Die SPÖ ist dabei, einen Fehler zu korrigieren, den sie im Jahr 2018 begangen hat. Damals wählte sie eine Frau zur Parteivorsitzenden, die über viele Fähigkeiten und Qualitäten verfügt, ausgenommen jene, eine Partei hinter sich zu versammeln und in politisch brisanten Zeiten zu Wahlerfolgen zu führen, ja sie wieder zur stärksten Partei zu machen. Daran lassen die seither eingefahrenen Verluste der SPÖ keinen Zweifel.

Ihre Nominierung verdankte sie nicht langjähriger Erfahrung in der Partei, sondern der Empfehlung eines Vorgängers, der gerade die Lust an der Politik verloren hatte. Und auch erfahrenere Funktionäre der Partei zeigten keine Lust, im Kampf mit dem aufstrebenden Jungstar Sebastian Kurz Verantwortung zu übernehmen. Also wälzte man sie auf Pamela Rendi-Wagner ab.

Ob die Korrektur des Fehlers von 2018 gelingen kann, wird sich vielleicht am 3. Juni, sicher aber am Tag der kommenden Nationalratswahl erweisen. Immerhin ist die Entscheidung über den Parteivorsitz wieder dort, wo sie immer hingehört, nämlich bei einem Parteitag. Sie auf eine nicht bindende Mitgliederbefragung mit endgültiger Wahl bei einem anschließenden Parteitag zu verlagern verlieh dem Unternehmen von vornherein einen wochenlang anhaltenden Unterhaltungswert mit entsprechender Medienpräsenz, aber auch die Züge eines Orakels, und dessen Sprüche sind, wie seit langem bekannt, von hinterhältiger Mehrdeutigkeit.

Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil - sie zieht sich zurück, aber folgt er ihr tatsächlich als SPÖ-Parteichef nach?
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So ergab dessen Spruch, dass die Kandidatin und die zwei Kandidaten fast gleichauf von jeweils zwei Dritteln der Mitglieder als ungeeignet für den Parteivorsitz benotet wurden. Nur Hans Peter Doskozil leitete daraus einen Erfolg für sich ab, vielleicht deshalb, weil sein Vorsprung auf "Keine der genannten Personen" mit 30,2 Prozent deutlicher ausfiel als der seiner Mitbewerber. Dessen hätte es aber gar nicht bedurft, war er doch ohnehin überzeugt, dass 33,68 Prozent Mitgliederzustimmung eine automatische Beförderung in den Parteivorsitz bedeuten müssten und die Kandidatur eines zweiten Bewerbers beim Parteitag eine Art Eingriff in ihm zugesagte Rechte wäre. Nur beinahe hätte er seine Kandidatur zurückgezogen, aber das wollte er der SPÖ dann doch nicht antun. Gut so, denn es ist erfrischend und ein wohltuender Unterschied zu 2018, dass sich in der SPÖ wieder Personen finden, die als ihr klares Ziel angeben, Vorsitzende werden zu wollen, was bedeutet, dass sie bereit sind, in einer Zeit, in der dem Land der dritte Aufguss einer schwarz-blauen Koalition droht, Verantwortung zu übernehmen. Von jemandem, der diese Funktion anstrebt, darf man auch erwarten, dass er sich über seine künftigen Aufgaben Gedanken gemacht und klare Vorstellungen davon hat, wie er seine Partei aus ihrer misslichen Lage herauszuführen gedenkt.

Darüber weiß die (Partei-) Öffentlichkeit bisher noch nicht allzu viel, aber der Parteitag sollte Gelegenheit zu Klarstellungen geben. In der SPÖ wünscht man sich endlich wieder Harmonie und rasche Wahlerfolge. Das eine hängt vom anderen ab, und wer immer am 3. Juni eine Mehrheit der Delegierten zu überzeugen vermag, hat vielleicht ein Jahr Zeit, jenen innerparteilichen Frieden wiederherzustellen, der die SPÖ nach außen stärken könnte. Möglicherweise weniger. Der neue Vorsitzende steht ab seiner Wahl schwer unter Druck. (Günter Traxler, 26.5.2023)