, da achte ich eigentlich nicht auf die Rahmenbedingungen." Zu welchem Thema er sprach, wisse er aber noch: "Immer über Europa, seine Zukunftsperspektiven und Stellung in der Welt", sagt Leitl und reiht noch ein paar Schlagworte aneinander: "Humanismus, Toleranz UND gegen Nationalismus." Es sei sein erster Auftritt bei der Albia gewesen. Seine Zuhörer seien "junge, aber auch ältere Männer gewesen".

Wie viele Alben, wie sich die Mitglieder der 1870 gegründeten Albia nennen, Leitl zugehört haben, wisse er nicht mehr.

Wer vor ihm als Vortragende auf die Bude kamen, weiß das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): 2017 waren es etwa Martin Sellner, Mitbegründer der neofaschistischen Identitären, und der als Theologe firmierende Wolfram Schrems, der im selben Jahr bei der Albia über "Europas Weg in den Untergang" referierte und Anfang 2023 auf einer Demo von sogenannten Maßnahmenkritikern gegen Impfungen und Abtreibungen wetterte. Dort meinte er, Abtreibungen seien Teil der "Impfstoffgewinnung" und "Leichenteile der ungeborenen Kinder" würden industriell verarbeitet werden.

2022 hielt der ehemalige FPÖ-Gemeinderat und Vermieter der Zentrale der Identitären in Graz, Heinrich Sickl, ebenfalls bei den Alben einen Vortrag.

Nicht als Vortragender, aber als Gast war auch Niko Kern, Sohn von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ), einmal in den Räumlichkeiten der Burschenschaft Albia, schreibt dieser auf Twitter.

Udo Guggenbichler
Gegen den FPÖ-Politiker laufen Ermittlungen.
APA/EVA MANHART

Albia galt ab 1893 als "judenrein"

Die Albia behauptet, nicht antisemitisch zu sein, weil ja immerhin einst Theodor Herzl einer der ihren war – das soll Guggenbichler auch gegenüber Bißmann betont haben. Der Schriftsteller und Journalist Herzl, der als Begründer des politischen Zionismus gilt, hat als Student die Albia jedoch schon nach zwei Jahren verlassen – wegen antisemitischer Tendenzen.

Die Albia galt ab 1893 als "judenrein", 1935 übernahm die sie zudem das "Waidhofener Prinzip", nach dem Juden nicht satisfaktionsfähig sein sollten.

2015 veröffentlichte Guggenbichler mit anderen schlagenden Studentenverbindungen eine Erklärung gegen Antisemitismus, in der es heißt, dass die "Waidhofener Beschlüsse seit langer Zeit obsolet" seien. Dem war eineinhalb Jahre zuvor ein Streit um Förderungen für den Österreichischen Pennälerring (ÖPR), dem Guggenbichler vorsitzt, vorangegangen. Im vergangenen Jahr erhielt der ÖPR rund 14.500 Euro Basisförderung und denselben Betrag an Projektförderung. 

Burschenschaften spielen in der FPÖ jedenfalls eine dominante Rolle. Parteichef Herbert Kickl ist keiner von ihnen und fremdelt eher mit der Szene. In seinem unmittelbaren Umfeld werken allerdings mehrere Korporierte, etwa sein enger Vertrauter Reinhard Teufel oder Stratege Alexander Höferl. Kickl blieb im Februar auch dem Akademikerball, dessen Organisator Guggenbichler ist, fern. Zu den aktuellen Ermittlungen gegen Guggenbichler gibt es von ihm und auch von der Wiener FPÖ auf Anfrage keinen Kommentar.

In der FPÖ schütteln jedenfalls viele den Kopf über die nun bekannt gewordenen Ermittlungen gegen Guggenbichler. Zwei prononciert Linke in die Räumlichkeiten der Burschenschaft einzuladen könne kein schönes Ende nehmen, meinen die einen. Andere wiederum stellen sich hinter Guggenbichler und bewerten die Angelegenheit als eine private Fehde ohne jeden Wahrheitsgehalt. Konsequenzen innerhalb der Partei sind jedenfalls nicht zu erwarten. (Colette M. Schmidt, Sandra Schieder, Fabian Schmid, 25.5.2023)