Sozialdemokratinnen unter sich
Rendi-Wagner bei der Jahreskonferenz der Wiener SPÖ-Frauen.
Foto: Heribert Corn

Sie tun so, als wäre sie nie da gewesen. Hans Peter Doskozil beschäftigt sich mit seiner Kandidatur und Andreas Babler; Andreas Babler beschäftigt sich mit der seinen und Hans Peter Doskozil. Die SPÖ-Länderchefs treibt die Frage um, wen von den beiden sie nun unterstützen sollen – und die Gewerkschaft sagt: gar nichts. So geht das seit Tagen. Pamela Rendi-Wagner hat am Dienstag ihren Rückzug von der Parteispitze bekanntgegeben, knapp, klar und stilvoll. Die Reaktion aus der eigenen Partei darauf war – gellendes Schweigen. Hätte es noch eines weiteren Beweises bedurft, dass die SPÖ ein Frauenproblem hat – voilà. Man(n) hatte Rendi-Wagner zum Aufkehren der Scherben geholt, nachdem Christian Kern die Parteiführung sehr spontan zurückgelegt hatte. Das hat sie nach Meinung der roten Granden wohl nicht gut genug erledigt – also Schwamm drüber, keine weitere Erwähnung wert.

Umfrage zur SPÖ-Mitgliederbefragung: „Alte weiße Männer, wo man hinschaut“
DER STANDARD

Dabei ist die Noch-Vorsitzende der SPÖ nicht einmal das beste Beispiel für die strukturelle Frauenfeindlichkeit ihrer Partei. Die Luft an der politischen Spitze ist dünn, Politikerinnen wie Politiker stehen unter ständiger Beobachtung. Dass Partei und Vorsitzende einander nie wirklich vertraut haben, hat auch damit zu tun, dass Rendi-Wagner Fehler gemacht hat. Das beginnt bei ihrer Personalauswahl und endet bei dem Problem, bei wichtigen Themen keine konsequente Linie vorgegeben zu haben. Die Frage ist: Wäre Rendi-Wagner anders aufgetreten, hätte sie andere Entscheidungen getroffen und hätte sie eine klarere politische Linie gezeichnet – wäre dann alles anders gekommen? Das muss man stark bezweifeln.

Fraktionieren geht vor

"Als ich gesehen habe, wie sie mit ihr (Rendi-Wagner, Anm.) umgehen, ist mir bewusst geworden: Mit mir sind sie auch so umgegangen", sagte Brigitte Ederer in einer ORF-3-Talkrunde. Nun ist die ehemalige Europastaatssekretärin, Wiener Finanzstadträtin und Ex-Siemens-Chefin ein anderes politisches Kaliber – aber mit offenbar ähnlichen Erfahrungen, wie man in der Partei mit Frauen umzugehen pflegt. Ein ähnliches Lied könnte wohl auch Ederers Nachfolgerin als Wiener Finanzstadträtin, Renate Brauner, singen – als der Medienboulevard gegen sie eine teils untergriffige Kampagne fuhr, hielt sich die Unterstützung für Brauner aus den eigenen Reihen in engen Grenzen. Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer wurde, nach Differenzen mit der Gewerkschaft und einer Covid-Impfkampagne, von den eigenen Leuten förmlich aus dem Amt gejagt.

In der SPÖ ist es wichtig, welcher "Partie" man angehört, das "Fraktionieren" (wer mit wem gegen wen?) lernt man bereits in jungen Jahren. Das kann Frauensolidarität schon mal verhindern – auch wenn das die SP-Frauenorganisation vehement bestreiten würde. Und es führt dazu, dass selbst innerhalb der eigenen "Partie" oft genug Männerinteressen über jene einer Frau gestellt werden. Widerständige, kritische weibliche Geister, die auch intern wider den Stachel löcken, haben es sehr schwer in der SPÖ. Oft genug werden sie verprellt, verjagt oder räumen freiwillig das Feld. Kantige Politikerinnen-Persönlichkeiten wie etwa die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer oder Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hätten in der SPÖ wohl keine Chance gehabt, an die Spitze zu kommen.

Das ist das eigentliche fortwährende Frauenproblem der SPÖ: dass sie es starken Frauen so schwer macht, in der Partei ein Standing zu entwickeln, dass beharrende Kräfte sehr häufig stärker sind als veränderungswillige. Da ist das höchst stillose Schweigen der roten Granden gegenüber Rendi-Wagner noch das kleinere Problem. (Petra Stuiber, 26.5.2023)